"Mysteriöse Kriminalfälle der DDR" "Mysteriöse Kriminalfälle der DDR": ZDF-Doku beleuchtet Kubaner-Jagd in Merseburg

Halle (Saale) - Merseburg am 12. Augst 1979: Eine Gruppe Kubaner, die zu den insgesamt 150 Personen gehören, die damals als Auftragsarbeiter in der Domstadt tätig sind, zieht wütend zu einer Disco, um sich für eine Schlägerei zu rächen, die dort am Vorabend zwischen ihnen und jungen Merseburgern stattgefunden hatte. Es kommt abermals zu einer Prügelei, in deren Verlauf die Kubaner in Richtung Saale fliehen und, da in Unterzahl, in den Fluss springen.
Nicht alle Kubaner können schwimmen, überdies werden sie vom Ufer aus mit Flaschen beworfen. Die Leichen eines 18- und 21-jährigen Kubaners werden vier Tage später aus der Saale geborgen. Da die Körper zu lange im Wasser waren, ergibt die Obduktion keinen eindeutigen Hinweis auf die Todesursache der beiden Männer aus der Karibik.
Stasi-Schüsse in Güstrow
Die Merseburger Ereignisse des Jahres 1979 werden zusammen mit drei weiteren „Mysteriösen Kriminalfällen der DDR“ in der gleichnamigen Reportage von Steffi Lischke rekonstruiert, die das ZDF am Dienstag um 20.15 Uhr zeigt.
Der spektakulärste Fall trug sich am 21. Dezember 1984 in Güstrow zu: Wolf-Dieter Runge und zwei Freunde, die angeheitert von einer Weihnachtsfeier kommen, machen vor der Kreisdienststelle des Ministeriums für Staatssicherheit halt, wo der Hund von Werner F. sie anbellt. Erst machen sie sich über den Hund, dann über den Stasi-Unterleutnant lustig. Der ist zwar im Dienst, aber ebenfalls angetrunken. Als die Männer dem Stasi-Mann nicht ihre Ausweise zeigen wollen, zückt der seine Waffe und schießt auf sie. Ein Opfer stirbt noch am Tatort, Wolf-Dieter Runge und sein anderer Freund kommen ins Krankenhaus. Dort erliegt Runge Heiligabend 1984 seinen schweren Verletzungen, der dritte Beteiligte überlebt.
Die Staatssicherheit vertuscht den Fall. Sie allein ermittelt, die Kriminalpolizei bleibt außen vor. Das Mielke-Ministerium behauptet sogar, die drei Männer sind keine Opfer, sondern Täter: Sie seien in die Dienststelle eingedrungen, hätten dort randaliert und Unterleutnant Werner F. nur in Notwehr zur Waffe gegriffen. Der wird in einem Verfahren freigesprochen und umgehend nach Berlin versetzt. Seine Vergangenheit holt den Stasi-Mitarbeiter 1991 ein: In einem rechtsstaatlichen Prozess wird er wegen zweifachen Totschlags und einem versuchten Totschlag zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt.
Verdächtige im Fall Merseburg ermittelt
Zwar werden auch in Merseburg Verdächtige ermittelt (etwa eine 21-Jährige, die gesteht, einen Kubaner mit einer Weinflasche getroffen zu haben), doch das Verfahren wird eingestellt: „Die Anweisung dazu kommt von ganz oben“, wie die Stimme aus dem Off mitteilt. „Das Regierungsabkommen über die Auftragsarbeiter zwischen der DDR und Kuba sollte durch die Ereignisse in Merseburg nicht in Gefahr gebracht werden“, erklärt die Politikwissenschaftlerin Andrea Bahr. Ergänzend dazu gibt Boris Luis Santa Coloma, Fidel Castros ehemaliger Presseattaché, zu Protokoll: „Von Fidel Castro gab es dazu die Anweisung: Das darf nicht zu einem Konflikt mit der SED führen.“ Der Fall wurde zu den Akten gelegt. Noch 2016 sah die Staatsanwaltschaft Halle keinen Anlass, ihn neu aufzurollen.
Die anderen beiden Fälle der spannenden Reportage widmen sich zwei Brüdern aus Fürstenberg, die 1987 von einem sowjetischen Soldaten erschossen wurden, und der Zwangsadoption eines Kindes 1984 in Leipzig.
„Mysteriöse Kriminalfälle der DDR“: Dienstag um 20.15 Uhr im ZDF (mz)