500 Milliarden für Infrastruktur Sachsen-Anhalts SPD kritisiert FDP für verweigertes Ja zum Schuldenpaket im Bundesrat
In einer historischen Entscheidung hat der Bundesrat die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben beschlossen und ein Infrastruktur-Sondervermögen über 500 Milliarden Euro gebilligt. Doch Sachsen-Anhalt enthielt sich - deshalb gibt es Zoff.

Berlin/Magdeburg/MZ - Den Moment der Entscheidung erlebt Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) mit ernster Miene. Er sitzt am Freitagmorgen im Bundesrat neben seiner Staatssekretärin Simone Großner. Sie sagt gerade ins Mikrofon: „Enthaltung“. Damit ist es amtlich. Sachsen-Anhalt stimmt der Lockerung der Schuldenbremse für künftige Militärausgaben und dem 500-Milliarden-Euro-Paket für Infrastrukturausgaben nicht zu. Der historische Beschluss fällt ohne Ja-Stimme Sachsen-Anhalts. Haseloff nimmt es äußerlich ungerührt hin.
Dass seine Koalition aus CDU, SPD und FDP nicht zustimmt, liegt an den Liberalen im Bündnis. Sie verweigern dem milliardenschweren Schuldenpaket trotz tagelanger Diskussionen in der Koalition das Ja – deshalb stimmt Sachsen-Anhalt im Bundesrat am Freitag letztlich mit Enthaltung, obwohl sich CDU und SPD im Vorfeld für das geplante Paket aussprachen.
Ohne Einigung in der Koalition muss sich Sachsen-Anhalt enthalten
Denn so sind die Regel in der Koalition: Sind sich die drei Parteien zu Fragen im Bundesrat nicht einig, enthält sich Sachsen-Anhalt. Die Landes-SPD kritisierte die Liberalen nach der Abstimmung am Freitag allerdings scharf.
„Die FDP unter der Führung von Frau Hüskens beklagt fehlende Mittel für die Straßensanierung, kneift aber, wenn es darum geht, im Bundesrat für nötige Schritte zu stimmen“, sagt Sachsen-Anhalts SPD-Co-Vorsitzender Andreas Schmidt. Hintergrund: Lydia Hüskens ist nicht nur FDP-Landeschefin, sondern auch Infrastrukturministerin im Land. „Ihr Zögern, eine klare Position im Bundesrat zu beziehen, zeigt das mangelnde Interesse der FDP am Vorankommen des Landes und setzt dem Bundesland einen Stempel auf die Stirn, den wir so schnell nicht wieder loswerden“, so Schmidt.
Seine Co-Chefin Juliane Kleemann setzt gegen die Liberalen nach: „Es geht hier nicht um Parteipolitik, sondern um notwendige und verantwortungsvolle Entscheidungen zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger in Sachsen-Anhalt.“
Hüskens verteidigt ihre Haltung: „Sorgen überwiegen“
Es sind ungewöhnlich harsche Töne in der sonst meist sachlich und unauffällig arbeitenden Koalition in Sachsen-Anhalt. FDP-Landeschefin Hüskens verteidigt ihre harte Haltung am Freitag. „In der Abwägung kommen wir Freie Demokraten zu einem anderen Ergebnis als CDU und SPD“, sagt sie der MZ am Freitag. „So ziemlich jeder hat wahrgenommen, wie wir Freien Demokraten zur Staatsverschuldung in dieser Dimension stehen. Auch verfassungsrechtliche Fragen treiben uns um.“
Hüskens hat unter anderem Bedenken, weil der Bund mit den neuen Regeln stärker in die Zuständigkeiten der Bundesländer eingreife. So sieht das neue Gesetzespaket automatisch eine Lockerung bestehender Schuldenbremsen in den Ländern vor. „Wir haben es uns nicht leicht gemacht“, betont Hüskens zugleich. Sie kenne natürlich den akuten Geldbedarf für Schulen, Verkehr und Infrastruktur. Ihre Entscheidung sei daher „nicht leichtfertig“ gefallen.
Die FDP-Politikerin bestreitet jedoch den Vorwurf der SPD, Parteipolitik über das Interesse das Landes zu stellen. „Wir betrachten das Interesse des Landes anders“, sagte sie. „Bei mir überwiegen die Sorgen.“ Im Streit um neue Schulden war im November 2024 die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP zerbrochen. Hüskens ist auch Mitglied im FDP-Präsidium.
Drei weitere Länder verweigern im Bundesrat die Zustimmung
Sachsen-Anhalt könnte erheblich von dem nun beschlossenen Finanzpaket profitieren – deshalb hatte sich unter anderem Ministerpräsident Haseloff im Vorfeld dafür stark gemacht. „Wir müssen unser Land modernisieren. Es besteht dringender Handlungsbedarf“, sagt er. Zum Hartbleiben der FDP in seiner eigenen Koalition äußert sich Haseloff am Freitag auf MZ-Anfrage nicht. Nur so viel: Er habe „in der Vergangenheit bereits mehrfach gefordert“, verfassungskonforme Lösungen für Investitionen zu finden. „Diese Chance für Deutschland und Sachsen-Anhalt bietet sich nun“, betont Haseloff.
Auch Vize-Regierungschef Armin Willingmann (SPD) sagt der MZ, Sachsen-Anhalt werde „erheblich“ von neuen Investitionen profitieren. „Vor diesem Hintergrund hätte ich mir auch die Zustimmung Sachsen-Anhalts gewünscht“, so der Wissenschaftsminister. „Wichtiger ist nun aber der Blick nach vorne: die Mittel werden demnächst zur Verfügung stehen und sollten von uns im Lande gemeinsam eingesetzt werden, um Investitionsstau und Wirtschaftsschwäche nachhaltig zu überwinden.“
Auch ohne Zustimmung Sachsen-Anhalts votiert der Bundesrat am Ende klar für das Gesetz. Die nötige Zweidrittelmehrheit kommt mit 53 Ja-Stimmen zustande. 69 Stimmen gibt es im Bundesrat, nötig sind 46. Auch Thüringen, Brandenburg und Rheinland-Pfalz verweigern das Ja.