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Handel mit China Partner und Konkurrent: Wie der Online-Händler Relaxdays aus Halle auf China blickt

Der hallesche Onlinehändler Relaxdays lässt einen großen Teil seiner Produkte bei chinesischen Zulieferern fertigen. Doch nun kommen auch große Wettbewerber aus dem Reich der Mitte.

Von Steffen Höhne Aktualisiert: 24.06.2024, 11:00
Martin Menz hat Relaxdays gegründet und zu einem der führenden deutschen Onlinehändler entwickelt.
Martin Menz hat Relaxdays gegründet und zu einem der führenden deutschen Onlinehändler entwickelt. Foto: Steffen Höhne

Halle/MZ. - Bis knapp unter das Hallendach reichen die mehr als zehn Meter hohen, orange-blau lackierten Hochregale. Sie sind prall gefüllt mit Paletten, auf denen Kartons stehen. Vor knapp drei Jahren hat der Onlinehändler Relaxdays sein neues Lager in Großkugel (Saalekreis) bezogen. „Bis zu 25.000 Pakete verlassen bei uns täglich das Haus“, sagt Gründer und Unternehmenschef Martin Menz.

Das Unternehmen mit Sitz in Halle hat sich auf Produkte aus dem Bereich Haus, Garten und Freizeit spezialisiert. Mehr als 20.000 Artikel führt der Onlinehändler im Sortiment – vom Sonnenschirm über Gartenstühle bis zur Grillzange. Die Waren ordern Menz und sein Team zu 90 Prozent in Asien. „Produzenten aus China sind mit Abstand unsere wichtigsten Lieferanten“, berichtet der Firmenchef. Zum bisherigen Erfolgsrezept gehört auch: Relaxdays lässt viele Waren unter der eigenen Marke exklusiv für sich herstellen. „Damit haben wir Einfluss auf Design und Qualität der Produkte und können uns von Angeboten anderer Händler wie Amazon oder Otto unterscheiden“, erklärt Menz.

Schiffsraten waren zeitweise enorm gestiegen

Der Unternehmer trägt T-Shirt, Jeans, Sneakers und im Lager eine rote Arbeitsweste. Optisch unterscheidet er sich nicht so sehr von den Mitarbeitern, die hier im Gabelstapler flott an ihm vorbeirauschen. Das ist von ihm vielleicht auch so gewollt. Im Jahr 2006 begann Menz mit dem Verkauf von Produkten über Ebay, heute arbeiten 400 Mitarbeiter für sein Unternehmen. Er versucht, „die Hierarchien flach zu halten, um agil zu bleiben“. Der Handel mit China ist für das Unternehmen wichtig. „Wir finden dort die besten Zulieferer“, erklärt er. Nicht nur der Preis, auch die Qualität und Zuverlässigkeit seien entscheidend für eine gute Zusammenarbeit. „In der Vergangenheit haben chinesischen Firmen noch viel mit Handarbeit produziert, inzwischen wird stark maschinell hergestellt“, berichtet Menz von seinen regelmäßigen Besuchen vor Ort. Es gebe viel Erfahrung in der Produktion. Das finde man so in vielen anderen Ländern nicht.

Ein Blick in das Warenlager von Relaxdays
Ein Blick in das Warenlager von Relaxdays
Foto: Steffen Schellhorn

Dieser Handel ist nicht ohne Risiko, wie Relaxdays in den vergangenen Jahren leidvoll erfahren musste. „Als am Anfang der Corona-Pandemie unsere Verkäufe durch die Decke gingen, waren einige Produkte bei uns ausverkauft“, blickt Menz zurück. Eine kurzfristige, flexible Nachbestellung sei nicht möglich gewesen. „Das lag nicht nur an den Corona-Auflagen, sondern auch daran, dass die Zulieferer weit weg sind.“

