Bürgermeisterwahl in Coswig Bürgermeisterwahl in Coswig: Rund 500 Coswiger verfolgen Vorstellung der Kandidaten

Coswig - Müsste, könnte, sollte – das ist das häufige Vokabular von Kandidaten. Meist ist ein „man“ davor gestellt, seltener ein „ich“. Am Dienstagabend fallen diese Worte immer wieder, denn die acht Männer und eine Frau, die sie sprechen, haben mehr oder weniger große Pläne für Coswig.
Im Lindenhof der Stadt stellen sich an diesem Abend in einem Forum alle neun Bewerber um das Amt des Bürgermeisters von Coswig vor.
Die Wahl wird am 23. April stattfinden, eine eventuelle Stichwahl am 7. Mai. Notwendig wird die Wahl, nachdem die derzeitige Amtsinhaberin Doris Berlin (parteilos) erklärte, ihre reguläre Amtszeit von sieben Jahren nicht voll ausschöpfen zu wollen. Als Berlin 2014 letztmals kandidierte, war sie die einzige Bewerberin.
Nun werden die Karten neu gemischt, und wenn schon die hohe Anzahl der Kandidaten für das Bürgermeisteramt überraschte, so ist die Zahl der Besucher geradezu überwältigend. Kurz vor Veranstaltungsbeginn blickt Wahlleiter Michael Stephan immer wieder erstaunt aus dem Fenster auf die Menschenmengen, die da zum Eingang strömen. „Ich bin total erfreut, habe aber auch Sorge, dass ich nicht alle rein lassen kann“, sagt er.
Am Ende ist jeder, der was hören will aber drin, auch wenn es sehr eng ist und die Stühle längst nicht ausreichen. Es mögen gut 500 Menschen gewesen sein, die wissen wollten, wer sich mit dem Gedanken trägt, die Stadt in den kommenden Jahren an der Spitze zu führen. Stephan nutzt die gute Resonanz gleich für Werbung um Wahlhelfer, von denen noch einige benötigt werden.
„Ich hoffe, dass die Wahlbeteiligung auch so gut wird, wie der Besuch heute“, sagt er und ein langer Abend startet.
In alphabetischer Reihenfolge gibt der Wahlleiter jeweils sechs Minuten für eine erste Vorstellung. In dieser setzen parteilose Kandidaten wie Axel Clauß, Christian Dorn oder Angelika Irene Pöll auf ihren unvoreingenommenen Blick und Handlungsfähigkeit ohne parteipolitische Zwänge.
Clauß nennt sich ein „Kind der Kommunalverwaltung“, zählt seine fachlichen Voraussetzungen auf und weist darauf hin, dass das Wissen der Stadträte auch mit einem parteilosen Bürgermeister erhalten bleibt. Er stehe für Transparenz und Kommunikation, sagt der Mann aus Thießen, der versiert, sicher und eloquent auftritt.
Folgende Kandidaten stellen sich am 23. April der Bürgermeisterwahl in Coswig:
Axel Clauß (Jahrgang 1981, Thießen, Bundesfinanzverwaltung),
Christian Dorn (1978, Klieken, Zeitsoldat),
Michael Heller (1954, Coswig, selbstständig),
John Liebau (1992, Coswig, Zeitsoldat),
Henry Niestroj (1964, Coswig, Polizeibeamter),
Angelika Irene Pöll (1953, Coswig, selbstständig),
André Saage (1970, Cobbelsdorf, Bankkaufmann),
Wolfgang Tylsch (1959, Coswig, Angestellter) und
Enrico Wassermann (1976, Coswig, selbstständig).
Sollte keiner der neun Bewerber auf Anhieb beim Urnengang am 23. April mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalten, fällt die Entscheidung in einer so genannten Stichwahl am 7. Mai. Bei dieser Final-Entscheidung dürfen die beiden Erstplatzierten vom ersten Urnengang im April antreten. Der Mai-Sieger hat dann den Sprung auf den Chefsessel im Coswiger Rathaus geschafft.
