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Porträt Porträt: Olympische Spiele vor Augen

Von THOMAS TOMINSKI 03.11.2010, 17:42

WITTENBERG/MZ. - Damit hatte Margarete Elger nicht gerechnet. Am 10. August lösten ehemalige Schüler ihr Versprechen ein und gratulierten ihrer einstigen Lehrerin persönlich zum 100. Geburtstag in Bad Dürrheim (Baden-Württemberg), wo die rüstige Seniorin lebt. Vor fünf Jahren war dies bei einem Klassentreffen - Anlass waren 45 Jahre Abitur - in Wittenberg ausgemacht worden, zu dem auch Margarete Elger gekommen war.

In den Jahren nach dem Treffen in ihrer alten Heimat ging ihr das Versprechen nie aus dem Sinn. Sie hat gehofft, gegrübelt. Kommen sie oder kommen sie nicht? Als die Tür aufging und ihre einstigen Schüler mit einem großen Plakat in das Wohnzimmer strömten, standen ihr die Tränen in den Augen.

Ein sportliches Leben

Der Sport stand bei der gebürtigen Magdeburgerin stets im Vordergrund. Nach ihrem Lehrerstudium in Berlin und Hamburg (ab 1928) bekam sie 1934 am Lyzeum in Stendal ihre erste Stelle. Trotz Knieproblemen kehrte Margarete Elger dem Leistungssport nie den Rücken und qualifizierte sich für die Olympischen Spiele 1936.

Zusammen mit Anni Steuer gehörte sie zu den besten 80-Meter-Hürdenläuferinnen der Welt und hatte eine Medaille im Visier. "Wir waren damals Freundinnen und Konkurrentinnen. Jede hatte mal die Nase vorn", erinnert sich die 100-Jährige gern zurück.

Zu diesem Zeitpunkt war das Leben der Margarete Elger perfekt. Die Arbeit am Lyzeum, sie unterrichtete die Fächer Handarbeit, Hauswirtschaft und Sport, machte ihr großen Spaß, die Olympischen Spiele standen vor der Tür. Die 26-Jährige hatte die Ernennungsurkunde in der Tasche, der Traum vom Finale nahm Konturen an. Dann passierte es. Die Medaillen-Kandidatin klemmte sich den Ischiasnerv ein und musste ihren Platz für Doris Eckert räumen, die später Sechste wurde. "Das war ein bitterer Moment. Ich saß an der Seite und habe mir das Hürdenfinale angeschaut. Danach war es mit dem Leistungssport vorbei."

Nach Wittenberg ist sie durch Zufall geraten. Noch heute bezeichnet sie sich als "Tauschopfer des Schulamtes". Eine Lehrerin aus der Lutherstadt wurde 1942 nach Stendal strafversetzt, auf Elger wartete eine neue Herausforderung. An die ersten Monate denkt sie nicht gern zurück. "Es war schrecklich. Eine junge Frau mutterseelenallein in einer fremden Stadt. Ich hatte keine Beziehungen, habe nichts unter dem Ladentisch bekommen." Wichtiger Zufluchtsort: ihre Eltern in Magdeburg. "Die haben mich durch die Kriegsjahre gefüttert."

Selbst als die Eltern später nicht mehr lebten, gehörten die Zugfahrten nach Magdeburg zu ihrem Wochenendprogramm. Elger spielte Handball und Tennis in dortigen Vereinen, die heutige Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt bildet ihre zweite Heimat. Nach Kriegsende machte die Lehrerin sofort Nägel mit Köpfen und gründete eine Nachwuchs-Handballmannschaft beim SV Einheit Wittenberg, die sie als Trainerin jahrelang betreute. Als aktive Feldhandballerin ging sie in der Landesklasse auf Torejagd. "Das waren schöne Zeiten. An die Städtevergleiche gegen Frankfurt am Main, Berlin oder Weimar denke ich immer noch gern zurück."

Ein erfülltes Leben

Die Jubilarin bekennt offen, dass sie Wittenberg gern wiedersehen möchte, doch aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters werde es wahrscheinlich ein Wunschtraum bleiben. Allen jungen Menschen, die verzagt durchs Leben gehen, möchte die rüstige Seniorin ein paar Dinge mit auf den Weg geben: "Sei fröhlich, bleibe ehrlich, behalte deine gute Laune und suche dir nur Ziele, die realisierbar sind, ist mein Motto. Ich habe die Jahrtausendwende erlebt und bin 100 Jahre alt geworden. Es war ein schönes Leben."