Kommunen Flüchtlingsrat: Erstaufnahme für bessere Strukturen nutzen
Hohe Flüchtlingszahlen, kaum Platzangebot: In Thüringen führt das wie andernorts in Deutschland zu überfüllten Unterkünften und Reibereien zwischen Land und Kommunen. Doch wie geht es den Betroffenen?

Erfurt - In der Diskussion um eine neue Landeserstaufnahme mahnt der Flüchtlingsrat an, nicht nur ein neues Gebäude, sondern auch einen anderen Umgang mit Ankommenden zu finden. „Für viele Menschen ist die Zeit in der Erstaufnahme eine Zeit, die sie lieber vergessen möchten“, sagt Juliane Kemnitz, Beraterin beim Thüringer Flüchtlingsrat. Man müsse sich vor Augen halten, dass die Erstaufnahme der erste Ort sei, an dem Flüchtlinge Thüringen kennenlernen. „Wenn man dann auf eine teils rassistisch agierende Security trifft, auf unklare Abläufe und eine bedrohliche Situation, dann hinterlässt das einen sehr schlechten Eindruck.“
Auch bei der weiteren Verteilung in die Kommunen spiele der Wille der Betroffenen oft keine Rolle. Meist werde rein nach verfügbaren Plätzen eingeteilt. Es werde aber nicht systematisch erfasst, ob Menschen etwa wegen ihrer sexuellen Orientierung oder aufgrund psychischer Probleme besonderen Schutz brauchten. Dementsprechend könnten die Informationen auch nicht an die Kommunen weitergeleitet werden. Das müsse sich ändern.
Erstaufnahme soll „Willkommenszentrum“ sein
Mit Blick auf die laufende Suche des Landes nach einer weiteren Erstaufnahmeeinrichtung sagte die Beraterin beim Flüchtlingsrat: „Alles, was die Überfüllung und Enge in Suhl reduziert, ist erst mal gut.“ Das Land müsse sich in diesem Zuge dann aber auch auf eine strukturiertere Aufnahme fokussieren.
„Die Einrichtungen müssen zu Willkommenszentren werden und nicht zu Abschreckungszentren“, forderte sie. Dafür brauche es eine ordentliche Versorgung und eine Willkommenskultur. Auch müsse die Aufenthaltszeit so kurz wie möglich sein - Thüringen gehe da aber mit dem Ziel, die Menschen nach wenigen Wochen zu verteilen, im Vergleich zu anderen Bundesländern schon voran.
Mehr Asylanträge und ukrainische Flüchtlinge
Im Freistaat sind nach Angaben des Landesverwaltungsamtes bis Mitte September knapp 5400 Asylanträge gestellt worden. Im Vorjahr waren es 6700, 2021 rund 4500. Zum Vergleich: Im Jahr 2015 verzeichnete das Amt knapp 32.000 solcher Anträge. Allerdings kamen damals nicht die ukrainischen Kriegsflüchtlinge dazu, die keine Asylanträge stellen müssen. Bis Anfang August wurden in Thüringen rund 37.000 von ihnen registriert.
Die Kommunen verweisen seit Monaten darauf, dass ihre Aufnahmekapazitäten erschöpft seien. Außerdem gab es Streit um Finanzierungsfragen. Aber auch die Landeserstaufnahmeeinrichtung in Suhl stößt regelmäßig an ihre Grenzen. Eine Behelfshalle in Hermsdorf soll künftig durch eine neue Einrichtung abgelöst werden, für die gerade eine Immobilie gesucht wird.
AWO: Haben keine Bauchschmerzen bei Unterbringung
Anders klingt Judith Wiedemann, Referentin für Migration beim AWO Landesverband Thüringen und für drei Gemeinschaftsunterkünfte in Erfurt zuständig: „Ich habe gerade keine Bauchschmerzen bei der Unterbringung.“ Die Belegungskapazitäten der Unterkünfte, die zwischen 60 und 100 Menschen aufnehmen könnten, seien noch nicht erreicht. In Erfurt gebe es eine gute Zusammenarbeit mit dem Sozialamt, auch aus anderen Kommunen höre sie das.
Im Vergleich zu 2015 gebe es heute zwar mehr Zuwanderung, die Prozesse hätten sich aber inzwischen etabliert. Natürlich ergäben sich überall dort, wo Menschen auf engem Raum zusammenkämen, Konflikte - aber nicht im nennenswerten Bereich. Die Menschen in den Gemeinschaftsunterkünften erhofften sich aber natürlich dennoch möglichst bald eine eigene Bleibe.