Köthen Köthen: Ritter erobern die Macht
KÖTHEN/MZ. - "Lachen die uns an oder aus?", fragen sich die Elferräte. Egal. Dort hinten warten die Fassschaukeln. Und die Elferräte in Rittermontur schreiten unbeirrt auf der Rückseite von St. Jakob zu ihrem Treffpunkt. Gelächter hin oder her. Es ist Karneval. Und die Narren des Kukakö wollen endlich an die Macht. Her mit dem Schlüssel. Viertel nach elf haben sie ihn.
Köthen feiert den Auftakt der fünften Jahreszeit. Wie jedes Jahr. Doch es ist eben nicht wie jedes Jahr. Der Chef fehlt. Ronald Mormann, der Präsident der 1. Köthener Karnevalsgesellschaft, kann nicht dabei sein. Die goldene Hochzeit der Eltern. Die Sitzung des Landtags. Ob er ihn vermissen werde, den Sturm auf's Rathaus? "Ich hoffe es doch", erklärt Eckhard-Bodo Elze, Mormanns Vize, "sonst wäre er kein richtiger Karnevalist."
Es muss ohne Mormann gehen. Elze stürmt nicht mit, hat statt dessen ein Auge auf die Abläufe. "Habt ihr die Mikrofone dabei?", will er wissen. Doch da ist der ritterliche Elferrat schon unterwegs zum Fassschaukel-Treffpunkt. Ein Gefährt, das bei einem der großen Rosenmontagsumzüge in Köthen vor Jahren für Furore gesorgt hatte. Jetzt wurde es ertüchtigt, weil es zum Motto der Session passt. "Anhalt 800" ist die Überschrift. Wird der Köthener Karneval jetzt historisch? Elze winkt ab: "Karneval muss Karneval bleiben." Und Spaß machen. Trotzdem werde man sich dem Motto widmen und das Jubiläum einfließen lassen. In Maßen.
Elze gibt endlich das Zeichen. "Ihr könnt los", ruft er vor dem Rathaus stehend und fuchtelt dazu mit den Armen. Am Fassschaukel-Wagen hält Michél Koch, der Inspizient des Kukakö, die Stellung. Sieben, acht Minuten nach elf schickt er den Wagen, gezogen von einem roten Traktor, los. "Schön sinnig", fordert Koch. Bis 11.11 Uhr ist noch Zeit. Vor dem Sturm noch eine Runde über den Markt, vorbei an den Schaulustigen, die gespannt sind, ob Kurt-Jürgen Zander wirklich die Macht her gibt.
Die Ritter haben leichtes Spiel. Die schwere Rathaustür ist keine Hürde. Sie verschaffen sich mit ein paar derben Schlägen schnell Zutritt. Der Hausherr muss in den Schandpranger und wird so über den Markt geführt. Zander, in einem roten, historischen Kostüm, gibt den Schlüssel trotzdem nicht her. Und beweist selbst in misslicher Lage diplomatisches Geschick: Seine Befreiung aus dem Schandpranger gegen den Schlüssel und ein Fass Freibier. Die Ritter gehen drauf ein. Sie haben Schlüssel und Bier - doch der bühnenreife Anstich misslingt. Erst später, in Ruhe und ohne Beobachter, sprudelt der Gerstensaft.
Die Session ist eröffnet. Die Jecken sind an der Macht und nun gewillt, sich eine weitere Trophäe zu holen: den abgeschnittenen Schlips des Stadtoberhaupts. Peinlich, peinlich, dass Prinz und Prinzessin für ihre Mission die falsche Schere dabei hatten. "Ein Modell mit Zacken", wie Zander gesehen hat und sich - vorschnell allerdings - freut, die Krawatte behalten zu können. Doch dann ist sie ab.