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Macher der Pyro Games Macher der Pyro Games: Explosive Gelassenheit

Von Susanne Thon 30.08.2014, 10:33
Seinen Liegestuhl hat Jürgen Matkowitz immer dabei. Matkowitz tourt mit den Pyro Games durch Deutschland.
Seinen Liegestuhl hat Jürgen Matkowitz immer dabei. Matkowitz tourt mit den Pyro Games durch Deutschland. Frank Gehrmann Lizenz

Magdeburg - Jürgen Matkowitz lässt es ruhig angehen. Bloß kein Stress. „Alles Schritt für Schritt“, sagt er und zündet sich eine Zigarre an. Erst mal rauchen. „Nachher kann ich das hier nicht mehr.“ Denn der Berliner hat einen hochexplosiven Job - er ist Pyrotechniker. Und einer derer, die in ein paar Stunden gegeneinander antreten werden. Bei den Pyro Games.

Seit sieben Jahren tourt das Feuerwerksfestival, das gleichzeitig Wettbewerb ist, durch Deutschland. Die Regeln sind schnell erklärt: Jeder Teilnehmer - vier sind es - jagt ein zehn- bis 15-minütiges Feuerwerk in den Himmel und darf dabei ein bestimmtes Budget nicht überschreiten. Das Sagen haben die Besucher. Sie bestimmen per Telefon, wer siegt. Matkowitz stand schon oft ganz oben auf dem Treppchen. Im vergangenen Jahr war er Gesamtsieger, konnte sich in den meisten Städten gegen seine Konkurrenten durchsetzen. Auch wenn das Verhältnis untereinander freundschaftlich ist, der Wettkampfgedanke bleibt. „Man gibt sich ja Mühe, dass alles passt.“ Daher ist Gewinnen erklärtes Ziel, auch wenn es diesmal -um es vorwegzunehmen - nicht zum Tagessieg reichen wird.

Bis zu 50 Feuerwerke pro Jahr

Matkowitz, der 54 Lenze zählt, ist ein alter Hase im Geschäft, der nicht nur 40 bis 50 Feuerwerke jährlich abbrennt, sondern auch als Laserkünstler durch die Lande zieht und schon „fast überall, außer in Amerika“ war. Wohl deshalb hat er es nicht eilig, während um ihn herum im Rothehornpark in Magdeburg schon emsige Betriebsamkeit herrscht. Fast alle Betreiber sind dabei, ihre Buden flott zu machen und die Auslagen zum Glänzen zu bringen. Sie karren Bierfässer an, heizen die Grills, stapeln Brezeln. Zu tun gibt’s genug, bis das Sicherheitspersonal die Tore öffnet. Die Jungs von High Voltage machen Soundcheck. Danach ist das Trommler-Trio Stamping Feet dran. Und 70 Meter hinter der Absperrung sind Matkowitz’ Mitstreiter zugange.

Was die Männer aufbauen, ist das Ergebnis wochenlanger Arbeit. Beim Altmeister beginnt sie im Tonstudio. „Wenn nicht schon die Musik die Leute einfängt, hat man verloren. Dann kann man sich das Feuerwerk auch sparen.“ Matkowitz fährt da eine knallharte Linie. Kein Wunder, von Hause aus ist er Musiker. Seine Eltern waren nicht unschuldig daran. „Ich durfte nie raus zum Fußball wie jedes andere Kind, sondern musste Klavierspielen lernen“, erzählt er. Was sich später auszahlen sollte. Matkowitz wurde Berufsmusiker, spielte in der Klaus Renft Combo, bei Frank Schöbel, Uwe Schikora und Prinzip, kannte so ziemlich jeden in der Szene, der Rang und Namen hatte, und produzierte, „alles, was hard und heavy war“. Hard und heavy mag er es auch beim Feuerwerk: Da darf’s nicht nur krachen, sondern auch rocken - à la Rammstein oder AC/DC, sagt er und stimmt die Gitarre. Die braucht er am Abend wieder. Dann, wenn seine Laserstrahlen die Dunkelheit durchschneiden. Matkowitz tritt in einer Doppelrolle auf - als Laserkünstler im Rahmenprogramm und im Wettbewerb als Feuerwerker.

Auf der nächsten Seite: Wie ein Feuerwerk am Computer entsteht.

