Familienkino Familienkino: Spukspaß spielt auch in Quedlinburg
halberstadt/MZ - „Einmal die Welt bei Tag erleben, das wäre mein größter Wunsch!“, seufzt das kleine Gespenst unterm Dach von Burg Eulenstein. Dafür muss das Flatterwesen viele Uhren umstellen. Schließlich gibt es für jeden Spuker einen entsprechenden Zeitmesser. Regisseur Alain Gsponer drehte im Sommer 2012 in Quedlinburg und Wernigerode einen wunderschönen Kinderfilm nach Otfried Preußlers vor über 45 Jahren geschriebenem lustigem Kinderbuch.
„Unsere Kernzielgruppe sind die Vier- bis Zehnjährigen, aber gelesen haben den Klassiker von Preußler ganze Generationen“, weiß Produzent Jakob Claussen, der damit nach „Krabbat“ die zweite Preußler-Verfilmung realisiert. „Darum ist es ein Film, in dem Großeltern und Enkel mit glänzenden Augen sitzen.“
"Etwas Filmkunst muss ja wohl sein"
Ins größte Kino des Nordharzes in Halberstadt luden die Filmemacher zur Voraufführung des Streifens ein. So reisten Schüler von der Markt- und Kleersgrundschule per Sonderbus in die „Zuckerfabrik“ der Kreisstadt, um ihr Quedlinburg auf der Leinwand zu erleben. Ob das Rathaus und der Markt, das Mummental oder das Panorama der Stadt, an allen Ecken erkannten sie ihre Heimatstadt und applaudierten entsprechend begeistert. Viele von ihnen haben miterlebt, wie zum Schweden-Umzug unzählige Komparsen über den heimischen Markt zogen. „Der Harz bot beste Locations für den Dreh“, erinnert sich Regisseur Alain Gsponer. „Wir haben in Franken und Nordrhein-Westfalen gesucht, uns aber gleich in Quedlinburg und Wernigerode verliebt.“ Sein Produzent fügt an: „Und das war Liebe auf den ersten Blick.“
Als Bürgermeister residiert Uwe Ochsenknecht im Quedlinburger Rathaus. An dessen Turm hängt die große Uhr, an deren Zeiger sich in einer ganz gefährlich wirkenden Szene der Junge Karl klammert. Das Publikum reibt sich die Augen: Seit wann krönt das Rathaus ein Turm? „Etwas Filmkunst muss ja wohl sein“, meint Jakob Claussen. „Den Turm haben wir digital drauf gesetzt.“
In die Trickkiste griffen die Macher des Kinostreifen auch, wenn das kleine Gespenst auftaucht. Die echten Schauspieler, ob die großen oder die drei Kinderdarsteller, agierten ohne das Gespenst, nahmen oft Bälle oder Puppen zur Hand, um es bei den Dreharbeiten zu imitieren. Anna Thalbach, die dem Fabelwesen Stimme und Gesicht gibt, war nie am Set. Der Geist stieg aus dem Computer.
Im Gespräch mit der „Mitteldeutschen Zeitung“ freut sich Regisseur Gsponer „über unsere richtige Wahl beim Casting“. Anna Thalbachs Stimme „klingt mal männlich und mal weiblich. Wir wissen ja auch gar nicht, welches Geschlecht so ein jahrhundertealter Geist hat.“ Produzent Jakob Claussen erinnert daran, dass der Film eigentlich ein Geburtstagsgeschenk zum 90. von Otfried Preußler werden sollte. „Er konnte den Film zwar nicht mehr sehen, hat aber vor seinem Tod im Februar das Design des Gespenstes noch abgenommen.“ Regisseur Alain Gsponer fügt im MZ-Gespräch an: „Seine Tochter Susanne Preußler-Bitsch hat uns gesagt, dass ihm der Film garantiert gefallen hätte. gefallen hätte.“ Als Regisseur und Produzent sehe man, wenn der Film läuft, immer wieder Passagen, die man lieber anders gedreht hätte. „Doch diesmal erleben Sie ein 100prozentig glückliches Team“, verkünden beide unisono. Jakob Claussen ist sich sicher: Kinder und Erwachsene erleben und lachen anders. „Darum drehe ich mich an bestimmten Stellen um, blicke den jungen Zuschauern in die Augen und es freut mich, dass es so klappt, wie wir es uns vorgestellt haben.“ Auch der bisher kinderlose Regisseur hat es getestet: „Ich habe Nichten und Neffen Passagen gezeigt, und sie fanden es prima.“
Kindgerecht-märchenhafter Unterhaltung und eine Portion Nostalgie
Da gibt es viele Szenen, in denen es Applaus und Lacher bei der Halberstädter Preview gibt: Wenn das Gespenst im Schloss Eulenstein, das in Wernigerode steht, alles durcheinander bringt, wenn es plötzlich schwarz wird oder sich die Feuerwehr recht dilettantisch anstellt, der schwedischen General Torsten Torstenson aus dem Gemälde steigt und später vom Gespenst beschossen wird, womit der Quedlinburger Markt ins Chaos versinkt. Doch auch etwas nachdenklichere Szenen gibt es: Wenn das kleine Gespenst mit seinem besten Freund, dem Uhu Schuhu, zu mitternächtlicher Stunde über das Leben, die Geisterwelt und die Schönheiten der Erde philosophiert.
Den stürmischen Premieren-Beifall hat der Film verdient. Mischt er doch Liebe zum Detail mit kindgerecht-märchenhafter Unterhaltung und einer Portion Nostalgie.
Nicht nur, dass ein Feuerwehr-Robur durch Quedlinburg rollt, die Erzählweise wirkt wie die Bücher von Otfried Preußler: angenehm entschleunigt, aber nie langatmig.