1. MZ.de
  2. >
  3. Panorama
  4. >
  5. Berlin: Berlin: Halb so groß wie der Vatikan: Die Stasi-Zentrale

Berlin Berlin: Halb so groß wie der Vatikan: Die Stasi-Zentrale

07.07.2012, 18:30
Jörg Drieselmann, ehemaliger DDR-Bürgerrechtler und Leiter des Stasi-Museums, posiert in einem Raum des Museums in Berlin. (FOTO: DAPD)
Jörg Drieselmann, ehemaliger DDR-Bürgerrechtler und Leiter des Stasi-Museums, posiert in einem Raum des Museums in Berlin. (FOTO: DAPD) dapd

Von seinem Berliner Dienstsitz sah Stasi-Chef Erich Mielke in den höheren Etagen in gerader Sichtachse den Fernsehturm. Die Staatssicherheit dirigierte von ihrer hermetisch abgeschirmten Zentrale nördlich der Frankfurter Allee aus den Kampf gegen die DDR-„Feinde“ - geführt auch mithilfe des Fernsehens. Als die Stasi-Zentrale in Lichtenberg am 15. Januar 1990 gestürmt wurde, sprach das DDR-Fernsehen von Gewaltexzessen und versuchte, die Demonstranten zu beschwichtigen.

Zu Bruch gingen Scheiben, Regale, Stühle und Tische. Mielkes Diensträume im Haus 1 des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) sind dennoch bis heute weitgehend originalgetreu erhalten - im Büro ein überdimensionaler Holzschreibtisch und andere Gebrauchsmöbel im 60er-Jahre-Schick, Computer, Telefone, die Wandvertäfelung aus Holz, Parkett und rote Teppiche, und überall ein muffiger Geruch.

„Wir haben versucht, möglichst viel zu erhalten, aber viele Gegenstände mussten entfernt werden, um sie gegen Diebstahl zu sichern. Ordner und Akten liegen nicht rum“, erklärt Jörg Drieselmann, Leiter des Stasi-Museums, das heute im Haus seinen Sitz hat, Besuchern bei einer Führung. Vor einem halben Jahr, am 11. Juli, öffnete das Museum nach der Sanierung des Gebäudes wieder.

Von seinen Fenstern aus hatte Mielke auch einen Blick auf seine Machtzentrale, die grauen Häuserblöcke des Ministeriums, das extra für ihn als Amtssitz gebaut wurde. Zahlreiche Gebäude stehen heute leer. Sie gelten als schwer vermietbar. „Vieles ist Stand DDR plus geringfügige Sanierungsmaßnahmen“, begründet Drieselmann.

1989 waren in dem streng abgeschirmten Areal 7.000 hauptamtliche MfS-Mitarbeiter tagtäglich ein und aus gegangen. Heute kommen Besucher und Mitarbeiter des Stasi-Museums, der Behörde für die Stasi-Unterlagen (BStU) oder eines Ärztezentrums, das in ein Gebäude eingezogen ist. Bei der Fashion Week wurde Haus 18 in diesen Tagen als Laufsteg der Skater-Modemesse Bright genutzt. Zudem sind Jobcenter und Finanzamt in früheren MfS-Gebäuden untergebracht.

Zwtl.: Komplex umfasste 29 Häuser und 11 Innenhöfe

Rund 22 Hektar umfasst das Gelände und ist damit etwa halb so groß wie der Vatikan. Auf einem Modell im Eingangsbereich des Stasi-Museums ist zu sehen, was zu dem gefürchteten Sperrgebiet gehörte: 29 Häuser und 11 Innenhöfe. Wäre es nach der Stasi gegangen, wäre sogar noch mehr drin gewesen: Das Stadion an der angrenzenden Normannenstraße, das den Namen des NS-Widerstandskämpfers Hans Zoschke trägt, „hätte sie gerne abgerissen“ und das Gelände für eine Erweiterung des MfS genutzt, berichtet Jörg Drieselmann bei der Führung. Doch es habe Widerstand gegeben, und der DDR sei das Aufsehen darum zuletzt zu groß gewesen.

Ohnehin hatte die Stasi in Ostberlin etliche Gebiete unter direktem Zugriff. „Wenn Sie einen Stadtplan nehmen von Berlin, und stecken überall da eine Stecknadel ein, wo ein konspiratives Objekt der Stasi gewesen ist, das heißt, irgendeine geheime Immobilie, dann gibt es Gegenden, wo Sie nichts mehr einstecken können“, erklärt Drieselmann den Besuchern.

Ungefähr 2.200 solcher Objekte habe die Staatssicherheit in Ostberlin gehabt - „Wohnungen, Häuser, Werkstätten, Gelände, Sportplätze, alles Mögliche“. Die Stasi-Mitarbeit mancher Inoffiziellen Mitarbeiter (IM) habe nur darin bestanden, ihre Wohnungen für Treffen zwischen Geheimdienstlern und anderen IM zur Verfügung zu stellen.

Zwtl.: Neue Dauerausstellung im zweiten Halbjahr 2013

Im Besprechungsraum der Minister-Etage selbst deutet ein Schieber mit Landkarten darauf hin, dass von dort aus die Geschicke einer ganzen Republik gesteuert wurden. Nebenan eine Cafeteria und die schlicht ausgestatteten Privaträume Mielkes mit Übergang ins Büro.

Wer in der SED und bei der Stasi das Sagen hatte, darüber informiert ein eigener Ausstellungsraum. Den Feinden widmet sich ein weiterer Teil der Schau. Das Stasi-Museum ist noch im Wandel. Es beherbergt Interimsausstellungen des betreibenden Vereins ASTAK sowie des BStU. Im zweiten Halbjahr 2013 soll eine gemeinsame Dauerschau eröffnen.

Das Interesse am Stasi-Hauptquartier sei groß, was die gebuchten Führungen seit der Wiedereröffnung des Stasi-Museums vor sechs Monaten zeigten: „Es gibt Wochen, wo nichts mehr rein passt“, sagt Drieselmann. Zum Teil fahren die Besuchergruppen mit dem Bus zur Führung im Halbstundentakt auf dem Innenhof vor. Einige Gruppen wechseln nach der Tour gleich zum BStU, wo Archivare durch das Archiv mit den Geheimdienstakten führen.

Bei der Erstürmung der Stasi-Zentrale 1990 sollen die Menschen als erstes zum Versorgungstrakt gelangt sein und über die Westprodukte gestaunt haben. „In die geheimen Räume war kaum einer von denen“, meint Drieselmann. Die Aktenvernichtung war damals schon Monate im Gange. Was übrig geblieben ist - rund 111 Kilometer Akten - lagert heute beim BStU. Einträge auf Einsicht könnten die Besucher gleich vor Ort ausfüllen - direkt vor oder nach dem Besuch bei Mielke.