30-Milliarden-Investition Bau der Intel-Chipfabriken verschoben: Welche Gründe es gibt und wie ein Plan B aussieht
Intel hat bereits die Baugenehmigung für die geplante Chipfabriken in Magdeburg. Ministerpräsident Reiner Haseloff rechnet weiter mit der Investition. Und wenn die nicht kommt?
Magdeburg/MZ. - Im Juni 2023 war noch alles in bester Ordnung zwischen Intel und Sachsen-Anhalt – und zwei Männer standen dafür persönlich: Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) führte Intel-Chef Pat Gelsinger durch seine Heimatstadt Wittenberg. Gleich sieben Stunden nahm sich der vielbeschäftigte Konzern-Boss für das private Treffen Zeit. „Uns verbindet ein großes Interesse an der Reformation und ihre weitreichenden Auswirkungen“, sagte Haseloff damals. Beide Männer sind gläubige Christen, die Chemie zwischen ihnen stimmte.
Etwas anders verlief offenbar das jüngste Gespräch der beiden Männer. Nüchterner. Geschäftsmäßiger. Distanzierter. Kein Wunder, denn zwischen Sachsen-Anhalt und Intel ist nicht mehr alles in bester Ordnung. Ob und wann die Amerikaner ihre Milliarden bei Magdeburg investieren, ist nicht mehr so klar.
Haseloff berichtet am Dienstag vor der Presse, dass er und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Montagabend vor der offiziellen Veröffentlichung von Gelsinger „unterrichtet wurden“, dass der Bau der Chipfabriken um zwei Jahre verschoben wird. Haseloff spricht wörtlich von „Telefonat entgegengenommen“. Bis zuletzt wussten offenbar weder Kanzler noch Landeschef, welche Botschaft der Intel-Chef für sie hat. Haseloff betont nun, dass „Intel an der Investition festhält“. Es gebe für ihn keinen Grund, zu zweifeln. Er zeigt sich unerschütterlich.
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Dennoch ist seine Enttäuschung spürbar. Haseloff hatte Intel zur Chefsache gemacht. Er will, dass Sachsen-Anhalt die größte industrielle Investition in der Geschichte Deutschlands bekommt. Doch sein Einfluss ist begrenzt.
Die Vorbereitungen für den Bau liefen zumindest in Sachsen-Anhalt bisher auf Hochtouren. Auf dem geplanten Industrieareal vor den Toren Magdeburgs finden bereits die archäologischen Ausgrabungen statt. Landwirt Martin Lüer, der einen Hof im benachbarten Langenweddingen betreibt, hat für das Projekt Flächen abgegeben. „Die Äcker werden nicht mehr bewirtschaftet“, sagt Lüer, der die Nachricht der Verschiebung am Dienstagmorgen gehört hat. „Solange der Mutterboden noch nicht abgetragen ist, lassen sich die Flächen aber landwirtschaftlich wieder bewirtschaften“, erklärt der Landwirt. Damit rechnet Lüer aber nicht. „Man hat jetzt mehr Zeit, die Planungen gründlich zu machen. Wenn Intel nicht kommt, haben sicher andere Industriefirmen Interesse.“
Magdeburg: Baugenehmigung für Intel-Werk ist erteilt
Die Planungen, die Intel in Deutschland zusammen mit Beraterfirmen gemacht hat, sind vorangeschritten. Bereits im Februar 2024 hatte das Unternehmen die Baupläne für die zwei Chipfabriken 29.1 und 29.2 veröffentlicht. 2.000 Seiten Genehmigungsunterlagen hat der Konzern aus Kalifornien für das Areal erstellt. „Die Bauarbeiten werden etwa vier Jahre dauern“, heißt es in den Unterlagen.
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Geplant war der Produktionsstart 2027/28. Im zweiten Jahr sollten demnach Rohbauten und ein Parkhaus entstehen. Geplant sind aber auch eine Wasseraufbereitung und Stromtrassen. Anfang September erteilte das Landesverwaltungsamt im Rekordtempo die Baugenehmigung für die Errichtung der Gebäude.
Die Landesregierung hat die „High-Tech Park Sachsen-Anhalt GmbH“ gegründet, die das insgesamt mehr als 1.100 Hektar große Industriegebiet für Intel (etwa 400 Hektar) und die Zulieferer entwickeln soll. 250 Millionen Euro nimmt das Land in die Hand. Neben 3.000 Jobs bei Intel sollen 7.000 Arbeitsplätze bei Zulieferern entstehen.
