Roßlaus Seemänner Roßlaus Seemänner: Einmal Werft ist immer Werft
Rosslau - Die erfahrenen Männer mit ergrautem oder schütter gewordenem Haar - sie haben sich gefreut wie die Schneekönige oder kleine Kinder. Als die immer Neugierigen vom Schifferverein in den Tiefen vom Alten Wasserturm in der Dessauer Abteilung des Landesarchivs Sachsen-Anhalt das vergilbte Papier vom 29. Juni 1866 entdeckt haben. Das dokumentierte den Grundstücksverkauf vom Herzoglich-Anhaltischen Fiskus an die Gebrüder Gotthard, Friedrich und Wilhelm Sachsenberg.
Schiffswerft der Gebrüder Sachsenberg
Die drei stecken den Claim ab für ihre Schiffswerft. Die entsteht nun auf einem Areal von zwei Morgen und 82 Quadratruten Wiesenland sowie einem Morgen und 106 Quadratruten im Weidenheger (in Summe etwa 120.000 m²) Zu zahlen in zwei Raten; zunächst mit 500 Reichstalern und 18 Silbergroschen und sechs Monate darauf mit 5 Prozent Zinsaufschlag nochmal mit 308 Reichstalern und drei Silbergroschen. Im September 1866 wurde sie dann eröffnet: Die Schiffswerft Roßlau der Gebrüder Sachsenberg.
„Seitdem hänge ich an der Werft.“
Von den 150 Firmenjahren fast 60 miterlebt hat Hans Friedrich. Und er ist nun mal ausnahmsweise kein waschechter Roßlauer. Geboren 1940 im Thüringischen Weida kam Ftriedrich nach dem Abitur als 18-Jähriger zur Schiffswerft. Der „Stift“ wurde in zwei Lehrjahren „mit prima Ausbildung“ Stahlschiffbauer. „Seitdem hänge ich an der Werft.“ Im Anschluss studierte Hans Friedrich an der Universität Rostock Schiffsmaschinenbau, machte 1961 im WTZ Roßlau - auch das ein Sachsenberg-Nachfolger - ein Praktikum an Motorenprüfständen und kehrte nach Studienabschluss 1964 auf die Werft zurück. Die Bindung an die kleine Stadt an der Mittelelbe gründet sich noch fester an den Betrieb und hört auf den Namen Ingrid. Hans wird Assistent des Technischen Direktors und Ingrid Frau Friedrich.
Die kleinen und die großen Pötte
Die Werft-Geschichte hat Hans Friedrich verinnerlicht. Er hat im Rationalisierungsmittelbau gearbeitet, „in der Abteilung, die von den echten Schiffbauern und Schlossern frech als ’Faultierfarm’ betitelt wurde“, lacht Friedrich heute verschmitzt. Vom Ratiobau ging es zu den Investitionen und zum Verkauf. Die kleinen und die großen Pötte, die am Kilometer 258 vom Stapel liefen - er kennt viele von ihnen bis zur Auslieferung.
Schiffe 82 Meter lang und zwölf Meter breit
Die Firmennamen wechselten mehrfach. Die Vereinigung Volkseigener Werften aus Schwerin wollte Roßlau bei sich haben, gebauso wie die Binnenhäfen Berlin. Von 1970 bis 1990 gab es das Duo der VEB Elbewerften Boizenburg und Roßlau. In diesen Jahrzehnten sind in Roßlau die großen Containerschiffe für Binnenschifffahrt und Küsten in Serienproduktion gegangen: 82 Meter lang und zwölf Meter breit, im Aufbau gleich, im Einsatz variabel.
Schiffssektionen statt ganzer Schiffe
Von 1990 bis 1993 hangelte sich die Werft als Treuhandbetrieb durch. „Gerettet haben uns damals die Aufträge für je 5 Küstenmotorschiffe für die Reedereien Bockstiegel in Emden und Wübbe in Hamburg“, denkt Friedrich mit ernster Miene zurück. Er war damals Personalchef und musste „blaue Briefe“ für Entlassungen unterschreiben. „Das waren sehr viele.“ 1993 lief in Roßlau das letzte Küstenmotorschiff vom Stapel. Mit der Privatisierung durch die Rönner-Gruppe Bremerhaven begann 1994 ein neues Kapitel Werftgeschichte.
Jetzt werden statt kompletter Schiffe in der Werft Schiffssektionen gebaut. Mit Brücken und Kränen ist Roßlau anerkannter Lieferer im schweren Stahlbau.
Sonderausstellung: 150 Jahre Schiffswerft Roßlau, Museum, Clara-Zetkin-Str. 31, Eröffnung: 22. Mai, 10 Uhr