Wirtschaft in Sachsen-Anhalt KI: So setzen regionale Unternehmen die Technologie bereits ein
Auf einer Tagung in Halle tauschen sich mittelständische Firmen über die Einsatzmöglichkeiten für Künstliche Intelligenz aus. In welchen Feldern die Technologie bereits eingesetzt wird.
Halle (Saale)/MZ. - Andreas Kerndt wählt auf dem Bildschirm eine Künstliche Intelligenz (KI) und die von ihr verwendete Stimme aus. Dann erklärt er kurz weitere Einstellungen und Funktionen, die er bereits im Vorfeld eingegeben hat, und klickt dann auf die Schaltfläche „Test your Agent“. Eine Frauenstimme beginnt zu sprechen. Nach einer freundlichen Begrüßung nennt Kerndt sein Anliegen. Es geht um eine Wohnungsbesichtigung.
In den nächsten Minuten wird das anwesende Publikum Zeuge eines scheinbar normalen Telefongesprächs, in dem ein Termin verabredet und offene, teils unerwartete Rückfragen beantwortet werden. Doch an dem Gespräch ist nur ein Mensch beteiligt. Die beratende Frauenstimme wird in Echtzeit vom Computer generiert. Als die KI auflegt, applaudieren die Zuschauer anerkennend.
Lesen Sie auch: Wissenschaftler der Leopoldina in Halle warnen vor Künstlicher IntelligenzLesen Sie auch: „Eine Sensation“ - KI-Film in Halle aufgeführtLesen Sie auch: KI in der Justiz - Projekte zeigen erste Erfolge
Kerndt ist einer von einem Dutzend Sprechern, die im Rahmen der KI-Tage in Halle – einer Konferenz zu Künstlicher Intelligenz für regionale Unternehmen – einen Vortrag halten. Sein Thema: Wie KI-basierte Sprachassistenten Vertrieb und Support revolutionieren. Auf der Bühne zeigt er ganz praktisch, dass die Künstliche Intelligenz die Tätigkeit eines Kundentelefonmitarbeiters prinzipiell fehlerfrei durchführen kann.
Andere Vorträge sind theoretischer und führen die Anwesenden in Grundlagen und fortgeschrittene Felder dieser Technologie und ihren Anwendungen ein. Das Themenspektrum ist groß: vom Potenzial der KI und gesetzlichen Verpflichtungen ihrer Anwender über die Automatisierung von Prozessen, allwissende Assistenten und die Feststellung von Cyberangriffen bis zum konkreten Einsatz in der Bildung oder als Kreativwerkzeug.
KI-Einsatz in Sachsen-Anhalts Wirtschaft: Zwischen Abtasten und breitem Einsatz
„Die Bedeutung von KI steigt“, ist sich Gordon Böhme, Organisator und Veranstalter der Konferenz, sicher. Bei der Konferenz gehe es „um die digitale Transformation der Unternehmen und was KI ihnen bringen kann“. Aber auch darum, die Möglichkeiten und Chancen für Unternehmen der Region deutlicher aufzuzeigen. Gefolgt sind dem Ruf etwa 120 Firmenvertreter aller Branchen aus Mitteldeutschland und darüber hinaus. Zahlreiche Büroanwendungen seien bereits jetzt im Arbeitsalltag einiger Unternehmen angekommen, so Böhme. Doch wie sieht die Realität aus? Durchwachsen.
Lesen Sie auch: Neue Firmen braucht das Land - Zwei erfolgreiche Start-Ups aus Sachsen-AnhaltLesen Sie auch: Schon gewusst? Diese Traditionsunternehmen kommen aus Sachsen-Anhalt
Ronny Janek, Projektleiter bei der Actemium Controlmatic Mitte GmbH mit Sitz in Schkopau (Saalekreis), ist auf der Konferenz, weil er in der KI Potenzial sieht. Noch nutze sein Unternehmen die Technologie nicht. Doch ein Einsatz sei nur eine Frage der Zeit. Hier wolle er nun ausloten, welche Möglichkeiten für einen sinnvollen Einsatz – zum Beispiel bei der Angebotserstellung oder der Abrechnung – bestünden. Auch das hallesche Unternehmen Sonotec GmbH ist vertreten und stehe, was KI angeht, noch ganz am Anfang, wie ein Unternehmenssprecher erklärt. Um die Möglichkeiten auszuloten, habe sich die Firma für die Teilnahme an der Konferenz entschieden.