Zum Start des Baus einer Zufahrtsstraße sagte Landes-Infrastrukturministerin Lydia Hüskens (FDP) Mitte August: „Dass es nun endlich losgeht, ist ein ganz wichtiges Signal für die Menschen rund um die Landeshauptstadt.“ Von Projekt-Verantwortlichen hieß es, die Zusammenarbeit mit dem Intel-Team zum Aufbau der Fabrik sei sehr gut.
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Doch lässt sich solch ein Riesenprojekt pausieren? Der ehemalige Magdeburger Oberbürgermeister Lutz Trümper ist skeptisch. Die Entscheidung des US-Konzerns habe sich bereits angedeutet, sagt Trümper, der an der Ansiedlung des Konzerns maßgeblich beteiligt war. Als deutliches Signal in den vergangenen Monaten wertet er etwa das Verschieben der Ausschreibung zum Aushub des Ackerbodens.
„Schon seit längerem dümpelt alles dahin“, sagt Trümper. Der Alt-OB erwartet, dass jetzt erst einmal alle vorbereitenden Arbeiten eingestellt werden. „Da geht es um die Energieversorgung, um das Abwasser – wer will denn dafür jetzt eigenes Geld in die Hand nehmen?“ Selbst wenn es dafür eines Tages den Willen geben sollte, werde es schwer sein, das einmal gestoppte Projekt wiederzubeleben.
Dem tritt Wirtschaftsminister Sven Schulze (CDU) entgegen. Das Industriegebiet werde weiter entwickelt, sagte er. Die Planungen würden so verlaufen, dass es auch für andere Investoren interessant sei. Doch dass es soweit kommt, sieht Schulze aktuell nicht.
Politisch musste das Vorhaben schon einige Hürden nehmen. Als Gelsinger das Projekt mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im März 2022 verkündete, sollten 17 Milliarden Euro investiert werden. 6,8 Milliarden Euro die Bundesregierung als Förderung übernehmen.
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Doch der ursprüngliche Plan, den Bau 2023 zu starten, wurde bald verschoben. Intel forderte auf einmal mehr Fördermittel, was in der Bundesregierung auf Widerstand stieß. Haseloff setzte sich hinter den Kulissen stark für die Förderung ein. Schulze reiste im Sommer 2023 mit einer Delegation zum US-Firmensitz in Santa Clara, um mit Gelsinger zu sprechen.
Schulze kam mit Gelsingers Zusicherung zurück, am Projekt festzuhalten. Die Lösung, die der Bund fand, sah so aus, dass Intel die Investitionen auf 30 Milliarden Euro erhöht und sich der Bund mit zehn Milliarden Euro beteiligt.
Intel: Konzern schreibt hohe Verluste
Was die Investition so wichtig macht, ist die Technologie. Intel will mit der sogenannten Lithografie-Technik mit extrem-ultraviolettem Licht kleinste Hochleistungschips herstellen. Intel ist zwar Weltmarktführer bei Chips für PCs und Laptops. Der Konzern hatte den Einstieg bei Chips für Smartphones und Künstliche Intelligenz (KI) aber verschlafen. Das soll sich ändern.
Die Technologie gibt es bisher auch in Europa nicht (siehe Interview „Sollte Intel kippen...“). Haseloff sieht das als wichtigen Umstand, dass sowohl die EU als auch die Bundesregierung an einer Förderung festhalten. Auch Scholz versichert am Dienstag auf einer Reise in Kasachstan, Intel habe zugesagt, an dem Projekt festhalten zu wollen. Halbleiterproduktion in Europa und in Deutschland bleibe richtig. „Der Ausbau geht weiter.“
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Doch inzwischen schreibt Intel selbst Milliarden-Verluste. Gelsinger kündigte Anfang August an, weltweit 15.000 Arbeitsplätze, etwa 15 Prozent der Belegschaft, abzubauen. Nur der Aufbau neuer US-Fabriken soll mit Hilfe der US-Regierung vorangetrieben werden. Dafür gibt es noch einmal drei Milliarden US-Dollar vom US-Militär.
Sicherheit, dass der Baustart 2026 oder 2027 erfolgt, gibt es nicht. Haseloff spricht davon, dass nun ein sogenanntes „Follow-up-Team“ gegründet werden soll. Es handelt sich um Mitarbeiter von Intel und Landesregierung, die die weiteren Schritte klären. Von einem Plan B will Haseloff nichts wissen. Aber er betont, dass es im Wirtschaftsleben immer unerwartete Veränderungen gebe.
Wirtschaftsminister Schulze wird da deutlicher. Die Ansiedlungsflächen seien auch für andere industrielle Investoren interessant. Allein auf Intel wird also nicht mehr gesetzt.