Dorn setzt auf einen Bericht über seine Erfahrungen und den Arbeitsalltag, lobt die Fundamente, die die Amtsinhaberin bislang legte, denn „darauf lässt sich aufbauen“.
Michael Heller würde sich bei einer Wahl eher als Bürgervertreter sehen, erklärt er und kommt schnell ins Detail, als er fehlende Spielplätze und schlechte Fußwege anspricht.
John Liebau spricht schließlich als erstes Mitglied einer Partei, er ist nicht nur der Jüngste in der Runde, sondern auch Grüner. Das Publikum raunt, aber nur kurz, denn Liebau – so jung er auch ist – tritt mit einer bemerkenswerten Sicherheit auf. Bis ins hohe Alter solle Coswig ein Ort sein, an dem man gerne leben möchte, benennt er sein großes Ziel, dass er unter anderem mit einer stärkeren Bürgerbeteiligung erreichen möchte.
Aus Henry Niestrojs Sätzen spricht jemand mit Erfahrung im Stadtrat und engem Kontakt zur Verwaltung. Die oft monierte Benachteiligung der Ortschaften treffe nur manchmal zu und sei oft übertrieben, meint er. Vor allem das Ehrenamt in der Feuerwehr ist sein Thema.
Angelika Pöll geht ihren Vortrag unternehmerisch an, skizziert einen Masterplan mit Schlagworten wie Beweglichkeit, Nachhaltigkeit und soziale Vielfalt. Um dies zu untersetzen fehlt der parteilosen Kandidatin die Zeit.
„Lieber Arbeit als Arbeitslosigkeit finanzieren“, möchte André Saage, zwar parteilos, aber in der Fraktion der SPD im Stadtrat erfahren. Der „Ausgleich der Interessen aller“ und die intensivere Betreuung vorhandener Industrie benennt Saage als Schwerpunkte.
Wolfgang Tylsch tritt mit der jahrzehntelangen Erfahrung als CDU-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat an und beschreibt mit Stichworten das Arbeitsfeld eines Bürgermeisters: Ehrenamt, Ordnung, Sauberkeit, schnelles Internet, Innenstadt stärken und beleben, Haushaltskonsolidierung, Tourismusaufwertung. Für Lösungsangebote sind auch ihm sechs Minuten zu knapp.
Enrico Wassermann, Stadtrat der Linken, beschließt nach einer Stunde die Vorstellungsrunde. Er verspricht einen frischen Wind und will „neue Konzepte und Ideen in die Verwaltung tragen“, beispielsweise mit einer regelmäßigen Bürgersprechstunde. „Stillstand verhindern und langfristig denken“, beschreibt er seine Maxime.
Damit ist der erste Teil des Abends geschafft und Wahlleiter Stephan öffnet die Veranstaltung für Fragen aus dem Publikum. Da geht es um die Würdigung des Ehrenamts der Feuerwehrleute, um das Schloss, die Umgehungsstraße oder die Kinder- und Jugendarbeit.
Jeder darf/muss antworten. Das macht es zuweilen zäh, denn oft genug decken sich die Äußerungen. Aber sie lassen auch Rückschlüsse auf Charisma und Kompetenz der Kandidaten zu. Wer schon länger auf dem politischen Parkett unterwegs ist, verliert sich schnell in Phrasen und Allgemeinplätzen.
Andere verzetteln sich in Details oder legen den Fokus eher auf sich als auf die Beantwortung der Fragen. Ganz sicher aber kann man nach fast drei Stunden im Lindenhof allen Bewerbern um das höchste Amt der Stadt Coswig die Ernsthaftigkeit der Kandidatur bestätigen. Für Details und tiefer gehende Gespräche bleibt der Wahlkampf in den kommenden Wochen.
Viele Zuhörer diskutieren schon auf dem Heimweg, sind bei manchem Kandidaten überrascht, von anderen enttäuscht, aber auf jeden Fall besser informiert über das künftige Stadtoberhaupt. Die MZ wird die Kandidaten noch ausführlich vorstellen. (mz)
