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Wohnen in Halle Wohnen in Halle: Wer arm ist, muss umziehen

Von Jan-Ole Prasse 01.05.2015, 19:52
Blick auf einen Wohnblock der Hallesche Wohnungsgesellschaft (HWG).
Blick auf einen Wohnblock der Hallesche Wohnungsgesellschaft (HWG). Silvio Kison Lizenz

Halle (Saale) - Geringverdiener und Hartz-IV-Empfänger werden zunehmend aus der Halleschen Innenstadt verdrängt. Grund sind die deutlich steigenden Mieten infolge der Sanierung vieler Häuser. Insbesondere die Hallesche Wohnungsgesellschaft (HWG), mit rund 18.000 Wohnungen der größte kommunale Vermieter, wertet Plattenbauten in der Altstadt auf.

Aktuell werden 340 Wohnungen für 18 Millionen Euro hergerichtet. Wegen der aufwendigen Sanierung wird die Kaltmiete von vorher rund 4,30 Euro pro Quadratmeter auf bis zu acht Euro steigen, wie die HWG mitteilte. Zwar würden die Modernisierungskosten nicht wie zunächst geplant in der vollen Höhe auf die Bestandsmieter umgelegt. Nach Angaben der HWG werden individuelle Vereinbarungen ausgehandelt. Zu den Details wollte sich das Unternehmen nicht äußern. Nach MZ-Informationen ist auch dabei beinahe eine Verdopplung der Miete geplant. Viel zu viel für Hartz-IV-Empfänger.

258 von 360 Parteien ziehen nach Sanierung nicht wieder ein

Denn in Halle gilt ein Satz von 5,50 Euro bis maximal 6,25 Euro Bruttokaltmiete pro Quadratmeter als angemessen. Bei steigenden Mieten müssen Hartz-IV-Empfänger sich eine neue Wohnung suchen. Bei den drei aktuell sanierten Häusern sind die Mieter aus 258 der 340 Wohnungen ausgezogen. Im Juli dieses Jahres sollen die Gebäude endgültig fertig sein. „Nach der Sanierung rechnen wir mit einer Vollvermietung der neu hergerichteten Wohnungen“, sagte der HWG-Sprecher Steffen Schier.

Beim Mieterverein in Halle beobachtet man diese Entwicklung mit großer Sorge. „Hartz-IV-Empfänger und Niedrigverdiener werden systematisch mit diesen Sanierungen aus der Innenstadt verdrängt“, sagte die Vorsitzende Ellen Schultz. Schon jetzt gebe es Fälle, wo mehr als die Hälfte des verfügbaren Einkommens für die Miete gezahlt werde. Das sei ein relativ neuer Trend in Halle. „Erst mit der zunehmenden Sanierung in der Innenstadt beobachten wir dieses Phänomen“, sagte Schultz. Bisher ist das Problem der Verdrängung von Hartz-IV-Empfängern aus der Innenstadt vor allem aus Metropolen Berlin oder München bekannt.

Mehr als sieben Euro auf den Quadratmeter

Verlässliche Zahlen zu den Mietpreisen in Halle gibt es nicht, da die Stadt seit 2012 nicht mehr über einen allgemeinen Mietspiegel verfügt. Beim größten Vermietungsportal immoscout24.de wird die Durchschnittsmiete in der halleschen Innenstadt mittlerweile mit mehr als sieben Euro pro Quadratmeter angegeben. Schon im Jahr 2012 wohnten von den rund 20.000 Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften in Halle nach Angaben der Stadt nur noch etwa 2 800 in der Altstadt und in Zentrumsnähe. „Das wird sich weiter verringert haben und noch weiter verringern“, sagte Schultz. In den Hochhaussiedlungen wohnen dagegen rund 8.500 Bedarfsgemeinschaften.

Für den Sozialbeigeordneten Tobias Kogge ist die Entwicklung besorgniserregend. „Es zeigt sich, dass die soziale Spaltung zwischen den Stadtteilen zunimmt“, sagte er. Das sei ein Prozess, mit dem sich niemand einfach abfinden dürfe. Denn die soziale Entmischung habe noch weitere Folgen. Schon jetzt würden aus den nördlichen und innenstadtnahen Stadtteilen 64 Prozent der Grundschüler auf das Gymnasium wechseln. Im Süden der Stadt seien es dagegen nur elf Prozent. (mz)