"Die Gabe der Kinder": Ponifasios subtiles Spiel
Hamburg - – Lemi Ponifasio ist ein Star der internationalen Theaterszene. Mit seinem Titel „High Chief” gilt der 1964 geborene Choreograf, Tänzer, Regisseur, Designer und Künstler zugleich als führende spirituelle Persönlichkeit seiner pazifischen Insel-Heimat Samoa.
So wurzelt auch seine Bühnenarbeit, die er seit 1995 mit seinem Tanzensemble „MAU” ausführt, in der Kultur und Mythologie der Maori. Mit einer symbolträchtigen, geheimnisvoll poetischen Musikperformance, die er ein „Transformationsritual” nennt, hat Ponifasio am Donnerstagabend in Hamburg das noch bis zum 11. Juni dauernde Festival „Theater der Welt” eingeleitet.
„Die Gabe der Kinder” mit 200 jungen Menschen, Hamburger Sängerinnen und Sängern sowie neun „MAU”-Performerinnen kam in einem rund 9000 Quadratmeter großen ehemaligen Kakaospeicher am Hafen zur Welturaufführung. Nach gut einer Stunde spendete das Publikum auf eigens aufgebauten Tribünen reichlich Beifall.
Ästhetisch karg und effektvoll zugleich hat Ponifasio die riesige Halle in ihrer morbiden Industriearchitektur gestaltet. Zu erfahren ist – am Ende zum vom Band kommenden sakralen Musikwerk „Credo” von R. Murray Schafer - ein subtiles Spiel mit Dunkelheit und Licht sowie präzisen synchronen Bewegungssequenzen. Dessen eigentlicher Zweck aber nicht die Kunst ist - vielmehr eine Demonstration der Stärke und Schönheit all der Kinder, die in einer Umwelt von Krieg und Zerstörung leben müssen, wie es in einem Flyer heißt. Und damit ein Appell an die Mitmenschlichkeit der Zuschauer.
Frappierend wirkt gleich zu Anfang, wie sieben schwarz gekleidete „MAU”-Frauen ganz zauberhaft gleichsam archaisch singend aus der fernen Tiefe des Raums treten – und dabei von winzigen Punkten langsam immer größer zu werden scheinen. Nach kräftigem Trommeln einer anderen Figur schreitet dann ein langer Zug von stummen, isoliert und apathisch wirkenden Jugendlichen in Alltagskleidung aus entgegengesetzter Richtung auf die große Bühne.
Flugzeuglärm und Bombengeräusche erfüllen den Raum. Zwei Gestalten schälen sich aus der Menge. Ein Mädchen mit hüftlangem Haar erscheint als Kriegerin. Aggressiv singend umfasst sie einen langen schwarzen Stab wie einen Speer. Dann scheint es zu so etwas wie einem Blutopfer zu kommen: Ein Mädchen in weißer Bluse bietet ein kleines Becken dar, bedeckt Hände und Gesicht mit dem Blut darin. Um daraufhin wie tot auf dem Boden zu liegen. Doch es gibt Erlösung. Sie kommt von einem jungen Mann, der sie mit Wasser aus einer Plastikflasche übergießt und wieder lebendig werden lässt. Schließlich, begleitet von den sakralen Klängen und den Hamburger Sängern, folgen ihm die anderen Jugendlichen nach: Mit dem Inhalt zahlloser Flaschen benetzen sie den Boden. Und scheinen ihn damit wieder fruchtbar zu machen.
Ponifasios „Die Gabe der Kinder” war zunächst unter dem Titel „Children Of Gods” angekündigt worden - mit 400 Mitwirkenden bei einer Live-Aufführung des komplexen Werks „Credo” samt 48 Streichern. Da es während der Probenzeit jedoch nicht gelungen sei, alle Profi- und Laien-Mitwirkende aufeinander abzustimmen, habe der Regisseur seinem Projekt eine andere Ausrichtung gegeben, informierte am Donnerstag ein Festivalpapier. (dpa)