Meyer Burger Sächsischer Sonnenkönig tritt ab: Gunter Erfurt wollte Solarindustrie zurückbringen
Der sächsische Physiker Gunter Erfurt wollte die Solarindustrie zurück nach Deutschland bringen. Er baute auch ein Werk in Bitterfeld-Wolfen auf. Doch nun müssen der Meyer-Burger-Chef und 200 weitere Mitarbeiter gehen.
Bitterfeld-Wolfen/MZ. - Wenn Gunter Erfurt durch die Meyer-Burger-Solarzellenfabrik in Bitterfeld-Wolfen gegangen ist, dann sprühte der studierte Physiker nur so vor Energie. Er sprach dann von der modernsten Produktionsanlage der Welt. „Wir können hier fast so effizient produzieren, wie das unsere Wettbewerber in China tun“, sagte der Unternehmenschef. Höhere Produktionskosten durch Löhne und Energie könnten durch niedrigere Logistikkosten ausgeglichen werden. Gunter Erfurt wollte die Solarindustrie zurück nach Deutschland bringen. Doch damit ist der sächsische Sonnenkönig gescheitert. Meyer Burger teilte am Mittwoch mit, dass der Firmenchef abtritt. Mit ihm müssen 200 der noch 1.050 Mitarbeiter gehen.
Wandel vom Maschienenbauer zum Zell-Produzenten in Rekordzeit
Als Technik-Chef des Solarunternehmens Solarworld erlebte Erfurt nach 2012 den Zusammenbruch der deutschen Solarindustrie mit. Der im sächsischen Freiberg lebende Manager musste mit ansehen, wie tausende Mitarbeiter ihren Job verloren. Doch Erfurts Glaube an eine heimische Solarproduktion erschütterte das nicht.
Der 50-Jährige schaffte es als einer der wenigen Ostdeutschen an die Spitze eines großen Technologie-Unternehmens – noch dazu einer Schweizer Firma. „Gunter ist ein Menschenfänger“, sagte ein Weggefährte einmal. „Er kann Menschen für sich einnehmen, sie von einer Sache begeistern.“
Den in der Krise steckenden Schweizer Solarmaschinen-Hersteller Meyer Burger wandelte er in Rekordzeit in einen Produzenten von Solarzellen und Solarmodulen um. Er nutzte die leer stehenden Solarfabriken in Freiberg und Bitterfeld-Wolfen, um dort wieder neueste Produktionstechnik von Meyer Burger zu installieren. In Bitterfeld-Wolfen werden aktuell täglich eine Million Solarzellen gefertigt. Doch Gewinne erzielte Meyer Burger damit nicht.
Warum Erfurt nicht erfolgreich war, lässt sich anhand folgender Zahlen zeigen: Die Solarmodulpreise in Europa sind durch chinesische Importe im freien Fall. Im Juli kosteten laut einer Erhebung des Großhändlers PVXchange hocheffiziente Module 18 Cent je Watt. Vor einem Jahr waren es noch 31 Cent, im Jahr 2022 rund 40 Cent. Erfurt wirft China vor, mit Dumping-Angeboten die Konkurrenz vom Markt zu drängen.
Jeder Tag ist ein Tag mit Deindustrialisierung in Deutschland.
Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt
Bei der Bundesregierung und der EU-Kommission setzte er sich für den Schutz der europäischen Hersteller ein. Erfurt ging in Talk-Shows, um auf die Abhängigkeit von China aufmerksam zu machen. Am Ende aber ohne Erfolg.
Am Mittwoch gab Erfurt im sozialen Netzwerk Linkedin seinen Rückzug bekannt. Er schreibt: „Leider hatte die europäische Politik zu viel Angst vor China und war nicht bereit, die europäische Solarindustrie vor unfairer Konkurrenz zu schützen und die einmalige Chance zu nutzen, gerade in diesen Zeiten einen europäischen Jobmotor auf Basis führender europäischer Solartechnologie anzuwerfen.“
Abwanderung in die USA ist gescheitert
In den vergangenen zwölf Monaten versuchte Erfurt, das Ruder noch herumzureißen. Meyer Burger wollte mit Hilfe von staatlichen Subventionen der US-Regierung seine Produktion in die USA verlagern. Ein Modulwerk in Goodyear im US-Staat Arizona wurde gebaut. Da die USA Strafzölle auf chinesische Importe erheben, konnte Meyer Burger große Kunden gewinnen. Gleichzeitig wurde das Modulwerk in Freiberg geschlossen. 500 Beschäftigte verloren ihren Job. Auch die Zellproduktion sollte in die USA verlagert werden. Doch für die Abwanderung fehlte Meyer Burger die finanzielle Kraft.
Für das Solarzellen-Werk in Bitterfeld-Wolfen ist das eine gute Nachricht. Es liefert weiter die Zellen für das Modulwerk in den USA. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sieht den Rückzug Erfurts als Zeichen für eine massive Fehlentwicklung: „Wir schaffen es häufig nicht mehr, hierzulande entwickelte Technologie in industrielle Produktion zu überführen.“ Nach Haseloffs Ansicht müssen sich die Rahmenbedingungen etwa bei den Energiekosten „radikal ändern“. Dies sei etwa durch steuerliche Vergünstigungen für Industriefirmen möglich. Aktuell sei „jeder Tag ein Tag mit Deindustrialisierung in Deutschland“. Man müsse sich auch fragen, wie ein fairer Wettbewerb mit China aussehen muss.
Nachfolger Franz Richter setzt Sparkurs fort
Erfurts Nachfolger wird Franz Richter, bisher Präsident des Verwaltungsrats von Meyer Burger. Er soll die Sanierung nun übernehmen. Die 200 Stellen sollen bis Ende 2025 vor allem in Deutschland und der Schweiz wegfallen. Die Produktion in Bitterfeld-Wolfen dürfte kaum betroffen sein. Auch gibt es ein Bekenntnis zum Maschinenbau im sächsischen Hohenstein-Ernstthal. Das Unternehmen will die Kosten senken und mit den bestehenden Kundenaufträgen Gewinne erzielen. Zudem sollen die Maschinen auch wieder an andere Solarzellen-Hersteller verkauft werden.
Erfurt bleibt auch bei seinem Rückzug ein Mann der klaren Worte. In seiner Abschiedsmitteilung schreibt er: „Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren. Und ja, es schmerzt sehr, dass wir trotz der enormen Anstrengungen sehr viel verloren haben.“