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Hartz IV Hartz IV: Die Armut wird vererbt

Von Ralf Böhme 20.09.2012, 18:13

Halle (Saale)/MZ. - Sachsen-Anhalt ist trotz einer Besserung das ostdeutsche Bundesland mit den prozentual meisten Kindern in Hartz-IV-Haushalten. 26,6 Prozent der unter 15-Jährigen waren nach Angaben der Arbeitsagentur Ende 2011 auf diese Unterstützung angewiesen - 2007 waren es noch 32 Prozent. Damit liegt das Land im bundesweiten Vergleich auf dem 14. Platz. Nur in Berlin und in Bremen gibt es eine höhere Quote bei der Grundversorgung. Der ostdeutsche Durchschnitt liegt bei 24,8 Prozent. Das sind fast zehn Prozent mehr als in den alten Ländern.

"Wenn mehr als jedes vierte Kind in einer Bedarfsgemeinschaft aufwächst, dann zeigt es uns, dass das Armutsrisiko bei Kindern nach wie vor ein großes Problem in Sachsen-Anhalt ist", so Kay Senius, Chef der Arbeitsagentur für Sachsen-Anhalt und Thüringen. Zwar habe sich die Zahl der Kinder in Hartz-IV-Haushalten im Vergleich zu 2007 von ungefähr 78 500 auf 67 200 verringert. Aber dieser Rückgang liege nur zum Teil an der verbesserten Lage auf dem Arbeitsmarkt. Es sei auch eine Folge der demografischen Entwicklung. "Unterm Strich sehe ich keinen Grund zur Entwarnung, im Gegenteil."

Die Arbeitsagentur beobachtet laut Senius eine Verfestigung der Hartz-IV-Strukturen. Mehr als ein Drittel der 133 000 Arbeitslosen in Sachsen-Anhalt sei länger als ein Jahr ohne Job. Senius sieht in diesem Zusammenhang die Gefahr einer "Vererbung" des Armutsrisikos. Wer längere Zeit ohne Beschäftigung bleibe, verliere nicht selten an fachlicher und mitunter auch an sozialer Kompetenz. Das sei ein Teufelskreis, den Betroffene oft nur mit starker Unterstützung durchbrechen könnten. Weil die Jobcenter allein das Problem nicht lösen könnten, hofft Senius unter anderem auf ein neues Modellprojekt des Landes. Dabei stehen Hartz-IV-Beziehern im Burgenlandkreis jetzt so genannte Familien-Coaches zur Seite, die sie beim Wiedereinstieg in Arbeit unterstützen sollen. Zunächst konzentriert sich die Hilfe auf 90 der mehr als 3 000 Bedarfsgemeinschaften.

Die Diakonie Mitteldeutschland als größte Wohlfahrtsorganisation im Osten ist trotz solcher Ansätze wenig optimistisch. "Prekäre Lebenslagen werden zementiert", so Vorstandsvorsitzender Eberhard Grünberg. Niedriglohn und Hartz IV seien Nährboden der Armut, ein öffentlich geförderter Arbeitsmarkt für benachteiligte Menschen dringend erforderlich. Als arm gilt in Deutschland, wer weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung hat.