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Merk mal Merk mal: Mit seinem Verein schafft es Sven Kröber in das Buch "Neuland gewinnen"

Von Corinna Nitz 03.03.2017, 17:58
Anders leben - Heike und Sven Kröbers Haus ist der erste Wächterhof in der Dübener Heide. „Wir leben in Zeiten eines neuen Wandels, die auch Zeiten der Orientierungslosigkeit sind“, findet der Geograf und Neulandgewinner.
Anders leben - Heike und Sven Kröbers Haus ist der erste Wächterhof in der Dübener Heide. „Wir leben in Zeiten eines neuen Wandels, die auch Zeiten der Orientierungslosigkeit sind“, findet der Geograf und Neulandgewinner. Klitzsch

Lubast - „Seit ich auf Spurensuche nach den Ursprüngen unserer Region gehe, entdecke ich Erstaunliches. So hätte ich nicht gedacht, dass Martin Luther, Philipp Melanchthon, Moses Mendelssohn, Carl von Basedow oder Walther Rathenau Spuren in meinem Leben hinterlassen haben: Die Idee der Nachhaltigkeit geht schon auf die Reformationszeit zurück.“

Sven Kröber aus Lubast schreibt das in dem Buch „Neuland gewinnen. Die Zukunft in Ostdeutschland gestalten“, das im Christoph Links Verlag erscheint und ab 15. März im Handel erhältlich sein soll.

Kröber, Diplomgeograf und freiberuflicher Dozent, zählt selbst zu den so genannten Neulandgewinnern: mit seinem von der Robert-Bosch-Stiftung geförderten Merk-mal-Verein. Zu dessen wesentlichen Zielen gehört es, engagierte Menschen gerade in ländlichen Regionen zu vernetzen und sie auf diese Weise auch bei der Realisierung von Projekten zu unterstützen.

Das Buch „Neuland gewinnen. Die Zukunft in Ostdeutschland gestalten“ entstand im Rahmen des Programms „Neulandgewinner“ der Robert-Bosch-Stiftung, durchgeführt vom Thünen-Institut für Regionalentwicklung. Vorgestellt werden 24 innovative Projekte, wobei neben den Herausgebern besonders die Verantwortlichen vor Ort zu Wort kommen. Neben Sven Kröber (Merk-mal-Verein, Kemberg) oder Kati Ehlert (Wächterhöfe, Bad Düben) beschreibt etwa die Landschaftsarchitektin Heike Brückner das für den Dessauer Stadtteil Am Leipziger Tor entwickelte Quartiershof-Projekt. „Mit der Idee, die kargen Rasenflächen zwischen den Plattenbauten in einen Stadtbauernhof zu verwandeln, konnten nicht alle Anwohner sofort etwas anfangen“, so Brückner. Die Helfer pflanzten also auf den 400 Quadratmetern nicht nur Kartoffeln, Salat und Möhren, sondern auch Blumen. Mittlerweile arbeiten täglich bis zu zehn Freiwillige auf dem Hof: mal seien es Jugendliche mit Streetworkerin, ein andermal Geflüchtete, heißt es weiter.

In Kombination mit einigen Rahmenbeiträgen haben die Herausgeber ein Buch zusammengestellt, das „Mut machen und Inspiration schaffen soll“. Erhältlich ist die bei Ch. Links erschienene Publikation (300 Seiten, 150 Farbfotos, ISBN: 978-3-86153-949-0) nach Auskunft einer Verlagsmitarbeiterin ab Mitte März.

Zuletzt hatte der Verein eine Wandelwerkstatt in Wittenberg angeboten, deren Teilnehmer sich wie berichtet am Ende einig waren, dass sich nichts ändert, „außer wir ändern uns selbst“.

