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MZ-Wirtschaftsnewsletter vom 24. Oktober 2024 Ende das Jobwunders: Arbeitsmarktexperten prognostizieren düstere Entwicklung

Weitere Themen: Riesiger Industriepark wird gebaut / Traueranzeige bei Magna / Ditsch investiert in Werk / Henkel schließt Fabrik / 100.000 Euro Treueprämie

Aktualisiert: 24.10.2024, 09:22
Newsletter Arbeitsmarkt
Newsletter Arbeitsmarkt dpa

in den letzten Krisen, sei es die Finanzkrise 2009, die Corona-Pandemie 2000/21 oder der Energiepreisschock 2022/23 gewesen, gab es einen Fels in der Brandung: den Arbeitsmarkt. Auch durch staatliche Hilfen wie das Kurzarbeitergeld und die Energiepreisbremsen wurde ein Anstieg der Erwerbslosigkeit in Krisensituationen verhindert. Im Hintergrund wirkte aber auch die mächtige Demografie: Es gehen weit mehr ältere Menschen in Rente als junge Menschen auf den Arbeitsmarkt kommen. So sinkt die Zahl der Arbeitslosen, auch wenn kaum neue Jobs geschaffen werden.

Aus diesem Grund sind die Prognosen, die das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) nun vorgelegt hat, besorgniserregend: Danach wird die Zahl der Erwerbslosen im kommenden Jahr in Sachsen-Anhalt um 2,3 Prozent auf 84.800 steigen. „Die angeschlagene Wirtschaft dämpft in diesem wie auch im kommenden Jahr die Arbeitsmarktentwicklung bundesweit“, sagt IAB-Forscher Rüdiger Wapler. Es wird davon ausgegangen, dass in Ostdeutschland die Arbeitslosigkeit besonders stark in Thüringen (fünf Prozent), Mecklenburg-Vorpommern (3,9 Prozent) und Sachsen (3,6 Prozent) steigt.

Zwischen 2004 bis 2022 ist die Zahl der Arbeitslosen in Sachsen-anhalt gesunken. Seither steigt sie wieder. Ist das eine Trendwende?
Zwischen 2004 bis 2022 ist die Zahl der Arbeitslosen in Sachsen-anhalt gesunken. Seither steigt sie wieder. Ist das eine Trendwende?
Grafik: Büttner

Dass mehr Frauen und Männer ohne Job sind, liegt vor allem an einem Stellenabbau in der Industrie, dem Handel und dem Baugewerbe. In diesen drei Branchen gingen bereits in den vergangenen zwölf Monaten in Sachsen-Anhalt netto etwa 5.000 Arbeitsplätze verloren. Neue Jobs entstanden vor allem im Heim- und Gesundheitswesen (2.600 Stellen). „Nicht nur sehr energieintensive Unternehmen, sondern auch die Automobilbranche oder der Handel stehen stark unter Druck“, sagt Wirtschaftsforscher Joachim Ragnitz vom Ifo-Institut in Dresden. Bei nicht wenigen Firmen handelt es sich um strukturelle Probleme, wie die Umstellung auf E-Mobilität, die sich nicht einfach lösen lassen.

Die Bundesregierung tut dagegen aber auch wenig. Im Gegenteil. Die SPD will den Mindestlohn auf 15 Euro anheben. Das würde im Handel und der Gastronomie zu noch mehr Pleiten führen. Die Ampel-Koalition kann sich die Untätigkeit nur erlauben, weil viele Firmen über Fachkräftemangel klagen. Viele Stellen können nicht besetzt werden. Gibt es da ein Arbeitslosigkeitsproblem?

Wie groß die Fachkräftelücke ist, hat der Arbeitsmarktforscher Dirk Werner vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln ermittelt. Demnach standen im Frühjahr 2024 in Sachsen-Anhalt 30.456 qualifizierten Arbeitslosen 35.335 offene Stellen für Fachkräfte gegenüber. Das entspricht rein rechnerisch einer Fachkräftelücke von knapp 4.900 Arbeitnehmern. „Viele offene Stellen können nicht besetzt werden, da es kein passend qualifiziertes Personal für sie gibt“, sagt IW-Forscher Werner.

Die Zahl der offenen Stellen für Fachkräfte war 2021 erstmals höher als die Zahl der qualifizierten Arbeitslosen.
Die Zahl der offenen Stellen für Fachkräfte war 2021 erstmals höher als die Zahl der qualifizierten Arbeitslosen.
Grafik: Büttner

„Die Fähigkeiten, die gesucht werden, stimmen nur bedingt mit den Fähigkeiten der Arbeitsuchenden zusammen“, sagt auch IAB-Arbeitsmarktexperte Wapler. Die Suche nach Fachkräften sei in Ostdeutschland teilweise schwieriger als in Westdeutschland. Einige Arbeitsmarktexperten warnen seit längerer Zeit davor, dass es eine Fachkräftelücke bei gleichzeitig steigender Arbeitslosigkeit geben wird. Denn Firmen trennen sich zunächst von älteren Mitarbeitern, die es nicht so einfach haben, in anderen Betrieben einen Job zu finden. Oder die Qualifikationen passen nicht zueinander: Ein arbeitsloser Schlosser wird keine Pflegefachkraft.