Eine Hand voll Leute unterstützt den Pyrotechniker, der jetzt sein Pult einrichtet, bei den Vorbereitungen. „Mit dem Laserrechner hier steuere ich beides, die Lasershow und das Feuerwerk. Damit kann ich filigraner arbeiten als mit einem Feuerwerksprogramm“, erklärt er und ordnet dabei den Kabelwust. Feuerwerke entstehen heute am Computer. Bis ins kleinste Detail werden sie am Monitor designt und „zig Mal verändert, bis alles passt“. Musik einfach laufen lassen und dazu ein bisschen knallen, ist nicht. Will man das Feuerwerk im Rhythmus inszenieren, muss jede Verzögerung einkalkuliert werden, wie die Zeit, die der Feuerwerkskörper zum Aufsteigen benötigt, und die Effektdauer. Beides unterscheidet sich von Hersteller zu Hersteller. Dabei geht es oft um nicht mehr als Hundertstel Sekunden. Beim Zünden sind es gar Tausendstel, sagt Matkowitz und hievt einen unscheinbaren schwarzen Kasten auf den übermannshohen Geräteturm, den er neben sich hochgezogen hat. Die Zündanlage. Das Feuerwerk wird über Funk gesteuert. Mit Streichhölzern rennt niemand los. 45 Millisekunden braucht das Signal bis zum Abschussplatz, wo Thomas Barton und Lars Herberg gerade alles verdrahten.

Was hier in zwei Reihen aufgebaut ist, hat nichts mit dem zu tun, was Otto Normalverbraucher kaufen kann, geschweige denn abbrennen darf: sogenannte Cakeboxen, jede mit mehr als 100 Schuss. Römische Lichter. Bengalfeuer. Und Kugelbomben, die aus Rohren geschossen werden. Bis zu 200 Meter hoch. „Wenn es so ein Ding zerlegt, damit ist nicht zu spaßen“, sagt Matkowitz. Effekte gibt es viele. Die Auswahl ist schier unendlich groß. Produktvorführungen, die in Fachkreisen Vorschießen heißen, sind Pyrotechnikern wie ihm Orientierungshilfe, geben Anregung, was es gibt, was geht - und was aussieht. Wobei das natürlich Geschmackssache ist. Was Matkowitz gefällt, bekommt eine Eins. Was durchfällt, eine fünf oder sechs. Wie in der Schule vergibt er Noten - zur besseren Einordnung - und hat natürlich auch seine Vorlieben. „Mein Augenmerk liegt auf allem, was gold, silber und blau ist“, sagt er, dafür „habe ich weniger mit Rot und Grün zu tun.“ In jeder Hinsicht. Er lacht.

Auf der nächsten Seite: Eine halbe Tonne Sprengstoff und AC/DC zum Finale.

Noch wenige Minuten bis zum Einlass. Matkowitz geht gedanklich die Checkliste durch. Erledigt, erledigt, erledigt, nicht nötig. Keine Zeit verwertet er zum Beispiel auf das Testen der Zündkreise - als einziger. Sein lapidarer Kommentar dazu: „Entweder es geht oder es geht nicht. Bis jetzt hat es immer funktioniert.“ Da spricht er wieder, der Routinier, der weiß, was er kann. Weshalb er sich auch damit begnügt, nur einen der vier Flammenwerfer anzuschmeißen. Okay. „Dann gehen die anderen auch.“

Nach und nach füllt sich das Gelände. Auf der Bühne ist das Programm gestartet, der Moderator stellt Matkowitz vor. Er und die anderen Pyrotechniker müssen gleich Lose ziehen. Es geht um die Startreihenfolge. Der Berliner ist als Dritter dran. „Hier kommt die Sonne“ heißt seine Show, benannt nach dem Rammstein-Titel, der über den Platz schallt. Matkowitz macht den Himmel zu seiner Leinwand. Das Zusammenspiel von Licht, Effekten - und Musik -, wird zum Erlebnis für die Sinne. Eine halbe Tonne Sprengstoff hilft ihm dabei. Im Mittelteil, der wieder mehr ans Herz geht, baut sich eine Spannung auf, die sich dann, im großen Finale zu AC/DCs „Thunderstruck“, feurig entleert. Am Himmel und am Boden, wo die Flammenwerfer stehen und im Takt der Musik fächerförmig Feuer speien. Das Publikum jubelt. Und Jürgen Matkowitz, der seit sieben Jahren keinen Urlaub gemacht hat, kann sich endlich zurücklehnen und genießen. Wie immer nach getaner Arbeit fläzt er sich in seinen Liegestuhl. Den Blick nach oben gerichtet, schaut er sich das letzte Feuerwerk des Abends an. Ganz entspannt. Ohne Stress.

Am 6. September finden die Pyro Games in Ferropolis bei Gräfenhainichen statt. Einlass ist ab 18 Uhr. Tickets gibt es unter 0345/2 02 97 71 und im Internet auf www.pyrogames.de.

Feuerwerke werden heute über Funk gesteuert.
Feuerwerke werden heute über Funk gesteuert.
Frank Gehrmann Lizenz