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Ostalgie Ostalgie: DDR-Blechbüchse wird zum Kassenschlager

04.11.2003, 10:30
Buchhaendlerin Petra Schmidt praesentiert in der Thalia-Buchhandlung in Halle die so genannte DDR-Box des Eulenspiegelverlages. Die Metalldose enthält unter anderem den Nachdruck einer Ausgabe der Tageszeitung «Neues Deutschland», eine Stange Pfeffi-Bonbon, ein Einkaufsnetz sowie einen Zahnputz- und einen Eierbecher: (Foto: ddp)
Buchhaendlerin Petra Schmidt praesentiert in der Thalia-Buchhandlung in Halle die so genannte DDR-Box des Eulenspiegelverlages. Die Metalldose enthält unter anderem den Nachdruck einer Ausgabe der Tageszeitung «Neues Deutschland», eine Stange Pfeffi-Bonbon, ein Einkaufsnetz sowie einen Zahnputz- und einen Eierbecher: (Foto: ddp) ddp

Magdeburg/ddp. - Den Osten gibt es seit wenigen Wochen auf ganzen 0,05 Quadratmetern. Ein wenig erinnert die «DDR-Box» an eine Keksdose, doch weit gefehlt. Sigmund Jähn, Sandmännchen, Täve und DEFA-Chefindianer Gojko Mitic schmücken die Hülle ebenso wie das Leipziger Messemännchen, Bino-Würze und ein Plakat zum 1. Mai. Zehn nützliche Einzelteile «für die immer bessere Versorgung der Bevölkerung» finden sich im Inneren - Ostalgie pur und kein Ladenhüter. Der Berliner Eulenspiegel Verlag kann die Nachfrage kaum stillen.

Fast 30 000 Exemplare wanderten mittlerweile über die Ladentische. «Die ersten zwei Auflagen gingen weg wie warme Ostbrötchen», freut sich Pressesprecherin Nelly Möller. Alle Erwartungen seien weit übertroffen worden.

Nach dem Öffnen des Deckels strömt ein altbekannter Geruch durch die Nase. «Pfeffi» entfährt es dem gelernten DDR-Bürger. Die kleine Stange, in den 50er Jahren kreiert, erlebte 1998 eine Wiedergeburt und kommt heute aus Beucha bei Leipzig. Gleich daneben liegt - nur als Teil der zweiten Auflage - 150 Gramm feinster «Mocca-Fix» aus der Röstfein Kaffee GmbH Magdeburg. Er verdankt seinen Platz einem Mangel.

Die in vielen Kämpfen um Rotkohl, Mehrfruchtwein, Rouladenfleisch und Südfrüchte bewährten Mini-Netze kann die Thüringer Filetstrickerei GmbH aus Schleusingen zur Zeit nicht liefern. «Das ist ja wie früher», entfährt es dem Ostdeutschen. Firmenchefin Käthe Edelmann dämpft den Pessimismus. «Keine Sorge, es soll Nachschub geben», versichert sie. Nicht nur in der DDR-Box, sondern auch in normalen Geschäften. Die Nachfrage ist da und der fast 100 Jahre alte Betrieb reagiert darauf. Etliche hunderttausend Netze gingen einst an den sozialistischen Handel. Heute wie einst erfolgt die Endfertigung in Heimarbeit.

Ein weiteres Ost-Box-Utensil ist der Klappbecher. Ob in Unterrichtspausen oder beim Wandern, er war einfach ungemein praktisch. Nach dem erfrischenden Schluck schrumpfte das gute Stück zusammen und nahm wenig Platz weg. Geschäftsführer Lutz Kimmel von der Sebnitzer Wilhelm Kimmel GmbH freut sich über das unerwartete Comeback. In den 60er Jahren war der Becher im Unternehmen entwickelt worden. Nun soll der Klappbecher wieder in die reguläre Fertigung aufgenommen werden. Die ersten Vorbestellungen lägen vor, sagt Kimmel.

Des weiteren findet sich in der Ostkiste der Design-Preis-verdächtige Eierbecher Marke Huhn. Einen besonderen Auftritt in der Firma erlaubt der Büroleim mit dem schmucken Pinsel aus den Dresdner Barock-Werken. Wer Lust hat, studiert die zehn Gebote der sozialistischen Moral und hält sich daran. Das Traumauto Marke «Trabant» kann als echte Pappe gebastelt werden. Das «Kleine DDR-Buch» ersetzte Heinz Jankofskys Personalausweis «Der Schein fürs Sein». Eine Ehrenurkunde wartet nur noch auf den Namen des Geehrten, ein «Neues Deutschland» vermeldet originale Nachrichten aus 40 Jahren DDR. Die dritte Box-Auflage bringt Neuheiten. Statt Leim und Kaffee kommen ein alter, neuer Sozialversicherungs-Ausweis ins Kistchen sowie eine CD mit dem Titel «Die Schalmei hat immer recht».