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Wirtschaft  Wirtschaft Ballenstedt: 125 Jahre Keunecke Feinkost GmbH

Von Rita Kunze 06.07.2016, 16:28
Keunecke-Geschäftsführer Ekkehard Heilemann spricht mit Mitarbeiterin Samantha Müller in der Produktion.
Keunecke-Geschäftsführer Ekkehard Heilemann spricht mit Mitarbeiterin Samantha Müller in der Produktion. Chris Wohlfeld

Ballenstedt - Alvin Keunecke war ein Mann des Fortschritts. Im Grunde, sagt heute sein Enkel Ekkehard Heilemann, sei sein Großvater einer der Erfinder der modernen Fertiggerichte gewesen: „Die Frauen hatten nach dem Krieg wenig Zeit, sie haben zehn Stunden gearbeitet und hatten mindestens drei Kinder. Er wollte ihnen etwas an die Hand geben, damit sie es leichter haben im Haushalt.“ Alwin Keuneckes Geschenk an die Frauen waren Bohnen mit Bauchspeck, „tafelfertig“ - das erste Fertiggericht des Ballenstedter Feinkostunternehmens, das am Freitag sein 125-jähriges Bestehen feiert.

„Es ist die Idee, die uns alle verbindet“, sagt Heilemann. Lebensmittelprodukte sollen in hoher Qualität produziert werden, „Sortimente immer auf der Höhe der Zeit“ sein. Die Rohstoffe dafür werden „so regional wie möglich“ eingekauft. Das gelte auch für die Verpackungsmaterialien, betont der Geschäftsführer.

Mit Heilemanns Sohn Stefan hat inzwischen die fünfte Generation Einzug gehalten im Familienbetrieb, der auch in den Jahren der Zwangsverstaatlichung - 1972 bis 1990 - familiengeführt geblieben ist. Das gelang, weil Heilemanns Mutter als staatliche Leiterin des Unternehmens, das nun ein Volkseigener Betrieb (VEB) war, eingesetzt wurde.

Die Firma sei zwar an ein Kombinat angegliedert gewesen, „aber meine Mutter hat sie immer im Sinne ihres Vaters fortgeführt“, so Heilemann. Das bedeutete, „gute, qualitativ hochwertige Produkte“ herzustellen. Der „VEB Ballenstedter Feinkost“ belieferte unter anderem die Delikatläden in der DDR, die Mitropa, Interflug und exportierte Produkte teilweise nach Österreich.

Das Unternehmen von der DDR bis heute

Wie viele Betriebe im Osten Deutschlands hat Keunecke nach der Wende ein tiefes Tal durchschreiten müssen. Am 1. Juni 1990 wurde das Unternehmen reprivatisiert; aus dem VEB Ballenstedter Feinkost wurde die „Alwin Keunecke GmbH“. Der Betrieb musste modernisiert werden, hatte aber mit Umsatzeinbußen zu kämpfen. „Die Leute kannten die Produkte, aber nicht den Namen Keunecke.“ Die Belegschaft spürte das: Von den einstmals 136 Beschäftigten blieben 29. „Das war eine der schwärzesten Zeiten“, erinnert sich Heilemann, der 1996 die Geschäftsleitung übernommen hat.

Mit einem Feinkostgeschäft gründet August Keunecke 1891 seine Firma in Ballenstedt. Zwei Jahre später gibt es schon drei Ladengeschäfte im Ort, 1917 werden erste Obst- und Gemüsekonserven sowie Konfitüren für den eigenen Verkauf hergestellt. 1972 wird das Unternehmen zwangsverstaatlicht; 1990 erfolgt die Reprivatisierung. Die Firma spezialisiert sich auf Fertiggerichte und Feinkostsuppen, Harzer Wurstspezialitäten und Nudelsoßen der Marke „Carnito“. 1996 wird der neue Betrieb in Badeborn eingeweiht, der Urenkel des Firmengründers, Ekkehard Heilemann, übernimmt die Geschäftsleitung. Im Jahr 2014 wird der Standort zum vierten Mal erweitert.

Quelle: Keunecke Feinkost GmbH

Heute arbeiten am 1996 eingeweihten Badeborner Standort 65 Mitarbeiter, im Werk in Thüringen 55. Rund 250 Produkte stellt das Unternehmen her, das 2009 die Ewu Thüringer Wurst und Spezialitäten GmbH aus der Insolvenz übernommen hat. Rechtlich sei das Unternehmen eigenständig, erklärt Heilemann. „Wir müssen ein repräsentatives Sortiment regionaler Spezialitäten führen“, so Heilemann, das werde mit dem Werk in Thüringen erleichtert. Die Übernahme von Ewu sei „eine Garantie für die stetige Entwicklung des Keunecke-Unternehmens“.

90 Prozent der Produkte produzieren die Badeborner für den Lebensmittelhandel, zehn Prozent für andere Unternehmen. Dieses Standbein wolle man ausbauen: „Man ist immer abhängig vom Lebensmittelhandel, das können wir damit kompensieren.“ Die Zukunft des Unternehmens sieht Ekkehard Heilemann im Ausbau des Frische-Sortiments und der Einrichtung einer Großverbraucher-Verpflegung.

Im 125. Jahr ihres Bestehens blickt die Firma aber auch zurück - und bringt zwei Suppen auf den Markt, die nach 50, 60 Jahre alten Rezepturen zubereitet werden. (mz)

Traditionelle Gerichte gehören zum Sortiment.
Traditionelle Gerichte gehören zum Sortiment.
Chris Wohlfeld