MZ-Wirtschaftsnewsletter vom 27. März 2025 Pleitewelle rollt: Es trifft auch viele namhafte Unternehmen
Weitere Themen: Käufer streiken bei Tesla / Nur vier Tage arbeiten / GDL-Chef fürchtet Kahlschlag / Bau von Stromtrasse beginnt / Mehr Kredite bei Volksbanken

eine Pleitewelle rollt durch Mitteldeutschland. Am Mittwoch meldete der Fotodienstleister Orwo Net, der aus dem bekannten DDR-Fotofilm-Hersteller ORWO hervorgegangen ist, Insolvenz an. Das Unternehmen mit 270 Mitarbeitern betreibt eines von drei großen Fotolaboren in Deutschland. Doch in den vergangenen Jahren gingen laut ehemaligem Geschäftsführer und Miteigentümer Gerhard Köhler Kundenaufträge verloren.
Die Firma, die auf die Herstellung von Fotobüchern spezialisiert ist, spürt die Inflation. Hinzu kommt der hohe Wettbewerbsdruck. Um bei Suchmaschinen wie Google sichtbar zu sein, muss das Unternehmen laut Köhler bei Eigenprodukten bis zu 35 Prozent des Umsatzes ins Marketing stecken.
Fast jede Woche geht derzeit in Mitteldeutschland eine solche Traditionsfirma insolvent. In der Vorwoche traf es den Maschinenbauer GMW Prämab aus Burg und den Autozulieferer GAW aus Wernigerode. Die MZ hat eine Liste erstellt, welche Unternehmen aus Sachsen-Anhalt seit Ende 2024 in die Insolvenz gerutscht sind. Darunter sind Firmen wie der Würstchen-Hersteller Halberstädter, der große Krankenhausbetreiber Pfeiffersche Stiftungen in Magdeburg und die große Behindertenwerkstatt Bodelschwingh-Haus in Wolmirstedt.

Die Gründe für die Insolvenzen sind sehr unterschiedlich. Dass Einnahmen und Kosten bei so vielen Unternehmen jedoch auseinanderdriften, ist fast immer auch auf die hohe Inflation der vergangenen Jahre zurückzuführen. Im Februar gingen 1.436 Unternehmen in Deutschland pleite. Das waren sieben Prozent mehr als im Januar und 20 Prozent mehr als im Februar 2024.
Der aktuelle Wert liegt zudem 54 Prozent über dem durchschnittlichen Februarwert der Jahre 2016 bis 2019, also vor der Corona-Pandemie. Das ist das Ergebnis des Insolvenztrends des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). In Sachsen-Anhalt summiert sich die Zahl der Firmenpleiten seit Jahresanfang auf 40, im Vorjahreszeitraum waren es nur 22.

Insolvenz heißt nicht gleich Betriebsaufgabe. Gerade bei größeren Firmen gelingt meist eine Fortführung. Doch diese geht größtenteils nicht ohne größeren Personalabbau vonstatten. Laut IWH-Insolvenztrend waren im Februar in den größten zehn Prozent der insolventen Unternehmen fast 19.000 Arbeitsplätze betroffen.
Nach Ansicht von IWH-Insolvenzexperte Steffen Müller könnte allerdings eine Trendwende bevorstehen: „Es ist möglich, dass die jahrelange Phase steigender Insolvenzzahlen vorerst beendet ist.“ Gründe für die steigenden Insolvenzzahlen der jüngsten Vergangenheit waren laut Müller die schwierige konjunkturelle Lage sowie Nachholeffekte aus Pandemie und Niedrigzinsphase, in denen Insolvenzen aufgeschoben wurden.
Viele Ökonomen hoffen, dass das riesige Verschuldungspaket für Infrastruktur und Waffenkäufe in Milliardenhöhe, das Union und SPD in einer neuen Bundesregierung planen, die deutsche Wirtschaft wieder in Fahrt bringen. Doch sicher ist das nicht.
Denn während Deutschland aufrüstet, machen chinesische Unternehmen in wichtigen Wirtschaftsbereichen wie Künstliche Intelligenz und Automobilbau enorme Innovationssprünge. Der China-Kenner Frank Sieren sagte am Mittwoch auf einer Online-Veranstaltung der IHK Halle-Dessau, dass aus seiner Sicht die Migration in Deutschland und der Ukraine-Krieg eher kleine Herausforderungen gegenüber dem anstehenden Wettbewerb mit chinesischen Firmen sind.
In den aktuellen Koalitionsverhandlungen hört man jedoch wenig davon, wie Deutschland wieder wettbewerbsfähig gemacht werden soll. Oder anders gesagt: Wie viele Firmen müssen noch pleitegehen, bis die deutsche Politik eine neue Agenda 2010 strickt?
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Bis kommende Woche, herzlich Steffen Höhne
Weitere wichtige Wirtschaftsthemen der Woche aus Mitteldeutschland
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