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Merseburger Bombenanschlag Merseburger Bombenanschlag: Der schlechte Dienst des guten Kumpels

Von Steffen Reichert 22.05.2002, 16:12

Halle/MZ. - Sven R. sagte also aus, dass sich ihm seinKumpel Torsten L. offenbart habe: L. sei esgewesen, der 1999 "seinem Baby" zum Lebenverhalf. Er baute jene Bombe, die währendeiner Geburtstagsparty in der Diskothek "Desperado"hochging und mehr als 20 junge Leute schwerverletzte; Heike Blödorn verlor dabei beideBeine. Seitdem gilt zwar Herbert Thieme ausdem Rotlicht- und Rocker-Milieu als der Hauptverdächtige- doch weil Thieme hartnäckig schweigt, dümpeltedas Verfahren vor dem Landgericht Halle bislangvor sich hin.

Das könnte nun anders werden. Denn amvergangenen Dienstag waren die Ermittler erneutin Thüringen unterwegs. In der Tasche hattensie einen Haftbefehl gegen Torsten L. Vorwurf:"Herbeiführen einer schweren Sprengstoffexplosion".Der Mann wurde in U-Haft genommen.

Auch L., ein 28-Jähriger, der bei der Bundeswehrin Erfurt als Berufssoldat dient, hatte vielzu erzählen. "Er hat zugegeben, dass er dieBombe für Herbert Thieme gebaut hat. Er wollteaber niemanden verletzen", so BehördensprecherKlaus Wiechmann. Aus reiner Kumpanei - diebeiden hatten sich demnach über die Biker-Szenekennen gelernt - habe L. den Auftrag für Thiemeübernommen. Der habe immer versichert, dassdas "Desperado" in jener fraglichen Nachtmenschenleer sein würde.

Die genannten Fakten, in einer Vernehmungdes Beschuldigten auf stolzen zwölf Seitenzusammengetragen, sind so detailliert, dassweder Polizisten noch Staatsanwälte am Wahrheitsgehaltder Aussagen zweifeln. Die Beamten haben dennochgegengeprüft. Sie schalteten den MilitärischenAbschirmdienst ein - dieser Nachrichtendienstist für die Bundeswehr zuständig -, um Informationenabklopfen zu lassen. Und siehe da: Alles passte.Torsten L. hatte nicht nur aufgrund seinesmilitärischen Einsatzes in der Sfor-Schutztruppein Bosnien exakte Kenntnisse über Herstellungund Umgang mit Sprengstoff. L. hielt sichzum Tatzeitpunkt im Juni 1999 tatsächlichin Deutschland auf. Und auch die Protokolleder richterlich angeordneten Telefon-Überwachung,die zum Anschluss des Hauptverdächtigen Thiemevorlagen, förderten die Nummer von L. zutage.

Nach eigenen Angaben will L. den zur Tat benutzenSprengstoff 1989 von russischen Soldaten gekauftund seitdem gelagert haben. "Er wollte zunächsteine funkferngesteuerte Bombe bauen", sagtder ermittelnde Staatsanwalt Nicolaus Berger.Dieser Plan sei dann aber zugunsten einerZeitschalt-Bombe geändert worden - Thiemehabe schließlich für die Tatzeit ein Alibigebraucht. Da L. sicher sein wollte, dassdie Bombe nicht vorzeitig hochgehen würde,habe er vor die Elektronik noch eine Sicherungin Form eines Kurzzeitweckers mit einer alsSplint genutzten Rouladennadel gesetzt. "Erhatte dann 60 Sekunden Zeit - erst danachwar die Bombe scharf." Gemeinsam mit Thiemewill der Oberfeldwebel die Bombe in einemBlumenkübel versteckt und die entnommene Blumenerdein einer McDonald's-Tüte abtransportiert haben.

Die Verhaftung von L., die einen Durchbruchin den jahrelangen Ermittlungen darstellt,ist nicht der einzige Fahndungserfolg fürdie Beamten. Einmal so richtig in Fahrt, holtensie am Dienstag in Hamburg auch gleich nochGabriele H. ab - zunächst zur "Klärung einesSachverhalts". Erst später wurde der 40-Jährigenihre Festnahme verkündet. Denn als Wirtindes im Rudolstädter Nachtleben einschlägigbekannten "Blue Velvet" soll die heute imNorden lebende Frau von dem Tatplan gewussthaben - und das ist strafbar.