Museum der bildenden Künste Rembrandt in Leipzig: Was guckst du?
Rembrandt als Lehrer, Stratege und Verkaufskünstler: Das Museum der bildenden Künste in Leipzig präsentiert in mehr als 120 Werken den Weltstar und seine Schüler.
Leipzig/MZ. - Ein Weltstar der Malerei in Leipzig! Die Ausstellung „Impuls Rembrandt. Lehrer, Stratege, Bestseller“ zeigt rund 60 Werke des niederländischen Künstlers Rembrandt Harmenszoon van Rijn (1606-1669), noch einmal 80 Werke seiner Schüler kommen hinzu: Gemälde, Zeichnungen und Radierungen. Leihgaben aus Privatsammlungen, aus New York, Paris, Amsterdam, London oder Wien sind zu sehen. Das Museum der bildenden Künste gönnt sich zum 20-jährigen Bestehen seines Neubaus eine gehörige Prise internationale Aufmerksamkeit.
Es fiept und piept
Doch was ist zu erleben? Laut Begleittext will man nach den „Gründen für die Attraktivität von Rembrandts Werkstatt“ fragen. Aber zuerst müssen Interessierte ein paar Hürden in Kauf nehmen: Die betagten und millionenschweren Werke brauchen zarte Pflege. Um die Luftfeuchtigkeit im Idealzustand zu halten, um die Temperatur bei 21 oder 22 Grad zu stabilisieren, dürfen sich nicht mehr als 200 Menschen in den abgedunkelten Ausstellungsräumen aufhalten. Wer Wartezeiten vermeiden möchte, sollte also vorab ein Zeitfenster buchen.
Dass der Andrang vor den Werken enorm ist, versteht sich von selbst. Dass sich auch das Sicherheitskonzept – die vielen omnipräsenten scharfgestellten Augen – in die Kontemplation der Betrachtenden schleicht, ist in Zeiten, in denen Kunstwerke im Dienste des Klimaschutzes beschmiert werden, so ärgerlich wie notwendig. Und dass es beständig wie in einer Spielothek piept und fiept, weil die Alarmanlage das Übertreten der schwarzen Linien vor den Werken routiniert sanktioniert, lässt sich mit gutem Willen als Indiz einer Begeisterung interpretieren. Gestört wird der Kunstgenuss dennoch empfindlich. Stolperfallen für die Konzentration, die Tücken der Sensation.
Immer im Dialog
Und trotzdem gehen die Menschen immer wieder möglichst nah heran: Wie hat es der Maler des Barocks geschafft, dass seine Werke in einen derart intensiven Dialog ziehen? Liegt es an der Farbe, an der Beleuchtung, am Pinselauftrag, an der Komposition? Reibt man die Nase an den Werken, erkennt man nur nebeneinanderstehende Farbflecken. Tritt man – auch erschrocken vom Pfeifen der Warnsirene – auf Abstand, entfaltet sich die eindrückliche Wirkung.
Nehmen wir eins der vielen Porträts: Von einem Meister der Inszenierung, der die sogenannten „Tronies“ – womit im Holländischen „Gesicht“, „Kopf“ oder „Gesichtsausdruck“ gemeint ist – im 17. Jahrhundert zur eigenständigen Bildgattung erhob, können auch heutige Influencer etwas lernen. Ja, ein Porträt kann so emotional und lebendig gestaltet werden, dass man unwillkürlich in eine Kommunikation verwickelt wird.
Schau mir in die Augen
Schauen wir auf den Mann mit dem Federbarett: In der Figur des Soldaten sind Rembrandts eigene Gesichtszüge markiert. Die Kleidung imaginiert Wohlstand, der Mund ist leicht geöffnet, der Schnauzbart vibriert, die gut durchbluteten Wangen signalisieren Beschäftigung und Verletzlichkeit, die Augen scheinen von einer Überraschung zu künden. Schau mir in die Augen! Es ist, als hätte er sich schnell zu uns herumgedreht. Der Blick scheint zu fragen: Was guckst du? Was willst du? Ist es wichtig? Wenn ja, höre ich dir zu! Wenn nicht: Wie erlaubst du dir, meine Ruhe und Muße zu stören?
Hier zeigt sich Rembrandt als Bildregisseur. Als ein Meister der emotionalen Inszenierung. Es ist diese ergreifende Menschlichkeit, das so plastisch sinnfällige Gefühlsleben seiner Figuren, das Rembrandt für alle Zeiten zu einem modernen Maler macht. Auch seine biblischen Szenerien sind zugleich dramatisch und realistisch gestaltet. Göttliches trifft auf natürliches Licht.
Einfach selber malen
Die Ausstellung, die sich in sechs Kapitel gliedert, zeigt, wie präzise Rembrandt seit den 1620er Jahren seine über 40 Schüler aus Holland und der Welt zu unterrichten wusste. Die Schau führt vor, mit welcher Hingabe die künstlerische Handschrift des Lehrers imitiert wurde. Die Werke hängen in Leipzig umstandslos nebeneinander. Hätte man nicht Beschriftungen, müsste man Rembrandt-Experte sein, um den Meister von seinen Schülern zu unterscheiden.
Das Begleitprogramm umfasst einen Audioguide, Führungen, Workshops, Vorträge und Gespräche. Ein Studio, in dem gezeichnet, kopiert und mit Licht und Schatten experimentiert werden kann, fehlt nicht. Gelingt die Kontemplation, darf man von einer faszinierenden Ausstellung sprechen.
Bis 26. Januar: Impuls Rembrandt. Museum der bildenden Künste Leipzig, Katharinenstraße 10, Di, Do-So 10-18, Mi 12-20 Uhr, www.mdbk.de