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Roman aus und über Wittenberg Roman aus und über Wittenberg: Mario Dittrich haut wieder in die Tasten

Von Corinna Nitz 08.04.2020, 08:18
Verleger als Autor: Mario Dittrich an seiner Schreibmaschine
Verleger als Autor: Mario Dittrich an seiner Schreibmaschine Mech

Wittenberg - Seinen ersten Roman hat der Wittenberger Verleger Mario Dittrich im Oktober 2013 vorgestellt. Unter dem Titel „Lutherstraße“ entwarf er am Beispiel der jüdischen Familie von Wittenbergs heutigem Ehrenbürger Richard Wiener und des eigenen, 1945 aus dem Sudetenland hier eingewanderten Vaters das Panorama der dunkelsten Epoche jüngerer deutscher Geschichte. Jetzt arbeitet Dittrich am zweiten Roman, die Veröffentlichung in seinem Drei Kastanien Verlag sei für diesen Sommer geplant, früher als gedacht, wie er sagt.

Denn die Einschränkungen, die mit der Corona-Pandemie einhergehen und die auch die persönliche Bewegungsfreiheit betreffen, führen dazu, dass er gerade öfter und länger zum Schreiben kommt als sonst im geschäftigen Alltag.

Zurück zum Setzkasten

Sein neues Buch hat er „Der Korrektor“ genannt, es ist in der Zeitungsbranche angesiedelt, in die Dittrich, Jahrgang 1965, nach eigenen Angaben selbst gern wollte. Nach einer Ausbildung zum Schriftsetzer begann er ein Volontariat bei seiner Tageszeitung, was für ihn, eine Mischung aus gut und schrecklich gewesen sein muss. Das Gute bestand darin, dass er veröffentlichen konnte. Der Schrecken kam, als er „in die SED eintreten, die Bezirksparteischule besuchen und den Kontakt zur Westverwandtschaft abbrechen sollte“. Nichts davon wollte er, also, sagt Dittrich, „bin ich an den Setzkasten zurückgegangen“.

Mit dem neuen Roman begonnen habe er 2015, die ersten Sätze lesen sich so: „Fertig, geschafft, passt wackelt und hat Luft, dachte der Chef. Richard Neider lehnte sich zurück, drückte sein Rückgrat fest gegen die Lehne seines Schreibtischstuhles, legte den Kopf in den Nacken und streckte die Arme mit geballten Fäusten in die Höhe wie ein Boxer der einen Sieg errungen hatte. Nur kurz verharrte er so, ließ sodann seine Arme auf die Lehnen fallen, beugte den Oberkörper nach vorne und blickte auf die vor ihm liegende Zeitung. Da war sie! Die neueste druckfrische Ausgabe der Wittenberger Zeitung vom 5. Oktober 1917. Immer wieder ein gutes Gefühl, dachte Neider beim Anblick des frischen Druckwerkes.“

Zwar steigt Dittrich mit dem Chef ein, doch sein Held, der Protagonist, ist Helmut Tossmann, geboren am 1. Januar 1900, der aufgrund seiner Herkunft zwar die Inhalte von (Zeitungs-)Texten oft nicht versteht, aber dennoch mit einer Begabung gesegnet wurde: Er erfasse die Texte anders und filtert orthografische und grammatikalische Fehler heraus, was ihn offenbar zum guten Korrektor macht. Es sei ein Sozialdemokrat, der versucht, Tossmann zu helfen und ihn, wie Dittrich es formuliert, auf die richtige Spur zu bringen.

Die Spuren, die der Autor legt, führen in die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, in den Tossmann mit 17,5 Jahren eingezogen wurde. Später wird er in Wittenberg die „Reichskristallnacht“ miterleben, irgendwann die DDR. Dittrich sagt, er verbinde Fakten mit Fiktion, sein Buch kündigt er als „Gesellschaftsroman aus der Perspektive einer Kleinstadt“ an, sein Protagonist sei - siehe Geburtsdatum - ein „Jahrhundertzeuge“. Ihn, den fiktiven Korrektor, lässt er reale Ereignisse miterleben, die sich in Wittenberg und anderen Orten in Mitteldeutschland zugetragen haben.

„Wunderbares Vergnügen“

Fiktion und Realität zu mischen sei ein „wunderbares Vergnügen“, so Dittrich, der ansonsten betont: „Das Schwierigste dabei ist für mich, fast zutreffend für die jetzige Situation, den emotionalen und sozialen Abstand zur Hauptperson zu halten und quasi aus der Perspektive einer völlig anderen Persönlichkeit zu schreiben.“ Was übrigens den Akt des Schreibens betrifft, so erledige er das gern auch auf einer alten Schreibmaschine.

Abgesehen davon, dass sich damit noch besser in vergangene Zeiten eintauchen lasse, liege ihm das auch. Zudem empfinde er, der sich mit 14 Jahren eine alte AEG-Schreibmaschine besorgt hatte, das „handwerklicher“ als am Computer. Er sei eben „Old School“. Für seine Tochter Laura hingegen sei schon das Geräusch der Schreibmaschine „krass“, lacht Mario Dittrich.

Leseproben

Das erste Kapitel seines im Entstehen befindlichen Romans „Der Korrektor“ möchte Mario Dittrich dem Elbe-Kurier der MZ zum Vorabdruck zu Verfügung stellen. Es sei ein Service für die Leser, „gerade jetzt, wo viele zu Hause sind“, erklärt der Wittenberger Verleger vor dem Hintergrund der Corona-Krise.

In lockerer Folge wird die MZ demnächst mit dem Abdruck beginnen. Den kompletten Roman soll es dann im Sommer geben, ursprünglich sollte er erst im November fertig werden. (mz)