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Mit Kettenfahrzeug zur Fütterung

Von KORNELIA PRIVENAU 29.01.2010, 16:47

MORL/MZ. - Neben ihm nimmt Dieter Haschke Platz. Los geht es über das mit dickem Schnee und Eis bedeckte Feld nahe der Gemeinde Morl.

Nicht Fahrerkabine noch Heizung schützen die beiden Männer. Und während der Fahrt in Richtung Wald pfeift ihnen der eiskalte Wind tüchtig um die Ohren und rötet die Gesichter.

Reuter und Haschke sind dem Wild auf der Spur. Doch Jagdflinten gehören an diesem Vormittag nicht zu ihrer Ausrüstung. Die Pächter haben Argo mit Futter beladen - Heu, Rüben, Getreide, Mais und altbackenes Brot. "Seit 1960 bin ich Jäger", sagt Haschke, "aber einen so strengen Winter habe ich wirklich schon lange nicht mehr erlebt."

Der 71-jährige gelernte Kesselschweißer, der über Jahrzehnte im Dampfkesselbau Hohenthurm gearbeitet hat, geht auf seinen 560 Hektar Pachtland auch zusammen mit seinem Sohn Steffen auf die Jagd. Haschke kann stundenlang davon erzählen. Großen Wert legt er auf die Feststellung: Jagdpächtern sein heißt nicht nur Tiere zu jagen. "Wir betreuen elf Hochstände, beseitigen Windbruch und forsten auf." Kiefern und Fichten sind es vor allem, die gepflanzt werden und die Schonungen mit den Jungbäumen bedürfen einiger Pflege, so der Fachmann.

In Haschkes Revier tummeln sich Rehwild, Wildschweine, Kaninchen, Hasen und - Waschbären. "Diese Räuber treten jetzt vermehrt auf. Sie sind ziemlich dreist, wer schon einmal einen auf den Grundstück oder gar im Haus hatte, kann davon ein Lied singen. Sie sind überaus dreist und richten große Schäden an", sagt Dieter Haschke. Und weil dieser Winter eben nicht wie jeder andere ist, mussten Vater und Sohn 2010 schon sieben im Verkehr getötete Tiere von den Straßen in ihrem Revier räumen. Auf der Futtersuche, kommentiert der Jäger, überqueren sie oft in großer Zahl die Fahrbahnen. Für Mensch und Tier sei die Gefahr einer Kollision recht groß.

Um die Futterknappheit zu mildern, fahren Haschke und Reuter jetzt zweimal pro Woche raus und legen an den "Imbissbuden für Vierbeiner und Pelzträger" was zu knabbern aus. Wenn sich die Männer mit ihren Argo etwas zurückgezogen und den Motor abgestellt haben, dauert es meist nicht lange. Die Tiere kommen dann vorsichtig aus ihrer Deckung und fangen an, ihren Hunger zu stillen. "Auch das sind schöne Momente im Leben eines Jägers", sagt Haschke und will noch loswerden, dass Spaziergänger ihre Hunde besser an der Leine halten sollten, damit die nicht das Wild jagen. Bei den derzeitigen Bodenverhältnissen könne das für Rehe sogar tödlich sein. Zumindest aber würden sie auf der Flucht vor den Hunden ihre Läufe und Fesseln verletzen, weil der gefrorene Schnee messerscharf ist. "Wir haben das schon oft erleben müssen", erklärt Haschke.

Der Argo ist den Jägern eine große Hilfe. Das kanadische Fahrzeug mit zwei Ketten, acht Rädern und Benzinmotor bekam Reuter, der eigentlich Unternehmer in Sachen Tourismus und Fähren ist, nach einigen Monaten Wartezeit direkt vom Hersteller. Der Koloss ist nicht das einzige "seltsame Gefährt" in Reuters Bestand. Ein kleiner Eisbrecher namens "Olga" leistet auf der Saale gute Dienste.

"Argo rollt auf Ketten, fährt auf Rädern und schwimmen kann er auch, nur mit dem Fliegen hapert's", scherzt er. Ordentlich zugelassen, mit Kennzeichen und allem Drum und Dran darf jeder den Argo fahren, der einen Pkw-Führerschein hat. "Seit Dezember ist er mein und ich bin sehr stolz, dass ich diesen Vielseitigkeitskünstler entdeckt habe", sag Reuter. Wenn das Amphibienfahrzeug nicht gerade Futter für die Tiere transportiert, dann können sechs Personen mitfahren.