Griff ins Weltradgetriebe

Herausgegeben wird das Neulandgewinner-Buch von der Landschaftsarchitektin Siri Frech und der Soziologin Babette Scurrell, beide sind Mentorin im Neulandgewinner-Programm der Robert-Bosch-Stiftung, sowie von Andreas Willisch. Der Gärtner, Biobauer und Soziologe begleitet seit 2012 die Durchführung des Programms.

Über selbiges schreiben die drei im Vorwort, es sei „eine besondere Förderung, weil es den Menschen, die in komplizierten Lagen Veränderungen wagen, einen großen Vertrauensvorschuss gewährt“.

Mit dem Buch wollen sie für „ein neues Verständnis für die enormen Veränderungskräfte auf dem Land werben, öffentliche Diskussionen anstoßen und zeigen, dass es möglich ist, dem Weltradgetriebe in die Speichen zu fassen“.

Insgesamt 24 Projekte des Neulandgewinner-Programms aus unterschiedlichen Regionen Ostdeutschlands haben es in das Buch geschafft. Etwa erfährt der Leser etwas über das Wächterhöfe-Projekt von Kati Ehlert in Bad Düben sowie über den Quartiershof Dessau von Heike Brückner.

Rentner, „Stadtflüchtige“, Künstler oder Pendler gehören zur Zielgruppe der Wächterhof-Initiative. Seit 2015 sei der Naturpark Dübener Heide Testgebiet für Menschen mit „Landlust“. In drei Gemeinden habe der Verein „vergessene“ Gärten und leerstehende Gebäude ausgewählt.

Diese sollen nun an Interessenten vermittelt werden, die dort auf Zeit leben, werkeln und gärtnern möchten. Die befristete Nutzung erfolge gegen minimale Miete und in Absprache mit den Besitzern.

„Um den neuen Bewohnern das Ankommen in der Dübener Heide zu erleichtern, helfen Kati Ehlert und ihre Mitstreiter. Damit soll sichergestellt werden, dass den ,Probe-Bewohnern’ nicht gleich das Dach auf den Kopf fällt“, heißt es im Buch.

Und Kröber? „Wir leben in Zeiten eines neuen Wandels, die auch Zeiten der Orientierungslosigkeit sind. Wir wissen, wir sollten neue Lebensstile leben, Appelle oder blutleere Zahlen überzeugen und inspirieren uns aber wenig“, schreibt der Neulandgewinner.

Und um auf die eingangs erwähnte Nachhaltigkeit zurückzukommen: Die sei mehr als ein reines Umweltprogramm. Man wolle sie „als eine Strategie zur Sicherung und Entwicklung individueller Freiheitsentfaltung und gemeinschaftlicher Lebensräume“ erkennbar machen. „In diesem Sinn wollen wir durch Geschichte und Geschichten Zukunft gestalten.“

Hoffen auf Leader-Förderung

Das klingt nicht nur gut - Kröber praktiziert es auch bereits: Das Haus, in dem er mit seiner Frau lebt und das vom Erbauer Ende des 19. Jahrhunderts als Senfmühle mit angeschlossener Landwirtschaft betrieben wurde, ist „der erste Wächterhof in der Dübener Heide“.

Zum Aus- und Umbau einer Scheune sucht Kröber Mitnutzer, die sich - mit ihrer Arbeitskraft aber auch finanziell - einbringen und dafür mietfrei in dem idyllisch gelegenen Objekt wohnen können.

Bis September 2017 will Kröber alle Unterlagen für das Leaderprogramm, das seinerseits durch finanzielle Förderung der Stärkung des ländlichen Raumes dient, beisammen haben.

Während insoweit also erst einmal noch gewartet werden muss, wird eine andere Sache schon seit langem umgesetzt: Ein älterer Herr aus Gräfenhainichen wohnt Kröber zufolge an den Wochenenden in einer Wohnung auf dem Grundstück - mietfrei, und Kost gebe es auch gratis. Dafür und für den Familienanschluss helfe der Mann bei dem, was anfällt. (mz)