Die First Hotelservice GmbH aus Landsberg unterstützt Hotels unter anderem mit Personal im Dienstleistungsbereich. Auf der Konferenz als Zuhörerin anwesend ist Anne Erben, eine Managerin des Unternehmens. „Ich denke, dass man in keiner Branche mehr um KI herumkommt.“ Automatisierung und die Erleichterung des Alltags seien interessante Themenfelder, das Potenzial der Technologie groß. „Wir haben letztes Jahr im Herbst angefangen, ChatGPT aktiv zu nutzen“, verrät Erben. Nicht nur für die Recherche unbekannter Themen, sondern auch, um bei mangelnden Sprachkenntnissen der Mitarbeiter synchron übersetzen zu können. Nun halte sie nach weiteren zielführenden Einsatzfeldern Ausschau.
Zwölf Prozent der Unternehmen in Deutschland nutzen KI
Noch einen Schritt weiter ist die Firma Aromicon GmbH aus Halle. Warum, erklärt Gründer Alf Jahn. Die Mitarbeiter nutzen KI bereits seit etwa drei Jahren nicht nur, um Texte zu schreiben, Programm-Codes zu verbessern oder täuschend echt aussehende Berater-Abbilder für Plakate zu generieren. Sie erstellen mittlerweile auch KI-Anwendungen als Produkt. Fördermittel und die dazugehörigen Berichte seien „ein sehr bürokratischer Prozess“, so Jahn. „Die Antragstellung ist unheimlich aufwändig.“ Normalerweise dauere das Schreiben eines 20-seitigen Berichts bis zu zehn Stunden. „Bei uns dauert das nur noch eine halbe Stunde.“
Lesen Sie auch: Hilflose Unis - Wie Studenten ihre Hausarbeiten heimlich von der KI schreiben lassen
Die Veranstaltung besuche er nun, um den Horizont zu erweitern, Kontakte zu knüpfen und nach Kooperationsmöglichkeiten, zum Beispiel mit der Wissenschaft, Ausschau zu halten. Für ihn steht fest: Sein Unternehmen wird sich auch in Zukunft regelmäßig mit KI-Anwendungen beschäftigen.
2023 nutzten laut Daten des Statistischen Bundesamtes zwölf Prozent der Unternehmen in Deutschland bereits KI-Technologien. Diese Firmen setzten die Technik hauptsächlich für Spracherkennung (43 Prozent), Text-Erkennung (30 Prozent) und die Erzeugung natürlicher Sprache (26 Prozent) ein.
Doch mindestens eine Frage bleibt im Zuge der Entwicklungen um die innovative Technologie bestehen: „Wie viele Arbeitnehmer wird die KI ersetzen?“ Obwohl Rebecca Rutschmann sie selbst stellt, bleibt die Eröffnungsrednerin den Anwesenden eine Antwort schuldig. Statt Angst rät sie zur Neugier. „Was bedeutet das jetzt eigentlich für uns? Anpassung. Anpassung ist das größte Thema. Wir müssen uns anpassen. Es geht kein Weg daran vorbei“, ist Rutschmann überzeugt.
Kommentar: Für einen Fortschritt mit Verantwortung
Arbeit – etwas zu (er)schaffen – gilt vielen Menschen als sinnstiftende Tätigkeit. Ganz gleich, ob es sich dabei um körperliche oder Kopfarbeit handelt, um Lohn-, Haus- oder Erziehungsarbeit. Nimmt man sie dem Menschen einfach weg, so kann das zu tiefgreifenden persönlichen, gar gesellschaftlichen Krisen führen.
Fest steht jedoch auch, dass Arbeit dem Wandel der Zeiten unterliegt. Dampfmaschinen, später Elektrizität und Massenproduktion sowie Automatisierung, Computer und Robotik haben vieles erleichtert. Neue Berufe sind entstanden. Der Fortschritt hat unser aller Leben besser gemacht. Die Veränderungen, die mit der vierten industriellen Revolution, also mit Einführung der Künstlichen Intelligenz (KI) einhergehen, sind jedoch umfassender als alle anderen zuvor.
Denn von der Technologie sind potenziell alle Lebensbereiche und Branchen betroffen. Die KI kann Alltag und Arbeit erleichtern, effizienter gestalten. Sie kann viele Berufe – von der Bürokraft bis zum Arzt – in nicht allzu ferner Zukunft aber womöglich auch gänzlich ersetzen. Neben der Politik sind es daher auch die Unternehmen, die viel Verantwortung tragen. Ihre Aufgabe besteht nicht nur darin, mit den technologischen Standards schrittzuhalten, sondern auch neue Tätigkeitsfelder aufzuzeigen und möglichst wenige Mitarbeiter auf dem Weg in die Zukunft zurückzulassen. Wirtschaft
Den Autor erreichen Sie unter: [email protected]