Christopher Street Day Christopher Street Day: Schwule und Lesben ziehen durch Berlin

Berlin/dpa. - Weniger Karneval, mehr Protest: Berlin hat einen politischen Christopher Street Day (CSD) erlebt wie lange nicht mehr. Zum 34. Mal gingen Schwule und Lesben am Samstag in der Hauptstadt für mehr Toleranz auf die Straße. Spaß und Party standen bei der bunten Parade mit rund 700 000 Teilnehmern zwar wie üblich im Vordergrund. Doch mit einigen Aktionen erinnerte die Parade daran, dass der CSD eine politische Demonstration ist. Kritiker hatten das zuletzt mehr und mehr angezweifelt.
So wählten die Veranstalter dieses Mal explizit eine „politische Route“: Vorbei am Berliner Abgeordnetenhaus, am Mahnmal für die verfolgten Homosexuellen am Potsdamer Platz, am Reichstag sowie an der russischen Botschaft.
Dort schossen die Demonstranten zentnerweise bunte Papierschnipsel in die Richtung des Botschaftsgebäudes. In St. Petersburg und anderen Regionen Russlands ist seit einigen Monaten sogenannte „Homo-Propaganda“ streng verboten, etwa öffentliches Händchenhalten oder die Aussage, Homosexualität sei normal.
„Das lassen wir uns nicht gefallen“, rief Robert Kastl vom Berliner Verein CSD e.V. vor tausenden Teilnehmern, darunter auch etliche Aktivisten aus Osteuropa. Russland sei ein „Hort“ von Diskriminierung, Menschenrechtsverletzung und Verfolgung schwuler und lesbischer Menschen, hieß es. Am Boulevard Unter den Linden zeigte ein Bild den russischen Präsidenten Wladimir Putin und Ministerpräsident Dmitri Medwedew als Pärchen mit Hochzeitsstrauß. Nicht alle Berliner fanden das lustig. Laut Kastl gab es bei der Polizei mehrere Beschwerden.
Die machen ja nur Party, was soll der CSD überhaupt noch? Diese Frage wurde in letzter Zeit häufiger gestellt. In Deutschland habe sich soviel gesellschaftliche Akzeptanz für Lesben, Schwule, Bi- oder Transsexuelle entwickelt, dass es der alljährlichen Paraden zum Christopher Street Day eigentlich nicht mehr bedürfe, lautete ein Standpunkt.
Klaus Wowereit (SPD), Berlins Regierender Bürgermeister, sah das anders. „Solange es Diskriminierung in der Gesellschaft gegen Homosexualität gibt, ist es wichtig, dagegen auf die Straße zu gehen“, sagte Wowereit. In vielen Bereichen gebe es keine Gleichstellung für Schwule und Lesben - zum Beispiel in der Ehe oder im Erbrecht, kritisierte der Regierungschef, der nach der langen Aufsichtsratssitzung der Flughafengesellschaft am Vortag etwas abgekämpft aussah. Wowereit kam aber trotzdem nach Kreuzberg, wo der CSD diesmal losging, und zerschnitt lächelnd das regenbogenfarbene Startband.
Kreuzberg - auch das war ziemlich mutig von den Veranstaltern. Der Stadtteil ist zwar bekannt für sein Multikulti-Flair. Manche Kreuzberger Migrantenfamilie ist homosexuellen Menschen gegenüber aber alles andere als aufgeschlossen. Und in Berliner Schulen und Sportvereinen ist „schwul“ ein geläufiges Schimpfwort. Auch deshalb habe man Kreuzberg dieses Jahr für die Route ausgesucht, sagte Robert Kastl: „Um auch hier zu zeigen, dass der CSD nichts Böses, nichts Anstößiges ist.“
