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TinkerToys: Vom Kinderzimmer in die Schule Wie ein innovatives Unternehmen aus Sachsen-Anhalt deutsche Klassenzimmer erobert

Das Start-up TinkerToys aus Magdeburg hat einen digitalen Spielzeug-Baukasten entwickelt. In der Corona-Pandemie erfindet sich die Firma neu und ist nun in ihrem Bereich Marktführer.

Von Robert Horvath Aktualisiert: 25.11.2024, 12:20
Basteln im Klassenzimmer: Mit der Software von TinkerToys lassen sich 3D-Objekte digital konstruieren.
Basteln im Klassenzimmer: Mit der Software von TinkerToys lassen sich 3D-Objekte digital konstruieren. (Foto: TinkerToys)

Magdeburg/MZ. - Kontaktbeschränkungen, geschlossene Schulen, Geschäfte und Kultureinrichtungen – und nicht selten auch die Sorge, man könne sich selbst oder andere mit dem Virus SARS-CoV-2 anstecken. Das sind nur einige der Gründe, warum die Corona-Jahre so belastend waren. Für die drei Gründer von TinkerToys war an der Pandemie jedoch nicht alles schlecht. Denn diese Zeit bildete den Wendepunkt, der das junge Unternehmen auf Erfolgskurs bringen sollte. „Wir waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, erzählt Mitbegründer Marko Jakob.

Aber von vorn. Im Jahr 2013 schließen sich Sebastian Friedrich, Sebastian Schröder und Marko Jakob zusammen und tüfteln gemeinsam an einer Idee. Die Vision des Teams, bestehend aus Ingenieur, Spielwarendesigner und Betriebswirtschaftler, erklärt Jakob wie folgt: „Wir wollten Kindern zwischen sechs und zwölf Jahren ein Mittel an die Hand geben, womit sie ihre eigenen Spielzeuge gestalten können.“ Es folgt ein über Monate reifender Prozess und schließlich die Ausgründung aus der Universität Magdeburg im Jahr 2015. Das Unternehmen TinkerToys, zu Deutsch etwa so viel wie „Bastelspielzeug“, war geboren. Das Produkt: Ein einfach und kindgerecht gestaltetes Konstruktionsprogramm, das „Lego ins digitale Zeitalter übermittelt“, erklärt Jakob.

TinkerToys: „Lego im digitalen Zeitalter“

Mit dieser App könne am Bildschirm spielend leicht ein digitales 3D-Modell erstellt werden – egal, ob der eigenen Kreativität oder einem Bauplan folgend. Dafür stehen dem Bastler etwa 40 verschiedene Grundformen zur Verfügung, die zusätzlich nach Wunsch angepasst und verändert werden können. „Vergrößern, verkleinern, wegschneiden, hinzufügen, Löcher bohren“, zählt Jakob auf. „Es gibt quasi keine Limitationen.“ Damit könne eine Vielzahl von realen Objekten erstellt werden, darunter auch bewegliche. Denn es sei möglich, das digitale 3D-Modell abschließend auch in 3D auszudrucken.

„Die Resonanz der Kinder“, erzählt Jakob, „war hervorragend.“ Die Heranwachsenden hätten Spaß am digitalen Herumbasteln auf dem Tablet gehabt und die App gern genutzt. Problem nur: Das digital modellierte Spielzeug wurde anschließend kaum 3D-gedruckt und gekauft. Mit der Folge, dass das Produkt finanziell nicht erfolgreich war.

„Von Beginn an war es aber so, dass Lehrer auf uns zugekommen sind.“ Als der Unterricht zu Corona-Zeiten von zuhause aus stattgefunden hat, wurden digitale Anwendungen wie diese immer beliebter. Von da an habe das Unternehmen das Spielwarengeschäft Schritt für Schritt eingestellt und sich zunehmend auf den Bildungsbereich konzentriert.

Spielen und Lernen an der Schule

Inzwischen entwickeln die Beschäftigten von TinkerToys gemeinsam mit Lehrern individuelle und an die Fächer angepasste Unterrichtseinheiten, Arbeitsblätter, Programme und Videos. Die Software TinkerSchool könne in diesem Rahmen mit Lerninhalten angereichert werden und sei damit ein weiteres Hilfsmittel, um Schülern den Stoff zu vermitteln, so Jakob. „Im Grunde kann man relativ kreativ damit arbeiten.“ Der Mitbegründer erläutert das an einem Beispiel: Chloroplasten sind Bestandteile pflanzlicher Zellen, die für die Photosynthese, die Produktion von Sauerstoff, zuständig sind. Im Biologieunterricht könne ein solcher Chloroplast digital nachgebaut werden.