Die Zeiten von Massenarbeitslosigkeit wie in den 90er Jahren werden sicher nicht wiederkommen. Doch für Menschen ohne Berufsabschluss oder einer Qualifikation, die aktuell nicht gefragt ist, wird es wieder schwerer, eine Arbeit zu finden.

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Aufgrund eines kurzen Urlaubs erscheint der nächste Wirtschaftsnewsletter erst in zwei Wochen. Bis dahin, herzlich Steffen Höhne

Wichtige Wirtschaftsthemen der Woche aus Mitteldeutschland

Halbe Milliarde für Industriepark

Die Intel-Ansiedlung in Magdeburg liegt auf Eis, dennoch macht die Landesregierung Tempo: Eine halbe Milliarde Euro will Sachsen-Anhalt ausgeben, um neben dem Intel-Gelände baureife Industrieareale anzubieten. Es geht um den Ankauf von Äckern – aber auch um Feldhamster. (MZ)

Der neue High-Tech Park soll eine Größe von 1.100 Hektar besitzen. Dort sollen sich Intel und dessen Zulieferer ansiedeln.
Der neue High-Tech Park soll eine Größe von 1.100 Hektar besitzen. Dort sollen sich Intel und dessen Zulieferer ansiedeln.
Grafik: Büttner

XXL-Gewächshaus wird ausgebaut

Derzeit baut die Firma Bördegarten vor den Toren Magdeburgs unter Glas auf rund 64.000 Quadratmetern Gemüse und Biokräuter für den Lebensmitteleinzelhandel an. Die Fläche soll fast verdoppelt werden. (MZ)

Traueranzeige zum Abschied

Wenige Wochen vor dem endgültigen Aus des Magna-Werks in Roitzsch stehen viele Mitarbeiter vor einer ungewissen Zukunft. Trotz harter Verhandlungen konnte der Standort nicht gerettet werden. Mit einer ungewöhnlichen Aktion nehmen sie Abschied. (MZ)

Thomas Friedrich, Betriebsratsvorsitzender Magna Roitzsch, hat eine Traueranzeige zur Schließung erstellt.
Thomas Friedrich, Betriebsratsvorsitzender Magna Roitzsch, hat eine Traueranzeige zur Schließung erstellt.
Foto: Robert Martin

Brezelbäcker sucht Personal

Die Großbäckerei Ditsch investiert Millionen Euro in die Produktionsstätte in Oranienbaum. Auch neue Mitarbeiter werden gesucht. In den USA nimmt ein zweites Werk den Betrieb auf, um die Nachfrage zu decken. (MZ)

Im Ditsch-Werk in Oranienbaum arbeiten 670 Mitarbeiter.
Im Ditsch-Werk in Oranienbaum arbeiten 670 Mitarbeiter.
Foto: Ditsch

100.000 Euro Treueprämie

Ein Geschäftsführer in Zscherben will Mitarbeitern, die seinem Unternehmen treu bleiben, eine sechsstellige Prämie auszahlen. Die Reaktion auf dieses Angebot hat ihn überrascht. (MZ)

Oerlikon schließt Standort

Der Technologiekonzern Oerlikon schließt seinen 3-D-Druck-Standort in Barleben und verlagert die Produktion in die USA. 120 Arbeitsplätze gehen verloren, aber viele Mitarbeiter haben bereits neue Stellen gefunden. (VS)

Henkel schließt letztes Werk im Osten

Trotz einer „starken Geschäftsentwicklung“ im Jahr 2024 schließt der Konsumgüterkonzern sein sächsisches Werk in Heidenau. Für die Mitarbeiter wurden Vorruhestandsregelungen und Aufhebungsvereinbarungen getroffen. (MZ)

Callcenter-Betreiber AIC in Schieflage

Fast 30 Jahre lang ging es mit den Callcentern eines Kölner Unternehmebs AIC fast nur aufwärts. Touristikkonzerne wie Aida oder Tui zählen zu den Kunden, die Firma expandierte auch nach Leipzig. Nun ist das Unternehmen insolvent. (LVZ)

Elektro-Lkw bei BMW in Leipzig

Das BMW-Werk in Leipzig geht einen weiteren Schritt in Richtung umweltschonende Produktion und Logistik.Ab sofort setzt der Autobauer zwei Elektro-Lkw für den werksinternen Transport von Batterien ein. (LVZ)