Gesundheit Wie Rot-Grün den Ärztemangel stoppen will
250 Hausärzte fehlen in Niedersachsen - und die Lage droht sich weiter zu verschärfen. Ein Zehn-Punkte-Plan des Landes soll Abhilfe schaffen.

Hannover - Mehr Studienplätze, neue Förderprogramme und Entlastung bei der Arbeit: Niedersachsens Landesregierung will dem Mangel an Hausärzten mit einem Zehn-Punkte-Plan entgegenwirken. „Hausärzte sind das Rückgrat der Versorgung“, betonte Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD). Es brauche mehr Generalisten, die entscheiden, wie und wo die Behandlungen am erfolgreichsten und effizientesten erfolgen können.
Das Problem: Die Ausbildung zum Hausarzt dauert mindestens elf Jahre - sechs im Studium und fünf in der Weiterbildung. Bis sich neue Maßnahmen zur Gewinnung neuer Ärzte auszahlen, gehen also viele Jahre ins Land.
Status Quo: Hunderte Hausarzt-Sitze sind unbesetzt
Stand jetzt arbeiten in Niedersachsen rund 5.200 Hausärztinnen und Hausärzte. Für eine hundertprozentige Versorgung fehlen damit 250 Ärzte, wie die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) mitteilte. Eine Zulassung könnten laut Bedarfsplanung sogar noch 577 Hausärzte erhalten. Zum Vergleich: Im Juli 2023 waren erst 523 Hausarztpraxen unbesetzt.
Der Mangel könnte sich in den nächsten Jahren noch deutlich verschärfen. Denn: Die heute aktiven Ärzte sind im Schnitt rund 56 Jahre alt - und 70 Prozent sind bereits älter als 50 Jahre. Gleichzeitig steigen junge Ärzte häufig in Teilzeit in den Beruf ein. Für jeden ausscheidenden Arzt würden daher rechnerisch 1,6 neue Ärzte benötigt, erklärt die KVN. Parallel dazu führt die Alterung der Gesellschaft dazu, dass der Behandlungsbedarf steigt.
Das sieht der Zehn-Punkte-Plan vor
Die Landesregierung sieht mehrere Stellschrauben, um die hausärztliche Versorgung trotz dieser Herausforderungen zu sichern. Die Kernpunkte sind:
- Studienplätze: Aktuell gibt es landesweit 791 Plätze für Studienanfänger im Fach Humanmedizin. Zum Wintersemester 2026/27 kommen 80 weitere an der European Medical School in Oldenburg hinzu. Eine Erhöhung um jeweils weitere 50 Plätze in Oldenburg, Hannover und Göttingen strebt das Land an - doch noch fehle dafür das Geld, sagt Wissenschaftsminister Falko Mohrs (SPD): „Sobald es finanziell darstellbar ist, wollen wir auch hier den nächsten Schritt gehen über alle drei Standorte.“
- Landarztquote: Ende 2023 haben die ersten Studierenden das Medizinstudium aufgenommen, denen der Zugang dazu erleichtert wurde, weil sie sich im Gegenzug verpflichtet haben, später zehn Jahre lang als Hausarzt in einer Region mit zu wenigen Ärzten zu arbeiten. Hierfür sei das Auswahlverfahren verbessert worden, sodass alle Studienplätze auch besetzt werden konnten. Im ersten Jahr hatten sich von den 60 zugelassenen Bewerbern lediglich 46 dann auch eingeschrieben.
- Mentoring: Wer sich auf Allgemeinmedizin spezialisiert, soll im Studium künftig eine bessere Unterstützung in Form eines Mentorings erhalten. Die Studierenden sollen so frühzeitig gefördert und gezielt auf die Arbeit als Landarzt vorbereitet werden.
- Förderung: Wer sich im Praxisjahr des Medizinstudiums für die Allgemeinmedizin entscheidet, soll eine monatliche Förderung erhalten - abhängig vom hausärztlichen Versorgungsgrad in der Region. Erwogen wird auch ein Stipendium für angehende Hausärzte, die sich verpflichten, zumindest einige Jahre auf dem Land zu arbeiten - konkret in Vorbereitung ist das aber noch nicht.
- Quereinstieg: Fachärzte, die in die Allgemeinmedizin wechseln wollen, will das Land ebenfalls mit einer Förderung unterstützen. Geplant ist ein Zuschuss des Landes, um die Gehaltseinbußen während der zweijährigen Weiterbildung zumindest teilweise zu kompensieren. Voraussetzung ist, dass die Quereinsteiger sich verpflichten, sich später in einer Gemeinde mit weniger als 30.000 Einwohnern in Niedersachsen niederzulassen.
- Entlastung: Sogenannte Physician Assistants, also medizinische Assistenzkräfte, sollen die Hausärzte in ihrer alltäglichen Arbeit entlasten. Diese gehen in der Regel mit einem Bachelorabschluss in den Beruf und sollen den Ärzten einige Aufgaben abnehmen: etwa Blutdruck messen, Verbände wechseln, Blut abnehmen, Zugänge legen oder Laborbefunde sichten. Das Berufsbild ist noch relativ neu - laut KVN arbeiten bisher schätzungsweise rund 500 Physician Assistants in Niedersachsen, allerdings überwiegend im stationären Bereich.
Finanziell hinterlegt ist der Zehn-Punkte-Plan bisher mit einer Million Euro für das laufende Jahr. Damit sollen unter anderem das Mentoring, die Förderung im Praxisjahr und die Arbeit der Physician Assistants angeschoben werden.
Wo die Ärztinnen und Ärzte fehlen
Besonders viele Hausärzte fehlen den Zahlen der KVN zufolge im Bereich Delmenhorst (24 Praxissitze unbesetzt). Es folgen die Bereiche Salzgitter und Papenburg (jeweils 20), Cloppenburg, die Stadt Wolfsburg und der Bereich Stade (jeweils 17).
Auch Fachärzte fehlten, doch die Versorgung mit Allgemeinmedizinern sei am schlechtesten. Bei den Fachärzten liege der Bedarf, insbesondere bei ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten (in Summe 82), Neurologen und Nervenärzten (30), Kinder- und Jugendärzten (18) sowie Hautärzten (16).
CDU fordert Bürokratieabbau
Der CDU-Landtagsabgeordnete Eike Holsten kritisierte, eine spürbare Entlastung bei bürokratischen Auflagen hätte für die Versorgung einen schnelleren Effekt als Studierende, die frühestens 2030 ihren Medizinabschluss erreichen. „Mittlerweile muss jeder niedergelassene Arzt im Durchschnitt 61 Arbeitstage pro Jahr in administrative Aufgaben investieren. Diese Zeit fehlt für die Patienten“, sagte Holsten.
Der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund reagierte erfreut auf den Zehn-Punkte-Plan, betonte aber, dass das Maßnahmenbündel jetzt auch rasch umgesetzt werden müsse.