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Klimawandel und historische Gärten Kulturstiftung Dessau-Wörlitz: Auf der Suche nach altem Wissen

Die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz lädt zum Aktionstag „Klimawandel im historischen Garten“. Worum geht es? Ein Gespräch mit Michael Keller, Chef der Gartenabteilung.

Von Uta Bayer 25.09.2024, 12:31
Garten-Chef Michael Keller in Wörlitz: „Wir sind keine Sterbebegleiter der Gartenlandschaft“.
Garten-Chef Michael Keller in Wörlitz: „Wir sind keine Sterbebegleiter der Gartenlandschaft“. /Foto: Matthias Müller)

Oranienbaum/Wörlitz/MZ

Es waren Schreckensbilder, die während und nach den trockenen Jahren 2018/19 in den Parks des Dessau Wörlitzer Gartenreichs zu sehen waren: gelbe Rasenflächen, vertrocknete Bäume, ausgetrocknete Gräben. Mittlerweile ist das Wasser zurück, die Bäume sind beschnitten. Doch Entwarnung gibt Michael Keller nicht.

Der Leiter der Abteilung Gärten und Gewässer bei der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz kennt viele Probleme im Weltkulturerbe. Als „Sterbebegleiter, der seine Gäste zu einem Besuch am Krankenbett der Gartenlandschaft einlädt“, verstehe er sich trotzdem nicht. Vielmehr will er vom „Klimawandel im historischen Garten“ erzählen. Das ist auch das Thema des ersten deutschlandweiten Aktionstages am 28. September, mit dem die Gartendenkmalpfleger der Schlösserverwaltungen im ganzen Land auf die Veränderungen in ihren Gärten hinweisen wollen.

Zierpflanzengärtner gesucht

Die gibt es allerdings schon länger. „Mit veränderten klimatischen Rahmenbedingungen und den daraus resultierenden zusätzlichen Anforderungen an die Gartendenkmalpflege haben wir schon seit 20 Jahren zu tun“, sagt Michael Keller. Für die Besucher und die Öffentlichkeit seien sie durch die jüngsten Trockenjahre nur deutlicher wahrnehmbar gewesen.

Im Gespräch mit Michael Keller wird ganz klar: Es ist viel falsch gemacht worden in den vergangenen Jahrzehnten. Eigentlich schon seit der Weimarer Republik und der Verstaatlichung von Parks in ganz Deutschland. Seitdem ging der Trend weg von den einst mit großer Finesse angelegten Parks, in denen Blütenfülle, verschiedene Pflanzen mit den unterschiedlichsten Blattformen und Farben kombiniert wurden. Die Entwicklung ging hin zu einem Park, der aus Rasen mit Bäumen besteht.

Mit Vereinfachung kann sich ein Gartendenkmalpfleger wie Michael Keller jedoch nicht abfinden. Er will im Gartenreich Dessau-Wörlitz erhalten, was einst geplant war und gepflanzt wurde. Dabei spielt Wasser eine entscheidende Rolle. In den vergangenen Jahren wurde deutlich, dass es Probleme mit dem Zuviel und dem Zuwenig an Wasser geben kann. „Wir müssen uns natürlich vor dem Hochwasser als zerstörerische Kraft schützen, aber wir dürfen das Wasser auch nicht zu schnell ableiten, denn Wasser ist lebensnotwendiger Bestandteil der Kulturlandschaft“, sagt Michael Keller und erinnert daran, dass es schon 1770/71 ein größeres Hochwasser im entstehenden Wörlitzer Park gab. „Fürst Franz musste fast einen Neustart machen und dabei ist der Deichbau in den Landschaftspark integriert worden“, so Keller.

Gesucht sind individuelle Lösungen. Zum Beispiel bei der Anzucht neuer Bäume. Während jahrzehntelang Bäume aus Baumschulen gekauft wurden, stellen die Gärtner fest, dass die vor Ort aus bestehenden Bäumen herangezogenen Pflanzen besser vor Ort wachsen und beständiger sind. „Wir haben den wahren Wert der historischen Baumschulen, die früher mit den Parks verbunden waren, erst unter dem Eindruck des Klimawandels richtig verstanden“, sagt Michael Keller.

Keine Baumschulen mehr

Das leuchtet ein, doch eigene Baumschulen können sich die meisten Verwaltungen der historischen Parks schon lange nicht mehr leisten. Trotzdem beginnen die Parkgärtner, bestimmte Bäume wieder selbst zu ziehen.

Davon berichtet auch die Fachgruppe Gärten der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Schlösserverwaltungen in einer aktuellen Projektbroschüre. Darin wird von der Gründung einer parkeigenen Baumschule für den Großen Garten in Dresden berichtet. Aus dem Schlosspark Bad Homburg in Hessen wird die Bildung von Humus direkt am Baum durch das Kompostieren des herabfallenden Laubs beschrieben. In Wörlitz wurde schon vor Jahren ein großer Kompostplatz angelegt. Doch erst 2024 gab es Geld, um einen Radlader zu kaufen, mit dem der Kompost verteilt werden kann.

Früher sei das Wissen vom Hofgärtner auf den nächsten übergegangen, sagt Keller. Dieser Wissenstransfer ist seit langem gefährdet. Immerhin bildet die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz wieder eigene Zierpflanzengärtner aus. In diesem Jahr konnte die Ausbildungsstelle noch nicht besetzt werden – es hat sich niemand beworben.

Wenn alte Bäume gefällt und vertraute Pflanzen durch andere, klimaresistentere ersetzt werden müssen, dann mag das den Besucher erschrecken. Doch zur Natur gehört Veränderung. Michael Keller: „Natürlich ist es nicht so, dass der Park bis zum Klimawandel so geblieben ist, wie ihn uns Fürst Franz hinterlassen hat. Es hat immer Erneuerungen und Nachpflanzungen gegeben, deshalb haben wir eine heterogene Altersstruktur bei den Baumbeständen.“

Respekt vor dem Kunstwerk

Über all das wird Michael Keller am Aktionstag sprechen. Vermittlung sei wichtig. Nicht nur die Vermittlung von Wissen, sondern auch die von Werten. In einem denkmalgeschützten Park geht es immer um Respekt vor dem Gartenkunstwerk – durch die, die dort arbeiten, und die, die es besuchen. Im Gartenreich geht es momentan vor allem um den Respekt von Radfahrern, die vom Elberadweg kommend – allzu gern durch das Denkmal radeln würden, es aber nicht dürfen.Anmeldungen für die Parkführung mit Michael Kellner am 28. September um 14 Uhr sind noch möglich.