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Norbert Bischoff Norbert Bischoff: Ich bin dann mal da

Von HENDRIK KRANERT 15.12.2010, 09:18

MAGDEBURG/MZ. - Auf dem Nachtschrank von Norbert Bischoff liegt derzeit "Ich bin dann mal weg" von Hape Kerkerling. Ein Weihnachtsgeschenk. Bischoff hatte sich den Bestseller des Entertainers gewünscht, bevor der SPD-Politiker wusste, dass er kurz nach dem Fest Sozialminister werden würde. An Kerkeling imponiere ihm, dass der trotz blutiger Füße seine Pilgertour fortgesetzt habe, sagt Bischoff in seinem neuen Büro. Vor ihm liegt jetzt eine solche Tour.

Vor Wochen saß noch Gerlinde Kuppe in dem Büro. Ein SPD-Urgestein wie Bischoff. Und ebenfalls Sozialpolitikerin durch und durch. Zwölf Jahre lang war sie Ministerin, die man grob in acht erfolgreiche (1994-2002) und vier schwierige (2006-2009) Jahre unterteilen kann. Kuppe hat sich in diesen zwar keine blutigen Füße, dafür aber eine blutige Nase nach der anderen geholt: beim Nichtraucher- und Kinderschutzgesetz, beim Landessportbund und an der chronischen Rechenschwäche ihres Hauses bei der Haushaltsaufstellung. Am 21. Dezember erklärte Kuppe ihren längst überfälligen Rücktritt. Aus gesundheitlichen Gründen.

Neben tatsächlichen gesundheitlichen Problemen soll vor allem ein Gespräch mit Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) den Ausschlag gegeben haben. "Es gab Gespräche, in denen wir auch über den Rücktritt geredet haben, am Ende hat sie von sich aus entschieden", sagte Bullerjahn am Dienstag. Auch Kuppe erklärte, nicht von Bullerjahn gedrängt worden zu sein: "Wir haben die Dinge erläutert, die 2010 vor uns liegen. Dabei stand die Frage, ob das mit meinem Gesundheitszustand zu vereinbaren ist", sagte Kuppe. Die gesamte SPD-Spitze war jedenfalls ahnungslos, als Bullerjahn auf dem Sonderparteitag am 19. Dezember Norbert Bischoff fragte, ob er als Nachfolger zur Verfügung stünde. Sowohl Bischoff als auch der frisch gebackenen Landesvorsitzenden Katrin Budde verschlug es die Sprache. Dass der Kelch ihm galt, sei ihm nicht in den Sinn gekommen: "Minister war in meiner Lebensplanung nicht vorgesehen", sagt der 60-jährige Bischoff. Dass er dennoch und ohne lange Bedenkzeit zusagte, entspricht seinem Naturell: In der Not stehe er der Partei ohne Wenn und Aber zur Seite.

Der gelernte Elektromonteur und Diplom-Theologe ist als stiller, loyaler Parlamentsarbeiter bekannt, ohne aber als Schweiger oder gar ideologisch indoktrinierter Parteisoldat zu gelten. Bischoff ist, wenn es darauf ankommt, durchsetzungsstark und scheute sich auch nicht, sich als Parlamentarischer Geschäftsführer mit Fraktionschefin Katrin Budde anzulegen. Das hat er wohl als einer von sechs Jungen eines Bergmanns aus Helbra im Mansfelder Land gelernt. Der passionierte Radfahrer genießt fraktionsübergreifend Respekt: "Er ist einer, der auf Konsens, nicht auf Konfrontation aus ist", sagt Lydia Hüskens (FDP). Als "ruhig, besonnen" und "lauteren Charakter" beschreibt Frank Thiel (Linke) den SPD-Politiker. Auch CDU-Parlamentsgeschäftsführer Detlef Gürth, der mit Bischoff das nicht immer einfache Zusammenspiel in der Großen Koalition managen musste, weiß über den Wahl-Magdeburger nur Gutes zu sagen: "Menschlich sehr angenehm und zuverlässig." Er wünsche Bischoff "von ganzem Herzen eine glückliche Hand" bei der Führung des Ministeriums. "Da ist viel aufzuarbeiten, da braucht es Mut."

Bischoff, so scheint es, weiß darum. Auch wenn er noch ein wenig wie ein Fremdkörper im schweren Ministersessel wirkt. So ein bisschen wie: Ich bin dann mal da statt "Ich bin dann mal weg". Bischoff trägt Anzug und Krawatte - im Parlament war er oft ohne unterwegs. Dafür mit offenem Hemd und gern auch mit Jeans. Er hat versucht, etwas von seiner Arbeitsweise im Landtag mit hinüber ins Ministerium zu retten, doch das ist gescheitert. Hier macht er keine Termine, sie werden für ihn gemacht. "Man ist schon ein wenig fremdbestimmt."

Fremdbestimmt - so wirkte Gerlinde Kuppe nicht selten auch. Man hatte das Gefühl, dass Sozialministerium führe ein Eigenleben, egal wer da gerade Minister ist. Bischoff muss nun den Spagat hinbekommen, alte, verkrustete Strukturen aufzubrechen ohne dabei zu viel Porzellan zu zerschlagen. Auf die Frage, ob er personelle Änderungen vornehmen will, antwortet er diplomatisch: "Ich führe viele Gespräche." Es gilt allerdings als sehr wahrscheinlich, dass er an Schlüsselstellen Personal umsetzen wird. Dem Gros der Mitarbeiter sei aber nichts vorzuwerfen, "die machen ordentlich ihre Arbeit und leiden darunter, dass das Haus in der Öffentlichkeit immer mit Häme bedacht wird".

Es sei eines seiner wichtigsten Ziele, diese Außenwirkung zu verändern. Er will das arg ramponierte Aushängeschild der SPD in der Landesregierung wieder aufpolieren. Zur Verantwortung seiner Amtsvorgängerin meint Bischoff, dass sich "Gerlinde Kuppe zu viel auf den Tisch gezogen hat, das hält man auf Dauer nicht durch". Noch deutlicher wird er, was Kuppes ehemalige rechte Hand, Ex-Staatssekretärin Christiane Dienel angeht: Dienel habe weder Parlaments- noch Verwaltungserfahrung gehabt. Und Dienel sei Kuppe "aufgedrückt worden, sie hat sich nicht dagegen wehren können".

Bischoff, geschieden und Vater von vier Kindern, bleibt nun noch ein gutes Jahr, um das Image des Ministeriums aufzupolieren und die anstehenden Aufgaben mit Bravour zu meistern. Nach der Landtagswahl 2011 will er nicht als Minister weitermachen. "Ich bin dann 61, das reicht." Seine Lebenspartnerin dürfte das gern hören. Birke Bull ist sozialpolitische Sprecherin der Linken im Landtag - Bischoff hat die Opposition am Frühstückstisch sitzen. Ein Problem sei das nicht: "Wir fetzen uns auch mal und bestimmte Dinge erzählen wir uns einfach nicht."