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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Kesselhaus steht unter Dampf

Von THOMAS ALTMANN 11.09.2011, 15:36

DESSAU/MZ. - Das vielleicht ist die inhaltliche Botschaft der Gruppenausstellung, welche Kuratorin Bettina Schröder-Bornkampf am Sonnabend eröffnete. Daniela Hosang spielte Akkordeon, Hans Luck, "Experimente", verfänglich fesselnd, wie ein Lautgedicht auf den morbiden Charme des Ortes.

Das Thema, welches die Arbeiten von 16 Künstlern aus Dessau-Roßlau, zuzüglich dreier Gäste, auf offene Art zusammenführt, lautet diesmal "Schwarz-Weiß"; und vieles liegt dazwischen. Mag sich der kleine Katalogtext lesen wie die kniefällige Eigenmotivation von Heimathistorikern, das Projekt Brau.ART belebt das oft schweigende Umland der kulturellen Leuchttürme der Stadt. Neben dem Maschinenhaus wird nun auch das Kesselhaus bespielt. 1 800 Besucher wurden im letzten Jahr gezählt. Nun sollten auch Förderer ihre Aktivitäten, abgesehen vom Katalog, nicht nur auf gute Gesten beschränken.

Polierte Geschwüre? Weniger, Jürgen Ludwig hat eine ganze Siedlung von Wortspielen gebaut, Kiefernklötzchen mit Spitzdach und Spieltrieb: Armenhaus, Hausschuh, Hauspflaume, ad infinitum. Wie ein Kontrapunkt zu dieser zeichenhaften Eloquenz erscheinen die Großformate des Gastes aus Klagenfurt, GAPasterk, der jenseits der Lesbarkeit Kalligrafien des Verklingens anstimmt, auf visuelle Konsonanten der Buchstaben und auf abstraktes Vokabular setzt.

"Morgen gehen wir auch fort!": Auf einem Dreifuß rezitiert die Büste der Schauspielerin Annekathrin Bürger Textfragmente der Frau Dopf in Frank Castorfs Inszenierung "Nord" nach Louis-Ferdinand Célines Roman über einen Kollaborateur im untergehenden Dritten Reich. Seidenpapierkleid mit Text und Spuren der Geschichte im alternden Gesicht, erzählend weich. Sonst formt Bildhauerin Christine Rammelt-Hadelich Parodien und Metamorphosen. Olaf Rammelt montiert eine klare, erbrechende Botschaft zum Medienkonsum und arrangiert in Schwarz und Weiß den Untergang einer verlogenen Gesellschaft zum Posaunenschall aus Jericho. Henriette Rammelts fotografische Inszenierungen, zuweilen auch als Sequenz angelegt, erscheinen wie Ausschnitte aus Filmen, die weiter laufen. Schön, der Makel auf der Haut.

Angstspeichel im schreienden Mundwinkel: Oliver Prill setzt Take auf Take Hitchcocks "Psycho" als Bildgeschichte um, sogar mit Unschärfen in der Tiefe. Fotograf Thomas Ruttke hat die Hand eines Bassisten getroffen, porentief mit ausgefranstem Fingertape. Der Rhythmus klingt nach Rauch und Abschied. Lots Frau erstarrt, wie aus dem Steinbruch gefallen, zur Betonsäule und macht Franziska Bilharz zur stillen Schattenmalerin. Unerhört lichttrunken zielt Michael Zabels Bogenschütze auf seinen entfärbten Widerpart. Wildwuchs beinah, die Architekturfragmente von Fred Giese spielen mit Licht. Konturen neben Konturen öffnet und umreißt Angela Günther Körper. Ohne Namen, mit Fußfessel bindet Hendrik Siewert ein Stück Mooreiche, ewig gefangen, ewig ertragend. Olivia Seipelt und die Farbe fließt, und Sebastian Kaps, Face ll Face, Marion Münzberg, Monika Ratzka, Sylke Dallach und Gabi Rets aus den Niederlanden, deren Trickfilme schon besprochen sind.