Spanien Spanien: Stierkampf steckt in einer Krise

Madrid/dpa. - SeitJahrzehnten laufen die Tierschützer innerhalb und außerhalb SpaniensSturm gegen die «Corrida», verurteilen das Schauspiel alsTierquälerei und verlangen ein Verbot. Sie stießen damit jedoch stetsauf taube Ohren. Daran dürfte sich vorerst wenig ändern, denn dieForderung nach einem Verbot hat in Spanien keine Aussicht auf Erfolg.
Dem Stierkampf droht jedoch von anderer Seite Gefahr. Die Spanierverlieren allmählich das Interesse an dieser Jahrhunderte altenTradition. In einer Umfrage erklärten 72 Prozent der Befragten, derStierkampf interessiere sie nicht im geringsten. Nicht einmal achtProzent bekundeten ein «großes Interesse». Die Zahl der Spanier, dievon dem Spektakel nichts wissen wollen, steigt seit Jahrenkontinuierlich. 1971 waren es 43 und 1993 schon 61 Prozent.
Besonders ausgeprägt ist das Desinteresse bei Frauen und beijungen Leuten. Fast 79 Prozent der Frauen und 82 Prozent der Spanierzwischen 15 und 24 Jahren erklärten, sie hätten nicht das geringsteInteresse. Der Stierkampf läuft Gefahr, zunehmend zu einem«Rentnervergnügen» zu werden. Bei den meisten Corridas ist der Anteilälterer Männer unter den Zuschauern auffallend hoch.
Dabei hatte es vor zehn Jahren noch so ausgesehen, als hielte einfrischer Wind in den spanischen Arenen Einzug. Eine neue Generationjunger Toreros versah den Stierkampf mit Show-Elementen undverwandelten das eigentlich todernste Schauspiel in eine Art Zirkus.Der Matador Jesulín de Ubrique stieg gar zu einem «Popstar» desStierkampfes auf, dem weibliche Fans ihre BHs und Seidenhöschen vonden Rängen zuwarfen. Er gab sogar drei Corridas ausschließlich fürweibliche Zuschauer.
Der neue Modetrend ist jedoch längst ausgeklungen. Jesulín deUbrique beendete soeben seine Karriere - sehr zur Erleichterung derStierkampf-Puristen, die für neumodische Mätzchen in der Arena nieetwas übrig hatten und darauf bestanden, dass der Torero dem Stiermit Respekt zu begegnen habe.
Pro Jahr werden in spanischen Arenen in rund 2000 Kämpfen 12 000Stiere getötet. Die Branche beschäftigt 200 000 Menschen und setzt imJahr 1,5 Milliarden Euro um. Aber wirklich reich wird davon kaumjemand - außer ein paar Star-Toreros, die pro Kampf 120 000 Euro undim Jahr so viel wie Fußballstars verdienen. Ein wirklich lohnendesGeschäft ist der Stierkampf nicht, zumal auch das Fleisch dergetöteten Tiere bei den Verbrauchern nicht besonders begehrt ist. DieKampfstiere haben nämlich ein längeres Leben als die Mastrinder, undihr Fleisch ist daher weniger zart.
Die Stierkämpfe werden etwa zu einem Drittel der Kosten von denStädten und Gemeinden subventioniert. In Barcelona, der zweitgrößtenStadt Spaniens, sollen ab 2008 überhaupt keine Stierkämpfe mehrstattfinden. Der Betreiber der Arena «La Monumental» will nach derSaison 2007 aufgeben, weil das Geschäft sich nicht mehr lohnt.