Nutzungsfrage Streit über Goebbels Villa: Bürgermeister kritisiert Senator
Was soll aus dem verfallenen Areal mit einer alten NS-Villa werden? Berlins Finanzsenator will das Gelände in Wandlitz notfalls verschenken - das schürt beim Bürgermeister Befürchtungen.
Wandlitz - Die Gemeinde Wandlitz befürchtet die Ansiedlung rechter Ideologen auf dem Gelände der ehemaligen Villa von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels, falls das Areal am Bogensee tatsächlich verschenkt werden sollte. Diese Idee hatte Berlins Finanzsenator Stefan Evers vergangene Woche in den Raum gestellt. „Ich habe für solche Aussagen kein Verständnis“, sagte der Wandlitzer Bürgermeister Oliver Borchert (Freie Bürgergemeinschaft Wandlitz) im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
Bürgermeister: Äußerung des Finanzsenators „äußerst unglücklich“
Evers' Äußerungen im Abgeordnetenhaus würden der historischen Bedeutung nicht gerecht und seien schädlich für die Liegenschaft. Vor Jahren habe unter anderem bereits das „Königreich Deutschland“ versucht, dort Fuß zu fassen. Der Verfassungsschutz rechnet die Gruppierung dem sogenannten Reichsbürger-Milieu zu. „Was ich nicht gerne sehen würde, dass das Land Berlin das Areal an irgendeinen Privaten verschenkt, der dann ideologische Ziele mit der Liegenschaft verfolgt“, kritisierte Borchert. „Vor diesem Hintergrund ist die Äußerung von Evers äußert unglücklich.“
Das Areal gehört dem Land Berlin. Der Finanzsenator hatte gesagt: „Ich biete jedem an, der das Gelände übernehmen möchte, es geschenkt vom Land Berlin zu übernehmen.“ Bisher seien indes weder die Kommune Wandlitz noch das Land Brandenburg oder der Bund an einem solchen „großzügigen Geschenk“ interessiert gewesen. Die Hauptstadt werde sich zielführenden konzeptionellen Überlegungen nicht verschließen, wenn sie im Interesse der Stadt lägen und der vielschichtigen historischen Bedeutung des Areals gerecht würden. „Sollte das aber einmal mehr ins Leere führen wie in den vergangenen Jahrzehnten, dann hat das Land Berlin keine andere Möglichkeit, als so den Abriss zu vollziehen, wie er jetzt vorbereitet und von uns adressiert ist“, sagte Evers.
Das Bundesbauministerium teilte am Freitag mit: „Wir sind aktuell in Gesprächen mit den beteiligten Akteuren zu einer möglichen Weiterentwicklung des Areals. Zu den aktuellen Äußerungen des Finanzsenators nehmen wir keine Stellung.“
Auf dem rund 17 Hektar großen Areal in einem Wald nordöstlich von Berlin hatte sich Goebbels ein Landhaus bauen lassen. Zu DDR-Zeiten gab es dort eine Jugendhochschule der Freien Deutschen Jugend (FDJ). Seit dem Jahr 2000 ist das Areal ungenutzt und verfällt.
Antrag auf Fördergeld ist gestellt
Der Landkreis Barnim und die Gemeinde wollen einen Abriss verhindern und künftige Nutzungsmöglichkeiten ausloten. „Eine Vernichtung solcher geschichtlichen Zeugnisse steht unserer Gesellschaft nicht gut zu Buche“, so Borchert. Die Gemeinde Wandlitz, auf deren Gebiet das Gelände am Bogensee liegt, hat jetzt nach eigenen Angaben einen Antrag auf Fördergeld aus dem Programm „Nationale Projekte des Städtebaus“ gestellt. Dabei geht es in diesem Jahr um Vorhaben, die vor allem die Demokratiebildung fördern sollen. Dafür sei das Gelände genau der richtige Ort, sagte der Bürgermeister. Er nannte nach einer bislang vorsichtigen Schätzung eine Summe von 500.000 bis 600.+000 Euro an benötigten Fördermitteln.
Die Gemeinde will ein Konzept zur Weiternutzung entwickeln. „Wir haben einen weiten Fokus, den wir uns vorstellen können.“ Dabei nennt Bürgermeister Borchert unter anderem ein „Zentrum für Resilienzforschung für die Demokratie“ sowie einen Hochschul-Campus, eine Reha-Klinik, eine Hotelnutzung oder eine Bundesbehörde als einige Überlegungen.
Doch in welche Richtung eine Entwicklung des Geländes in einigen Jahren wirklich gehen kann, ist unklar. „Es gibt ganz viele Fragen zu klären. Wir stehen am Anfang des Prozesses“, sagte Borchert.
Mitte Mai stehe ein Beratungstermin mit der zuständigen Berliner Immobilienmanagementgesellschaft an. Geplant ist zunächst auch eine Zwischennutzung. So war dafür eine Übungsstätte für die Bundespolizei im Gespräch, die Landkreis und Gemeinde aber ablehnen. Das Gelände am Bogensee sei doch keine „Fighting City“ mit Gebäuden für den Häuserkampf, sagte Bürgermeister Borchert.