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Führungen in Halle-Neustadt Führungen in Halle-Neustadt: Von Eulenspiegel bis zu Göbel

Von SILVIA ZÖLLER 03.06.2014, 07:29
Das Eulenspiegel-Wandbild ist in der ehemaligen POS zu sehen.
Das Eulenspiegel-Wandbild ist in der ehemaligen POS zu sehen. Meinicke Lizenz

HALLE (Saale)/MZ - Rund 120 Kunstwerke gab es einmal in Neustadt, heute sind es noch rund 100. Wilfried Schwärmer kennt sie alle - und erklärt sie. Der 73-Jährige ist ausgebildeter Stadtführer: „Mit dem Wechsel in die Rente habe ich eine neue Aufgabe gesucht.“ Seit 2008 zeigt er Interessierten Skulpturen, Wandbilder und Reliefs. Rund 80 Führungen hat er schon gemacht. Morgen ist es wieder so weit: Um 9 Uhr startet ein weiterer Rundgang zur Kunst im öffentlichen Raum in Neustadt.

Wenn man so viel über die schönsten Seiten des Stadtteils weiß, ist eine Frage wohl die kniffeligste: Was ist für Wilfried Schwärmer das interessanteste, das Lieblings-Kunstwerk? „Das ist ganz schwer zu sagen“, überlegt der frühere Sport- und Geschichtslehrer. Doch ein ganz besonderes Erlebnis verbindet er mit einem der Kunstwerke in Neustadt: Bei einer Führung vor ein paar Jahren, die Gruppe stand gerade am Wandbild des Spaniers Jose Renau am heutigen Ordnungsamt, kam zufällig eine junge Studentin mit einem älteren Herrn vorbei und blieb stehen. Sie übersetzte das, was Schwärmer sagte, für den Mann auf Spanisch. „Und dann stellte sich heraus, dass der Mann ein enger Freund von Renau war“, erzählt Schwärmer. Die Begeisterung war natürlich auf beiden Seiten groß. Zur Freude aller erzählte der Spanier einige Episoden aus dem Leben des Künstlers, der als Widerstandskämpfer während des spanischen Bürgerkriegs flüchtete und erst 1958 in die DDR übersiedelte.

Auch am Mittwoch wird der Stadtrundgang an diesem Wandbild vorbeigehen. Übrigens ist der Termin keiner der regulären, die Schwärmer sonst über die „Pusteblume“ anbietet. Vielmehr wurde er von Interessierten angefragt - und bietet ihnen zum Neustadt-Jubiläum noch einen besonderen Leckerbissen: Die Tour startet im Landesbildungszentrum für Sehbehinderte am Oebisfelder Weg, der früheren 1. POS, wo der Grundstein für Neustadt 1964 gelegt wurde. Die Gäste dürfen auch einen Blick in den Innenhof mit der Lichtenfeld-Skulptur „Turnerin“ und auf das Eulenspiegel-Bild in der Aula werfen. Sonst sind diese Kunstwerke nicht frei zugänglich. Wer spontan Lust hat, kann teilnehmen.

Zum Eulenspiegel, das der hallesche Künstler und Willi-Sitte-Schüler Dieter Rex 1967 geschaffen hat, kann Schwärmer auch eine besondere Geschichte erzählen: Das Bild ist eine Kopie, bei einem Brand in der Schule wurde es zerstört - wie auch große Teile der Aula. Weiter wird der Stadtrundgang auch an bekannten Kunstwerken wie Rudolf Hilschers „Vater und Sohn“ am Gastronom oder dem Wissenschaftswürfel in der Nähe der Schwimmhalle vorbeiführen.

Daneben stehen aber auch Dinge auf dem Programm, die - wie Schwärmer sagt - ein „Schattendasein“ führen. So etwa das 1974 entstandene Relief „Kinderkreuzzug“ von Gerhard Geyer. „Das Kunstwerk bezieht sich nicht auf das Mittelalter, sondern auf ein Gedicht von Bertolt Brecht“, sagt Schwärmer. Teile dieses Gedichts, das von hungernden Kindern in Polen in der Zeit des Zweiten Weltkriegs erzählt, wird Schwärmer vorlesen.

In rund eineinhalb Stunden rückt der Rentner so die Kunst in Neustadt in den Fokus. „Für viele ist es wie eine Reise in die Vergangenheit“, sagt er. Und Schwärmer ordnet sie in die Gegenwart ein.

Wilfried Schwärmer
Wilfried Schwärmer
ZÖLLER Lizenz