Ein Schiele ist immer dabei
Lossa. - Anika gehört zum Akkordeonnachwuchsorchester und wird bald zu den Großen in "Power of Harmony" aufrücken, wo Mutti Sandra spielt. Vanessa zeigte jüngst in Wetzendorf vor großem Publikum ihr Können in der Gruppe der Melodika-Spieler. Und Niclas? "Ich singe", sagt der aufgeweckte Junge ganz stolz, und er führt sein Glockenspiel vor, auf dem er die ersten rhythmischen Übungen im Musikunterricht absolviert. Den Kindern macht's Spaß, angeordnet wird nichts. Für den Reporter gibt es ein Extrakonzert. Doch halt. Da fehlt noch Opa Waldemar. Den holt Niclas und bringt gleich noch die Mandoline mit. Waldemar Klopffleisch spielt Geige. Es ist ein altes Instrument aus gutem Holz und mit warmem Klang. Von Zigeunern sei die einst gekauft worden, weiß der heute 80-Jährige und zeigt das eingebrannte Wappen, das auf den "Adlerstammbaum" verweist. Und dann ist da noch in römischen Ziffern die Jahreszahl 1532 zu lesen. Ob das so stimmt? Nachgeprüft hat das niemand. "Allerdings", erinnert sich der Familiensenior, "die Zigeuner sind noch mal wieder gekommen, wollten das Instrument zurückhaben und boten zwei Geigen als Gegenwert." Doch seine Geige hat der Junge nicht wieder hergegeben und sie dann über viele Jahrzehnte hinweg in Ehren gehalten und oft und gern gespielt. In Lossa war er später der Schuhmacher mit der Geige.
Was Besonderes sei das nicht gewesen, wehrt Klopffleisch ab. Vor dem Krieg und auch danach sei im Dorf viel musiziert worden. Zum Musikunterricht kam ein Lehrer aus Rastenberg. Woran er sich noch immer gern erinnert: "Die Petersburger Schlittenfahrt, die spielten wir im Schülerorchester, 30 Kinder wirkten mit. In fast in jedem zweiten Haus beherrschte einer ein Musikinstrument."
Nach dem Krieg bis 1952 spielte Klopffleisch am Wochenende zum Tanz auf. "Wir waren sechs Mann, Klavier, Schlagzeug, zwei Akkordeons und zwei Geigen." "Froh und heiter" hieß die Kapelle und war weit über Lossa hinaus bekannt. Nun freut er sich, wenn Enkel und Urenkel musizieren, und manchmal streicht er halt im Familienorchester noch die Geige.
Vier Generationen wohnen bei den Schieles unter einem Dach. "Da ist immer etwas los", sagt Sandra Schiele. Sie hat im November vorigen Jahres einen Kosmetik- und Fußpflegesalon im Haus eröffnet und freut sich über Kunden aus dem Dorf und Nachbarorten. Übrigens: Nicht alle musizieren in der Lossaer Familie. "Es müssen ja auch welche zuhören", meint Sandra Schiele. Ihr Ehemann Andreas sei das "kritische Publikum".