Zwei Jahre nach dem Brandanschlag Brandstiftung in Tröglitz: Wie es dem kleinen Ort heute geht

Tröglitz - Es ist nur noch ein Stück Absperrband, verwittert, verblasst, porös. Dennoch, wenn es der Wind in die richtige Position hebt, dann lässt sich der Ursprung des Fetzens noch ausmachen. Er war einst Teil einer Polizeiabsperrung und ist an einem Bauzaun festgeknotet, der das Haus Ernst-Thälmann-Straße 28/30 in Tröglitz vor dem Zutritt Fremder schützen soll.
Menschen, die an dem Haus vorbeigehen, ärgern sich über den Zustand von Haus und Grundstück. Es störe sie, dass es noch nicht wieder ausgebaut und bewohnt ist, dass der Gehweg im Winter nicht geräumt werde, dass Haufen von Holz und Dachziegeln vor dem Haus liegen. Allerdings: Keiner der Passanten, die Montagvormittag zwischen 9 und 10.30 Uhr an dem Gebäude vorbeigegangen sind, hat die Straßenseite gewechselt.
Für Asylbewerber geplante Unterkunft in Tröglitz wurde vor zwei jahren angezündet
Und bis auf eine Ausnahme waren die Passanten bereit, mit der MZ über das Haus, das sich im Privatbesitz eines Mannes aus Westdeutschland befinden soll, zu sprechen. Nur mit Namen wollte keiner in die Zeitung. Das Haus, dessen Dach notgesichert und dessen Eingänge verschlossen sind, und durch dessen Vorgarten höchstens ein paar Katzen schleichen, ist jenes Haus, das Tröglitz vor auf den Tag genau zwei Jahren innerhalb kurzer Zeit zum zweiten Mal mehr als nur bundesweit in die Schlagzeilen brachte.
Es sollte einst Unterkunft für Flüchtlinge werden. In der Nacht zum Ostersonnabend 2015 stand der Dachstuhl in Flammen. Schnell war für die Ermittler klar, dass Brandstiftung die Ursache des Feuers ist. Die Täter sind bis heute nicht gefasst. Die Ermittlungen wurden im Sommer 2016 eingestellt.
Fingerabdrücke und DNA-Spuren im Brandhaus in Tröglitz gesichert
Von einem perfekten Verbrechen wollte Andreas von Koß, Sprecher des Landeskriminalamtes, schon vor einem Jahr trotzdem nicht reden. Denn immerhin seien am Tatort Spuren gesichert worden. Und, so sagte der Beamte, die Chance, des Täters oder der Täter noch habhaft zu werden, sei auch Jahre nach dem Ereignis noch gegeben.
Sowohl Fingerabdrücke als auch DNA-Spuren seien nach dem Brand gesichert worden. Und so könnte den Kriminalisten Kommissar Zufall helfen. Vielleicht können die Spuren ja irgendwann einmal einer oder mehreren Personen zugeordnet werden. Es könnte auch geschehen, dass jemand, der weiß, was in jener Nacht passiert ist, sein Schweigen bricht und Hinweise gibt, wer einst das Feuer gelegt hat. Am Tatort waren Kunststoffkanister gefunden worden, in denen sich Kraftstoff als Brandbeschleuniger befand.
Hat sich Tröglitz seit dem Brandanschlag verändert?
Auch wenn die Gespräche der MZ mit Tröglitzern kein repräsentatives Meinungsbild widerspiegeln, so wurde doch deutlich, dass über die Geschehnisse von vor zwei Jahren eher geschwiegen, als gesprochen wird. Von Verdrängen war die Rede. Aber auch davon, dass das schlimm gewesen sei, mit dem Feuer, dass einige Menschen schon unruhig werden, wenn in der Nacht von irgendwoher Sirenengeheul zu hören ist und das man froh wäre, wenn die Brandstifter gefasst würden.
Auf die Frage, ob sich Tröglitz in den vergangenen Jahren verändert hat, sagt eine Frau, dass es ruhiger geworden sei. Sie selbst sei froh, dass bei dem Feuer vor zwei Jahren kein Mensch zu Schaden gekommen ist. Wenn sie jetzt aus Radio oder Zeitungen erfahre, dass es Angriffe auf Flüchtlinge oder deren Unterkünfte gegeben hat, dann denke sie sofort an die Ereignisse in Tröglitz zurück.
Flüchtlinge nicht mehr ein Feindbild in Tröglitz?
Etwas Negatives über Flüchtlinge, die nun seit Jahren in Tröglitz leben, konnte von den Angesprochenen niemand sagen. Man sehe sie ab und an wenn sie zum Einkaufen gehen, hieß es. Sie seien freundlich, würden grüßen. Ja, und man sei froh, dass sie nicht in einer Gemeinschaftsunterkunft leben müssen, sondern dass sie verteilt seien. Die Meinungen klingen positiv.
Dabei war Tröglitz Anfang 2015 in die Schlagzeilen geraten, weil „besorgte Bürger“ zu sogenannten Lichterspaziergängen sonntags auf die Straße gegangen waren, um gegen die geplante Unterbringung von Flüchtlingen in Tröglitz zu protestieren. Angemeldet worden waren die Spaziergänge von einem NPD-Mann.
Das sagt Tröglitz' ehemaliger Ortsbürgermeister Markus Nierth heute
Markus Nierth, damals Ortsbürgermeister, hatte sich hingegen für eine Willkommenskultur stark gemacht. Als ein Protestmarsch zu Nierths Wohnhaus angekündigt war, legte er sein Amt nieder. Er wollte seiner Familie solch ein Erlebnis ersparen. Das war im März 2015 und brachte Tröglitz ein erstes Mal deutschlandweit in die Schlagzeilen.
Später gab es Morddrohungen gegen Nierth, Briefe mit Fäkalien landeten in seinem Postkasten. Er setzte sich weiter dafür ein, Flüchtlinge willkommen zu heißen. Seinen Einsatz von einst bereut er auch heute nicht.
Nierth würde jetzt aber einiges anders machen, sagt er: „Ich würde schneller deutlich werden und ich würde heute eine Gegendemo organisieren“, sagt er am Montag. Aus seiner Sicht ist Tröglitz noch immer gespalten. Ein Teil der Menschen denke darüber nach, was passiert ist, finde das auch schlimm und habe gemerkt, dass von den „menschenfeindlichen Protesten ein unguter Geist ausging“. Ein anderer Teil denke, dass man „eine Plane über die Geschehnisse legen sollte“, dass man verdrängen sollte. „Das macht mich traurig, weil die Menschen sich so selbst der Chance berauben, aus den Ereignissen zu lernen“, so Nierth. (mz)
