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Interview mit Björn Casapietra Interview mit Björn Casapietra: "Freche Schnauze"

24.09.2014, 15:39
Er begeistert vor allem die Frauen. Aber auch die Männer sollen durchaus das eine oder andere Lied mögen.
Er begeistert vor allem die Frauen. Aber auch die Männer sollen durchaus das eine oder andere Lied mögen. privat Lizenz

Bitterfeld - In der Stadtkirche wollte Björn Casapietra zum ersten Mal in der Stadt romantische Liebeslieder singen. Doch die „Classic Love Songs“ fallen aus - aus „organisatorischen Gründen“ wurde das Konzert am Samstag kurzfristig abgesagt. Neuer Termin: ein Jahr später, am 19. September 2015. Mit welchem Programm, steht noch nicht fest. Wer trotzdem in diesem Jahr ein Konzert mit Casapietra erleben will, kann beispielsweise am 27. November in Weißenfels zum Auftakt der Weihnachtstournee dabei sein. Im Interview mit MZ-Redakteurin Lisa Garn spricht er über die Gründe der Absage, Bilder von Bitterfeld und warum er den Vorwurf von Schnulzigkeit überhaupt nicht nachvollziehen kann.

Was heißt denn „organisatorische Gründe? Zu wenig Karten verkauft?

Björn Casapietra: Überhaupt nicht. Und es tut mir auch sehr leid, dass das die Absage nun so kurzfristig ist. Aber ich habe Studio-Termine für meine neue CD. Und die sind nun ausgerechnet und unvorhergesehen schon ab dieser Woche. Das konnten wir leider absolut nicht verschieben. Diese CD liegt mir sehr am Herzen.

Warum wollten Sie in Bitterfeld singen? Die Region haben Sie ja noch nie beehrt.

Casapietra: Wir waren vor allem in Städten der Umgebung, in Dessau zum Beispiel. Da sind wir in der ausverkauften Marienkirche aufgetreten, auch in Leipzig und Dresden hatten wir Erfolg. Und wir sind darauf gekommen, dass wir noch nie in Bitterfeld waren. Es wird also Zeit.

Welche Assoziationen haben Sie zur Stadt?

Casapietra: Aus DDR-Zeiten ist mir noch vage etwas in Erinnerung, Chemiestadt und so. Und mit der Klasse war ich mal dort. Da weiß ich nur, dass man dachte: Da müsste mal was gemacht werden. Aber ich fand das immer sehr inte-ressant und weiß, dass sich die Stadt verändert hat. Ich bin immer noch neugierig, inwiefern.

Hätten Sie denn 2015 überhaupt Zeit, sich Bitterfeld anzusehen?

Casapietra: Das mache ich grundsätzlich. Bevor ich in die Maske gehe und vor dem Auftritt bin ich in den Städten unterwegs, in denen ich auftrete.

Ihr aktuelles Programm heißt „Classic Love Songs“ und bietet romantische Liebeslieder. Sind Sie manchmal melancholisch?

Casapietra: Ich würde eher sagen, ich bin sehr romantisch veranlagt. Das sind sicher auch meine italienischen Wurzeln. Ich mag gutes Essen, die Romantik, Mystik.

Was verbinden Sie denn mit diesen Begriffen?

Casapietra: Das hat weniger etwas mit Sonnenaufgängen zu tun oder dem Mond, die man sich ansieht. Für mich bedeutet es, für jemanden da sein, ehrlich sein, offen und liebevoll. Mit Mystik meine ich Herr der Ringe, Fantasy-Romane, Schottland und Irland, keltische Lieder. Das ist ein gewisser Eskapismus, den ich damit verbinde. Man kann aus der Realität in eine Traumwelt gleiten. Im Übrigen ist es genau das, was ich auch dem Publikum in Bitterfeld bieten wollte bzw. werde.

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Das Publikum sollte sich bei Ihnen also auf einen sehr ruhigen Abend einstellen?

Casapietra: Einschlafen werden sie auf jeden Fall nicht. Ich bin Tenor und stehe mit einer Pianistin auf der Bühne. Da werde ich natürlich keine Rock-Lieder singen. Mein aktuelles Programm, die „Classic Love Songs“ , sind eine Mischung aus sehr schwungvollen Liedern und melancholisch-romantischen. Neben „O sole mio“ und „Granada“ singe ich auch „Hallelujah“ von Leonard Cohen oder eine italienische Adaption von „Als ich fortging“. Auch Filmmusik wie „Jerusalem of Gold“ aus Schindlers Liste.

Und zwischen den Liedern ... ?

Casapietra: Meine freche Schnauze ist natürlich dabei, die bringe ich immer mit auf die Bühne. Ich will nicht nur, dass das Publikum mitsingt, sondern es auch zum Lachen bringen. Die Zuhörer sollen für zweieinhalb Stunden ihre Sorgen vergessen. Ich möchte sie in ihren Herzen berühren.

Es sitzen vor allem Frauen in den Reihen, oder?

Casapietra: Ja, auf jeden Fall. Männer kommen aber auch mit. Die freuen sich bei den spanischen Liedern oder bei ’O sole mio’.

Können Sie damit leben, wenn man Ihre Musik mitunter als schnulzig bezeichnet?

Casapietra: Ich sehe das überhaupt nicht so. Wer ein ruhiges und verstaubtes Klassik-Konzert will, der ist bei mir falsch. Ich will Freude bringen und Glück. Es ist authentische Musik, die auch mit einem Augenzwinkern daher kommt. Und es sind wunderschöne Lieder.

Sie sind in Genua geboren, aber in Ostdeutschland aufgewachsen. Fühlen Sie sich als Ossi oder Italiener?

Casapietra: Ich fühle mich als italienischer Ossi. Meine Mutter ist Italienerin. Sie ist aus Liebe zu meinem Vater, einem Dresdener, in die DDR gezogen. Zur Welt gebracht hat sie mich aber in Italien. Im Osten war ich Italiener. Und ich war durchaus auch privilegiert, indem ich über die Grenze konnte. Auch heute bin ich immer wieder in Italien. Dort habe ich allein 15 Cousins und Cousinen. Ich glaube aber, dass es eher zutrifft, wenn ich sage: Ich bin ein Europäer.

Trotzdem: Was ist das denn für Sie, das Ossi-Sein?

Casapietra: Ich bin im Osten sozialisiert worden, fühle als Ossi, habe diese Brüche miterlebt. Den Sozialismus, der im Sterben lag, die Stille der Menschen. Es gibt diese schöne Zeile aus Dirk Michaelis Lied „Als ich fortging“: „Feuer brennt nieder, wenn’s keiner mehr nährt“.

Klingt traurig ...

Casapietra: Der Sozialismus war eine Scheinwelt, er hatte keine Chance. Eine gute Idee, aber in der Realität nicht umsetzbar. Es gibt dennoch sehr viele positive Dinge, die ich mit der DDR verbinde: Zusammenhalt, Familie.

Sie versuchten sich in Berufen wie Beleuchter und Wirtschaftskaufmann. Warum wurde das nichts?

Casapietra: Weil es nicht mein Ding war. Ich kann gut improvisieren und fühle mich auf der Bühne wohl. Und Gesang macht mich einfach glücklich. Auch in schwierigen Situationen hilft Singen. Und es gibt Selbstvertrauen, etwas zu tun, was man gut kann.

Gekaufte Tickets behalten ihre Gültigkeit oder können an den Vorverkaufsstellen zurück gegeben werden. (mz)