"Soll im Heim verrotten" Heiligenstadt: Frau beleidigt behindertes Kind im Landgasthof Lahner

Heiligenstadt - An den 3. Oktober erinnert sich Marcus Müller nicht so gerne. Müller ist Wirt des Landgasthofs Lahner im bayrischen Heiligenstadt und ein sehr offener Mensch. „Bei uns im Lahner ist jeder herzlich willkommen, egal, ob du schwul, lesbisch, schwarz oder weiß bist. Uns ist es egal, ob du dick oder dünn bist, jung oder alt, ob du ein Mensch mit Behinderung oder einfach nur anders bist“, sagt er.
Diese Einstellung teilt nicht jeder seiner Gäste. Vor allem nicht eine Frau, die an besagtem Tag in Müllers Landgasthof zu Gast war. Sie beschwerte sich über den Nebentisch mit einer Familie mit einem behinderten Kind. Es folgten weitere unschöne Pöbeleien. Über den Fall hatte zuerst „nordbayern.de“ berichtet.
Frau hetzt, Behinderte sollen im Heim „verrotten“
Der Chef des Landgasthofs reagiert mit einem langen Post auf Facebook. „Wir kennen die Familie, sie kommen regelmäßig zu uns“, sagt Müller über die Gäste, die für Unmut sorgten. Die erwähnte Frau am Nebentisch war ebenfalls mit ihrer Familie dort. Gut hörbar für das gesamte Umfeld ließ sie verlauten, solche Menschen (Behinderte) sollten kein Recht haben, im Restaurant zu sitzen. Behinderte gehörten in ein Heim, „um dort zu verrotten“.
Obwohl die Bedienung die Worte ebenfalls hörte, konnte sie nicht reagieren. Im Restaurant war zu dem Zeitpunkt Hochbetrieb. Ihrem Chef erzählte sie jedoch später von dem Vorfall. Denn am Abend erhielt Müller eine Mail von einem offenbar kurz zuvor angelegten, anonymen Account.
In dieser hieß es, man solle bitte in Zukunft darauf achten, welche Klientel man sich ins Haus hole. „Wenn sowas öfters da ist, kommen wir nicht wieder“, so der Wortlaut. Der Gasthof-Chef antwortete umgehend, dass er auf sie als Gast getrost verzichten könne.
Er macht seiner Wut auch öffentlich auf Facebook Luft. „Schließlich leben wir in einer Zeit, in der es normal sein sollte, dass Menschen mit Behinderung genauso am Leben teilnehmen können wie jeder andere auch“, sagt Müller „nordbayern.de“. In seinem Post schreibt er unter anderem:
Wenn eine Familie mit einen behinderten Menschen, egal ob jung oder alt, bei uns etwas essen möchte, dann freue ich mich, weil man ihm vielleicht etwas Gutes tun möchte, damit er mal etwas anderes sieht oder isst und wenn dann Menschen kommen und eine Meinung laut äußern, dass solche Menschen kein Recht haben, hier zu sein und lieber in ein Heim gehören, um da zu verrotten, dann krieg´ ich Anfälle der schlimmsten Sorte. Die Frechheit dann noch zu besitzen, mir eine E-Mail zu schreiben mit: 'Man solle doch bitte drauf achten, welches Klientel man sich ins Haus holt, wenn sowas öfters da ist, kommen wir nicht wieder'.... NEIN, Sie brauchen auch nicht wieder kommen, ich schmeiße Sie sowas von raus, das glauben sie mir gar nicht, wenn ich merke, Sie besuchen uns noch einmal. Wir beziehen hier klar Stellung, wer sowas äußert, egal in welchem Bereich, wer irgendein Problem mit einer Personen, die anders ist, hat. Dann bitten wir Sie, gehen sie woanders hin. Lassen Sie uns einfach das etwas ANDERE Haus/Restaurant sein. Ihr anderen, die Ihr anders seid oder einfach normal seid und euch Individualität nicht stört, kommt weiter her zu uns. Ihr seid herzlich willkommen.
Facebook-User wollen zum Essen vorbeikommen
Die Reaktionen auf seinen Post überwältigen Müller. Er sei „richtig platt“ und „absolut begeistert“, sagt der Wirt. Mehr als 23.000 Menschen haben den Post gelikt, mehr als 9.000 haben ihn geteilt. In den über 3.000 Kommentaren gibt es fast nur positive Reaktionen. „Herzlichen Dank für diese Haltung!“, „Ich ziehe meinen Hut“ und „Sehr mutig, sehr klar. Klasse und DANKE dafür!“, heißt es unter anderem.
Einige User kündigen sogar an, dem Landgasthof wegen der tollen Einstellung des Chefs einen Besuch abzustatten. (mah)