Schüler lernen spielerisch neue Technologien kennen.
Schüler lernen spielerisch neue Technologien kennen.
(Foto: TinkerToys)

Dabei lernen Kinder nicht nur die Orientierung im Raum, sondern gleichzeitig Aufbau und Funktion der wichtigen Pflanzenbestandteile, erklärt Jakob. Zwar seien naturwissenschaftliche Fächer für den Einsatz der Software besonders geeignet, doch auch für Fächer wie Sachkunde und Kunst könnten sinnvolle Anwendungen gefunden werden. Das Gute: Weil viele Schulen mittlerweile einen 3D-Drucker hätten, könnten die Kinder ihre Konstruktionen am Ende auch in den Händen halten.

Kinder lernen, dass man mit Tablet und Computer mehr machen kann, als nur zocken und Videos angucken.

Marko Jakob

„Damit können wir einen echten Mehrwert bieten und die Motivation der Kinder steigt enorm.“ Denn die kleinen Bastler nutzten die Software nach wie vor gern. „Kinder lernen, dass man mit Tablet und Computer mehr machen kann, als nur zocken und Videos angucken. Zum Beispiel physische Objekte herstellen“, erklärt Jakob.

Digital-Expertin: „Der didaktische Mehrwert muss immer im Vordergrund stehen“

TinkerToys ist nur ein Beispiel dafür, wie Schule und das Lernen insgesamt digitaler werden. Leah Schrimpf, Bereichsleiterin Digitale Gesellschaft beim Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche (Bitkom), erklärt die Entwicklung folgendermaßen: „Es ist nicht abzustreiten, dass die Welt außerhalb der Schule digitaler wird. Es ist wichtig, die Schüler darauf vorzubereiten.“ Einen Grundstein dafür habe der 2019 in Kraft getretene Digitalpakt Schule gelegt. Damals hatte der Bund den Bildungseinrichtungen fünf Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Diese Maßnahme habe die technologische Ausstattung in den Schulalltag gebracht, so Schrimpf, darunter Tablets und Computer.

Durch den Einsatz dieser Technik habe sich in der Unterrichtsgestaltung und den Lerninhalten einiges getan. Dabei sei allerdings wichtig, dass digitale Werkzeuge und Programme nur da zum Einsatz kämen, wo sie sinnvoll seien. „Der didaktische Mehrwert muss immer im Vordergrund stehen.“

Besonders spannend für die Schüler: Bildungssoftware biete große Möglichkeiten, Lerninhalte auch spielerisch zu gestalten. So könnten in sogenannten Serious Games (zu Deutsch so viel wie: ernsthafte Spiele) beispielsweise bestimmte Szenarien virtuell nachgestellt werden, die im Berufsalltag vorkommen könnten, allerdings unter realen Umständen zu riskant durchzuführen wären. Zum Beispiel Sicherheitstrainings.

Laut Schrimpf wachse die Branche im Digitalbereich, die sich mit digitaler Bildung auseinandersetzt. Vor allem Start-ups befassten sich mit dem Thema. Viele Gründer kämen dabei selbst aus der Bildungspraxis.

Start-up aus Magdeburg nutzt Lizenzen als Geschäftsmodell

Sein Geld verdient das junge Unternehmen TinkerToys mittlerweile durch Lizenzen, die es beispielsweise an Schulen verkauft. Inzwischen sei die Firma mit ihrer Idee in fast jedem Bundesland vertreten. Was den Bildungsbereich angehe, so sei man in Deutschland derweil Marktführer in der Nische Konstruktionssoftware, 3D-Druck und Virtual Reality. Ziel sei es, in Zukunft auch in anderen Ländern Europas und den USA Fuß zu fassen. Und zumindest finanziell scheint das Unternehmen auf einem guten Weg zu sein: Der Umsatz der Firma sei mittlerweile siebenstellig und im Vergleich zum Vorjahr um über hundert Prozent gewachsen, so Jakob.