Im Jahr 2021 schossen dann die Frachtpreise für die Schiffstransporte nach oben: Kostete vor der Pandemie der Transport eines Containers von Shanghai nach Hamburg 2.000 bis 3.000 US-Dollar (1.870 bis 2.800 Euro), wurden zwischenzeitlich bis zu 15.000 US-Dollar (14.030 Euro) verlangt. „Wir ordern im Jahr etwa 2.000 Container“, so Menz. Auch diese hohen Frachtpreise, die alle deutschen Importeure zahlen mussten, hätten dann die Inflation getrieben. „Das war nicht alles die Energiekrise durch den Ukraine-Krieg.“

Die Einfuhren aus China sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen.
Die Einfuhren aus China sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen.
Tobias Büttner

Menz kündigte daher 2022 an, mehr mit europäischen Zulieferern und Firmen aus Lateinamerika kooperieren zu wollen. Doch das gestaltet sich schwieriger als gedacht. „Die Produzenten benötigen auch immer den Zugriff auf günstige Rohwaren wie Metall oder Kunststoff“, sagt Menz. In China sei das aufgrund der Größe des Heimatmarktes gegeben. Das Land fördere viele Rohstoffe selbst. In anderen Staaten stoße man da immer wieder auf Engpässe.

In den vergangenen ein bis zwei Jahren gibt es jedoch noch eine neue Entwicklung, die Menz aufmerksam verfolgt: Chinesische Onlinehändler wie Temu, Shein und AliExpress drängen auf den deutschen Markt und beliefern die deutschen Kunden direkt. Laut einer Studie des Kölner Handelsforschungsinstituts IFH ist die Bekanntheit und Nutzung der asiatischen Shopping-Plattformen im Jahresvergleich stark gestiegen. 91 Prozent kennen sie einer Umfrage zufolge, 43 Prozent nutzen sie. „Immer mehr Menschen greifen auf Temu und Shein zurück. Das liegt vor allem an den niedrigen Preisen“, sagte IFH-Geschäftsführer Kai Hudetz zuletzt. Temu verdient nicht nur am Verkauf der Produkte, sondern vor allem an der Vermarktung. Häufig bieten chinesische Hersteller direkt ihre Waren auf der Plattform an, die dann von den Kunden bestellt werden. Temu liefert per Luftfracht nach Deutschland, betreibt hierzulande also keine Lager. Die Pakete werden direkt vom Flughafen ausgeliefert.

Nach Menz’ Einschätzung konzentrieren sich die chinesischen Shopping-Apps aktuell auf kleinere Produkte. „Die durchschnittliche Größe eines Päckchens von Temu soll bei etwa 1,2 Litern liegen, das ist die Größe eines Milchkartons.“ Bei Relaxdays liege die durchschnittliche Größe bei 18 Litern. „Unsere Produkte sind eher sperrig“, erklärt Menz. Eine Holzbank für den Garten werde auch in Zukunft nicht per Luftfracht geliefert.

Doch die chinesischen Onlinehändler sind nicht nur günstig, sie verbinden den Verkauf auch mit Video- und Gewinnspielen. Die Kunden werden in eine ganz neue Shoppingwelt gezogen.

Mehr als 100 Software-Entwickler arbeiten im Unternehmen

Auch wenn im langfristig gemieteten Versandzentrum von Relaxdays ein Vermögen lagert, ist der größte Wert des Unternehmens seine digitale Plattform. Etwa 100 der 400 Mitarbeiter des Unternehmens sind laut Menz Software-Entwickler. „Wir haben uns bisher gegen Amazon, Otto & Co. nicht wegen unseres Lagers, sondern mit digitalen Prozessen behauptet“, so Menz. In den zurückliegenden Jahren sei es Ziel gewesen, vor allem die Prozesse vom Einkaufsklick am Computer bis zum Versand sehr schnell zu machen. „Inzwischen wird immer wichtiger, dem Kunden das richtige Angebot zu machen“, sagt Menz. Da könne man sich von den chinesischen Wettbewerbern auch etwas abschauen. Auf der bereits vorhandenen Expertise will sich Menz nicht ausruhen: „Die Technologien und der Markt ändern sich rasant. Das müssen wir auch.“