Profiboxen Profiboxen: Samil Sam ist kein Klitschko-Ersatz
Hamburg/dpa. - Drei Tage nach dem Rücktritt von WBC-Weltmeister Klitschko hat der in Berlin lebende Türke Sinan Samil Sam in Hamburg den WM-Ausscheidungskampf des World Boxing Council (WBC) im Schwergewicht gegen den 36-jährigen Kasachen Oleg Maskajew nach schwacher Vorstellung klar nach Punkten (111:118, 110:118, 112:116) verloren und muss nun über den Sinn einer Fortsetzung seiner Karriere nachdenken.
Samil Sam gab nicht nur den Titel des internationalen WBC-Meisters ab, er wurde sofort nach dem Kampf ins Krankenhaus gebracht. Ein zunächst befürchteter Kieferbruch stellte sich als nicht so schwerwiegender Anbruch heraus.
«Ich hab Sinan nicht wiedererkannt. Das war der schlechteste Kampf, den ich von ihm gesehen habe», urteilte Promoter Wilfried Sauerland tief betroffen. «Das ist eine sehr bittere Pille für uns. Wir waren vom Sieg überzeugt, aber es ist nichts gekommen an taktischen Dingen», sagte Meistertrainer Ulli Wegner. Dazu passte, dass lediglich 3,03 Millionen Zuschauer den Kampf in der ARD sehen wollten. Auch Wladimir Klitschko wunderte sich über den behäbigen, energielosen Auftritt des 31-jährigen beleibten Türken, der schwerste Treffer zuhauf hinnehmen musste: «Ich habe von ihm mehr erwartet. Respekt vor Maskajew, dass er in seinem Alter noch diese Leistung bringt.» Ein Duell des Ukrainers mit Samil Sam um einen vorzeigbaren Titel wird es wohl nicht mehr geben.
Angefressen von Missmut und Enttäuschung, setzte Sams Manager Ahmet Öner zur Generalabrechnung an. «Alles war nur Wischiwaschi, da war kein Konzept, da war nix», sagte der Schwiegersohn von Universum-Trainer Fritz Sdunek. «Sinan ist kein normaler Mensch. Er ist ein sensibler, ein eigenartiger Mensch. Mann muss auf ihn eingehen, sonst geht er vor die Hunde», erklärte Ex-Profi Öner, um anschließend gegen Sauerland und Wegner zum Schlag auszuholen. «Wenn mann das als Promoter und Trainer nicht erkennt, dann muss man sich trennen.»
In Wegner brodelte es wie in einem Vulkan. «Ich brauche mich vor keinem zu rechtfertigen, nur vor Herrn Sauerland. Ich gehe meinen Weg», konterte der Meistertrainer mit hochrotem Kopf und widersprach Öner: «Sinan ist sogar ein leichter Mensch.» Nachdem sich Öner im vergangenen Jahr bereits mit Sauerlands Konkurrenten Klaus-Peter Kohl überworfen hatte und nach der Niederlage seines Schützlings im Universum-Stallduell gegen Luan Krasniqi schnurstracks zu Sauerland übergewechselt war, pflegt er auch hier die Rolle des Rebellen. «Sinan muss zu mir zurück nach Hamburg kommen», meinte Öner. «Sauerland hat eine Fabrik. Die produzieren Boxer am laufenden Band. Aber Sinan geht da unter.»
In einem weiteren Kampf behielt der für Sauerland boxende Greifswalder Sebastian Sylvester zwar den EM-Titel im Mittelgewicht, doch sein Punktsieg gegen den Italiener Lorenzo di Giacomo fand in den eigenen Reihen mehr Kritik als Lob. «Heute lief nichts. Mein Konzept war weg», meinte der Europameister. «Wir haben einiges verkehrt gemacht», befand sein Trainer Hartmut Schröder. «Wir haben gedacht, den Sieg nehmen wir so im Vorbeigehen mit.» Manager Winfried Spiering sprach von «Wurschteleien», und dass er am liebsten selbst in den Ring gesprungen wäre. Alles in allem: Der zumeist fade Abend wird den 4000 Zuschauern in der Sporthalle Hamburg wohl nicht in Gedächtnis bleiben.