1. MZ.de
  2. >
  3. Varia
  4. >
  5. Markus Wolf: Markus Wolf: Freunde sterben nicht - aber Feinde

Markus Wolf Markus Wolf: Freunde sterben nicht - aber Feinde

Von Jutta Schütz 22.08.2002, 07:59
Markus Wolf (Foto: MZ-Archiv)
Markus Wolf (Foto: MZ-Archiv) dpa

Berlin/dpa. - Vor demVeranstaltungszelt protestieren ein paar SED-Opfer verloren gegen denöffentlichen Auftritt des früheren Stasi-Generals.

Mit dem Buch hat der schriftstellernde Ex-Geheimdienstler den«Soldaten an der unsichtbaren Front» ein Denkmal gesetzt. Seineneigenen Anteil als Chefaufklärer im Stasi-Ministerium an der ofterfolgreichen Arbeit der Kundschafter hat er mit verarbeitet. DerSohn des jüdischen Arztes, Dramatikers und Kommunisten Friedrich Wolfbeschreibt Begegnungen mit deutschen, russischen und amerikanischenAgenten und Weggefährten. Ihm sei es wichtig, dass sie sich nicht als«vergessene Soldaten» fühlen müssten.

Persönliche Freundschaften zählen, meint Wolf. Die seien auchdurch seine Arbeit als Geheimdienstchef nicht schwerer geworden. Ihmsei Vertrauen wichtig, erzählt er. «Nur Mielke hat sich ja selbstnicht getraut.»

Warum der langjährige Vertreter von Stasi-Chef Erich Mielke trotzZweifeln und Kritik an den DDR-Oberen sein Amt nicht schon früheraufgegeben habe, fragt die Moderatorin. «Das ist eine Frage derpolitischen Erziehung gewesen», entgegnet Wolf. Da habe man eineAufgabe nicht so hingeschmissen. Und die sei ja auch berechtigtgewesen. Im Buch hebt Wolf seine kritische Haltung hervor und geißelt«die starrsinnigen Ignoranten» in der SED-Spitze.

Wolf stößt bei den mehr als 200 Zuhörern auf Interesse. Als ersein Buch signiert, bildet sich eine lange Schlange in dem stickigenZelt. Eine Verkäuferin vom Kulturkaufhaus Dussmann sagt, einensolchen Run auf das Buch habe sie nicht erwartet. Es verkaufe sichgut.

In «Freunde sterben nicht» findet sich auch ein Porträt vonJohanna alias Sonja Lüneburg. Die Agentin hatte sich bis in die FDP-Zentrale vorgearbeitet und aus Bonn und Brüssel über Jahre geheimeInformationen nach Ost-Berlin geliefert. Heute gehöre sie zur Familieund betreue gelegentlich die Katze der Wolfs. Mit Bewunderungschreibt ihr einstiger Chef, wie seine Spitzenagentin nach der Wendein ihrem Prozess stets das «Gefühl innerer Überlegenheit» gehabthabe.

Auch Markus Wolf stand nach der Wiedervereinigung vor Gericht. EinUrteil über sechs Jahre Haft wegen Landesverrats wurde aufgehoben.Die «graue Eminenz der Spionagewelt» wurde in einem anderen Prozesszu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Die Vergangenheit erscheint offenbar in immer milderem Licht beiWolf. Dass er bei der größten Wende-Demonstration auf dem BerlinerAlexanderplatz gnadenlos ausgepfiffen wurde, sei nicht gegen ihnpersönlich gerichtet gewesen, meint er an diesem Abend. Er wolltedoch eine reformierbare DDR. Bis heute habe er sich die Freiheitbewahrt, nach seinen Wertvorstellungen zu leben, heißt es im Buch.«Freunde sterben nicht, aber Feinde Gott sei Dank», sagt der Ex-Geheimdienstler unter Beifall.

(Verlag Das Neue Berlin, ISBN 3-360-00983-5,17,50 Euro)