Beste Azubis im Land Beste Azubis im Land: Susanne Rothe ist mit Bacchus im Bunde

Freyburg - Die Nase verschwindet tief im Glas. Riechen. Dann schwenkt Susanne Rothe den Sekt mehrfach schnell in der Runde. Ein Weißburgunder, neun Monate flaschengereift, handgerüttelt. Als das Getränk wieder zur Ruhe gekommen ist, schaut sie sich die perlige Flüssigkeit an. „Schön goldgelb“, sagt die 22-Jährige. Sie nimmt einen Schluck und ist begeistert: „Schmeckt richtig gut“.
Was anderes hätte man allerdings auch nicht erwartet. Immerhin ist der handgerüttelte Sekt das Premiumprodukt von Rotkäppchen - jener Traditionsmarke aus Freyburg (Burgenlandkreis), bei der Rothe zur Weinküferin ausgebildet wurde. „Bis Ende August habe ich hier drei Jahre gelernt“, sagt sie. Mittlerweile studiert Rothe Weinbau und Önologie, die Wissenschaft der Weinherstellung, im hessischen Geisenheim. Die Hochschule dort gilt auf diesem Gebiet als eine der renommiertesten in Deutschland.
256 Königin-Termine in 365 Tagen
Am Dienstagvormittag schaute Rothe allerdings noch einmal bei ihrem alten Arbeitgeber vorbei. Nicht nur um den Weißburgunder zu probieren. „Ich wollte den Kollegen noch schnell Hallo sagen, bevor ich nach Halle fahre“, erzählt Rothe. Ihr eigentlicher Grund für den Besuch in der Heimat war nämlich die alljährliche Besten-Ehrung der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK).
Die fand gestern Abend in der Händel-Halle statt. Ausgezeichnet wurden dort die erfolgreichsten Auszubildenden. Und zu den Besten des 2015er Jahrgangs gehört auch Susanne Rothe.
„Ich habe mit der Note 1,2 abgeschlossen“, sagt sie stolz. Auf ihrem Gebiet war sie damit sogar die Beste im IHK-Bezirk. Der Beruf des Weinküfers zählt zu den handwerklich-technischen Ausbildungen.
„In diesem Bereich kommt es nur selten vor, dass eine Frau die Beste ist“, sagt Rothe. Noch seltener ist es, dass eine Weinküferin geehrt wird - davon gibt es nämlich nur wenige. Mit Rothe zusammen begann nur noch ein junger Mann in Sachsen-Anhalt diese Ausbildung. Deutschlandweit arbeiten rund 2 200 Weinküfer, wobei nur 15 Prozent davon Frauen sind.
Wie Susanne Rothe zum Wein kam, lesen Sie auf der nächsten Seite.
„Unsere Arbeit beginnt, wenn die Traube von der Rebe gepflückt ist“, erklärt Rothe. Als Küfer begleite man den gesamten Prozess der Weinherstellung. „Von der Traube bis zum fertigen Getränk“, sagt die 22-Jährige. Man keltert (presst) die Früchte, überwacht die Lagerung und Gärung und klärt den Wein schließlich - befreit ihn also von Trübungen. „Die meiste Zeit verbringen wir deswegen dort, wo der Wein gelagert wird“, erzählt Rothe. „Wir sind also richtige Kellerkinder.“
Da bei Rotkäppchen aber hauptsächlich Sekt und kein Wein hergestellt wird, absolvierte Rothe während ihrer Ausbildung mehrere Praktika bei Winzern. „Ich war an der Mosel und hier in der Region“, erzählt sie. Eine gute Lehre hatte sie aber auch schon zuvor genossen, denn der Wein ist ihr in die Wiege gelegt.
Rothe stammt aus einer Winzerfamilie, die in Bucha im Unstruttal ansässig ist.
„Wir haben einen ein Hektar großen Weinberg“, erzählt die 22-Jährige. In diesem sei sie schon als Kind mit Hacke und Butte (einem Traubenfass) unterwegs gewesen. Ihr Vater habe ihr schon damals viel über den Weinbau beigebracht. „Und die pure Theorie habe ich dann in der Schule gelernt“, sagt sie. Rothe ging auf das Burgenlandgymnasium in Laucha. Und dort kann man auch Weinbau als Fach wählen.
Die Entscheidung, Weinküferin zu werden, lag dann nach dem Abitur nahe. „Obwohl ich auch mit einem Lehramts-Studium geliebäugelt habe“, erzählt Rothe. Den Ausschlag für die Ausbildung habe dann Rotkäppchen gegeben.
„Das ist ein so renommiertes Unternehmen in der Region, da wollte ich unbedingt hin.“ Drei Jahre lernte sie bei der Sektkellerei und besuchte dabei alle Abteilungen des Unternehmens. Welchen Eindruck sie dabei hinterließ, merkt man schnell, wenn man mit ihr auf dem Firmengelände unterwegs ist.
Jeder Mitarbeiter, der Rothe begegnet, winkt ihr zu. „Sie war in jeder Abteilung ein kleines Sternchen“, sagt Jana Blaue. Was die Rotkäppchen-Personalleiterin damit meint: „Alle Informationen, die man ihr gesagt hat, hat sie regelrecht aufgesogen und dann auch perfekt umgesetzt.“ Und auch in ihrem letzten Jahr habe sie trotz der großen Zusatzbelastung alle Aufgaben mit Bravour gemeistert.
Im September 2014 wurde Rothe nämlich für ein Jahr zur Weinkönigin der Saale-Unstrut-Region gewählt.
„Hätte ich vorher gewusst, mit wie viel Aufwand das verbunden ist, hätte ich mich vielleicht nicht beworben“, sagt die 22-Jährige. In ihren 365 Tagen im Amt habe sie 256 Termine gehabt. „Da musste mich mein Arbeitgeber oft freistellen“, sagt Rothe. Für Jana Blaue eher eine Selbstverständlichkeit: „Eine Weinkönigin im Unternehmen zu haben, ist ja eine Ehre für uns.“
Nach dem Studium zurück
Noch gestern Nacht, nach der Auszeichnung durch die IHK, ist Susanne Rothe zurück nach Geisenheim gefahren. „Um acht Uhr habe ich dort wieder Vorlesung“, erklärt sie. Drei Jahre dauert ihr Studium. Und wenn sie damit fertig ist, will sie unbedingt wieder zurück. Weil die Region so schön sei und sich auch der Weinbau in den vergangenen Jahren extrem gut entwickelt hat. „Ich hoffe, dass ich dann mit der guten Ausbildung einen Job finde“, sagt Rothe. Vielleicht ja sogar bei ihrem Ausbildungsbetrieb. „Wünschen würde ich mir das zumindest“, sagt sie. (mz)
