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113 Jahre in Autos vernarrt

Von Ulf Rostalsky 01.01.2007, 16:38

Bitterfeld/MZ. - Er führt derzeit die Geschäfte der Firma, die mittlerweile zum Autohaus Bunge geworden und die älteste Karosseriewerkstatt der Kreisstadt ist. Sein Schwager, fügt er hinzu, ist gesundheitlich angeschlagen und deshalb selbst nicht mehr aktiv. Dass allein deshalb das Jubiläum nicht gefeiert wurde, will er nicht bestätigen. "An so etwas haben wir gar nicht gedacht." Im Handwerk, erzählt Zibuna, würden ganz andere Dinge zählen: Meisterjubiläen, Firmengründungen. Und letztlich sei es ja in der heutigen Zeit schon Grund genug zur Freude, wenn ein kleiner Betrieb wie der der Familie Bunge solide weiter bestehen würde.

Im November 1893 wurde das Unternehmen in der Bitterfelder Mittelstraße gegründet - von Wilhelm Bunge. Der war Stellmacher- und Wagenbaumeister und hatte damals wohl kaum gedacht, dass in seiner Werkstatt irgendwann einmal PS-starke Mobile der Marke Citroen gewartet und im neuen Verkaufsraum in der Bismarckstraße verkauft werden würden. "Woher denn", fragt Horst Zibuna. Tatsächlich steckte das Automobil damals ja noch in den Kinderschuhen. Doch Fahrzeuge bestimmten das Leben in der Werkstatt der Familie Bunge immer.

Da war und ist das große Faible für französische Autos. "Vielleicht deshalb, weil wir Verwandte in Frankreich haben", glaubt der Werkstattleiter und zeigt voller Stolz, was sich im Laufe der Jahrzehnte an sel

tenen Modellen angesammelt hat. Neben den betagten und sanierungsbedürftigen Citroen aus dem

Jahr 1938 - "Wenn Zeit ist, wollen wir die wieder aufbauen." - finden sich weitere Raritäten. Ein Citroen, von dem es in der DDR nur vier Stück gab. "Honecker, Stoph, Sindermann und Opernsänger Schreier hatten einen. Vom Opernsänger haben wir das Auto gekauft. Den kannten wir, dessen Autos haben wir immer repariert", erinnert sich Horst Zibuna.

Stolz ist er auch auf das Flaggschiff des französischen Autobauers: Ein Coupe mit Maserati-Motor, Kurvenlicht und Klimaanlage. "40 Jahre alt, und schon damals alles drin." Erinnerung an vergangene Zeiten ist haften geblieben im Autohaus Bunge. Heute sind dort vier Mitarbeiter beschäftigt. "Wir waren auch mal 15 bis 20 Leute", sagt Zibuna. Damals, in den 50er Jahren, als er bei Walter Bunge senior nicht nur den Karosseriebau lernte. Er verliebte sich in die Tochter des Hauses, heiratete sie. "Was haben wir alles erlebt", sagt er mit einem Lächeln auf den Lippen.

Nicht nur, dass zu DDR-Zeiten so ziemlich alle Pkw-Modelle in der Werkstatt standen, ausgebeult oder ein neues Blechkleid verpasst bekamen. In der Werkstatt Bunge wurden über Jahrzehnte Pkw und Busse komplettiert. Fahrgestelle und Bleche wurden geliefert, Rahmen gebaut. Am Ende rollten renommierte Marken vom Hof: Horch und Auto-Union zum Beispiel. "Schwer vorstellbar", weiß auch Horst Zibuna. "Aber so war das tatsächlich einmal."