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Mathematik Mathematik: Wie man die 13. Wurzel aus einer Zahl mit 100 Stellen zieht

Von Julia Ranniko 24.11.2004, 10:24
Weltmeisterschaft im Kopfrechnen (Archivfoto: dpa)
Weltmeisterschaft im Kopfrechnen (Archivfoto: dpa) dpa

Gießen/dpa. - Beim Warmrechnen wirkt Gert Mittring noch ein wenig verkrampft. «Weil ich hier auf Geschwindigkeit rechne, erhöht sichnatürlich die Wahrscheinlichkeit eines Irrtums», wappnet sich der 38-Jährige für einen möglichen Fehlschlag. Die Generalprobe geht prompt daneben, der Rechenkünstler aus Bonn verrechnet sich. Doch als es ernst wird, klappt alles reibungslos: In 11,8 Sekunden zieht Mittring am Dienstagabend im Gießener Museum «Mathematikum» die 13. Wurzel aus einer zufällig ausgewählten 100-stelligen Zahl - ein neuer Weltrekord.

Allein um eine solche Zahlenkolonne zu tippen, sagt MuseumsleiterProf. Albrecht Beutelspacher, brauche man mindestens 15 Sekunden.Mittring aber führt in dieser kurzen Zeitspanne hochkomplexemathematische Operationen durch - im Kopf, ohne Taschenrechner odersonstige Hilfsmittel. Denn die 13. Wurzel zu ziehen heißt, die Zahlzu finden, die 13 Mal mit sich selbst multipliziert die vorgegebene100-stellige Zahl ergibt. Mit dem Rekord hat Mittring die Bestmarkedes Franzosen Alexis Lemaire von 13,55 Sekunden geknackt - und dieeigene Bestzeit um fast eine halbe Minute unterboten.

«Ich bin sprachlos, dass ein Mensch so etwas kann», sagt der 23Jahre alte Mathe-Student Christian Rehn. Auch eine 16-Jährige - mitihrer Schulklasse aus Wiesbaden angereist - ist verblüfft, «wieschnell der rechnen kann». Dass gerade die 13. Wurzel gezogen wird,erklärt Beutelspacher mit einer besonderen Eigenschaft: Im Gegensatzzu anderen Wurzelaufgaben sind die Endziffern von gesuchter undvorgegebener Zahl immer identisch. Mittrings Weltrekordlösung - 47 941 071 - endet ebenso wie die 100-stellige Zahl mit einereins. Die Antwort lässt sich zudem auf eine Größenordnung zwischen 40und 50 Millionen eingrenzen. Als der Computer die Zahlenreiheausspuckt und auf eine Leinwand projiziert, bleibt dennoch vielSpielraum für Fehler. Gleich zwei Mal bleibt der Blitzrechner aberunter der Schallgrenze von 13,55 Sekunden.

Während Mittring beim Rekordversuch zumindest einige Sekundenlang hoch konzentriert vor sich hinmurmelt, löst er Multiplikationenwie «3545 mal 4587» in Null-Komma-nichts - als ob es eine Aufgabe vomTyp «3 mal 2» sei. Scheinbar mühelos bestimmt er auch Wochentage(«Der 18. Juni 2060 ist ein Freitag») und füllt «magische Quadrate»aus - Zahlenfelder, bei denen die Addition jeder Zahlenreihe dieselbeSumme ergibt. Der Informatiker mit zwei Doktortiteln in Pädagogik undPsychologie ist hoch begabt, sein Intelligenzquotient liegt nacheigenen Angaben bei 145. Normal sind Werte zwischen 90 und 110.

Die Wurzel des Erfolgs ist für den 38-Jährigen die Leichtigkeit,die er seit Kindesbeinen im Umgang mit Zahlen hat. Sein einzigerTrick, um insgesamt 25 Weltrekorde im Kopfrechnen aufzustellen: Erversuche, Lösungen abzuschätzen und Rechenmethoden zu vereinfachen -Training sei daher kaum nötig. Die Formeln allerdings, die Mittringals Beispiel für einen eleganten Lösungsweg aufmalt, können wohl nurwenige der gut 160 Zuschauer in Gießen nachvollziehen. Auch ehemaligeLehrer dürften über seine Rechenkünste staunen: Denn der Mann, dersich heute mit Algorithmen für die Weltraumforschung beschäftigt,fühlte sich in der Schule unterfordert - und schrieb im Mathe-Abitur«eine glatte Fünf».