Winter 1987 Winter 1987: Als "General Winter" die DDR fest im Griff hatte
Potsdam/Halle (Saale) - Sachsen-Anhalt liegt derzeit fast flächendeckend unter einer Schneedecke. In den kommenden Tagen werden bis zu zweistellige Minusgrade erwartet. Das Wetter weckt im Osten Erinnerungen an den Januar 1987. Nach einem Temperatursturz innerhalb weniger Tagen auf minus 30 Grad stand die DDR nicht nur politisch am Abgrund. Einige Szenen aus jenem Rekordwinter vor 30 Jahren:
Rekordwinter 1987: Ausgangspunkt waren starke Regenfälle
Das Jahr 1987 startete mit starkem Regen. Im Thüringer Wald fielen innerhalb von 24 Stunden 60 Liter, im Harz 30. Die Pegelstände stiegen. Dann schneite es ab 4. Januar. Und die Temperaturen sanken auf Werte, die seitdem nicht wieder erreicht wurden, wie Thomas Hein vom Deutschen Wetterdienst in Leipzig sagt. In Gardelegen bei Magdeburg wurden minus 28,1 Grad gemessen, in Görlitz minus 27,5 Grad und in Erfurt minus 24,4 Grad. Bereits gute zehn Jahre früher - im Winter 1978/79 - herrschten schon einmal Temperaturen um minus 20 Grad. Trotz der Erfahrungen kam es erneut zu einer Energiekrise.
Winter 1987 in Halle: In 14.000 Wohnungen fielen Heizungen aus
An den Winter 1987 können sich auch viele Hallenser gut erinnern: Im Januar, genauer gesagt am 13. und 14., gab es es mit minus 20,2 und minus 24,2 Grad nicht nur sibirische Kälte. Zeitgleich fielen dummerweise auch noch die Fernheizungen in den Neubaublöcken aus.
Die "Freiheit" titelte damals vom "selbstlosen Kampf der Werktätigen bei der ungewöhnlichen Kälte", während in 14.000 Wohnungen die Menschen bibberten. "Natürlich waren wir erstmal sauer", sagte damals einer der Schlosser, die den Schaden bei minus 23 Grad beheben mussten. Das Leck an einer Heißwassertrasse zu stopfen, stellte sich zu allem Übel noch als schwieriger heraus als zunächst gedacht.
Winter 87 in Dessau: Temperaturen für tausende Wohnungen gesenkt
Auch in Dessau wurde es frisch, als sich wenig später eine Fernwärmeleitung dem Frost ergab: Vorsorglich wurden die Temperaturen für tausende Wohnungen um acht beziehungsweise fünf Grad gesenkt. Und die Bahn kapitulierte gleich ganz: Auf Hauptstrecken wie Leipzig-Dessau und Halle-Leipzig wurde ab dem 16. Januar der Betrieb für 24 Stunden eingestellt.
In vielen DDR-Bezirken war Energieversorgung gestört
In den Bezirken Schwerin, Potsdam und Magdeburg war die Energieversorgung gestört. Tausende Haushalte hatten zeitweise keinen Strom, Wohnungen in Plattenbauten blieben kalt. Mieter mit Ofenheizung hatten Glück - wenn sie rechtzeitig Kohlen eingekellert hatten. Überall wurden Vorkehrungen getroffen, um Kinder und ältere Menschen zu versorgen. Auch damals noch zum Stadtbild gehörende freistehende Münzfernsprecher waren gestört.
Vereiste Schienen und Bahnweichen im Superwinter 1987 in der DDR
Vereiste Schienen und Bahnweichen, zu tonnenschweren Blöcken zusammengefrorene Braunkohle: Die Energieversorgung in der damaligen DDR brach zusammen. Waggons mit Braunkohle zur Versorgung der Kraftwerke blieben auf der Strecke. Signalanlagen funktionierten nicht. Auch im Bahn-Transitverkehr Richtung Westen kam es zu Verspätungen.
DDR-Betriebe standen still
Bänder standen still; die Stromversorgung musste gedrosselt werden. Beispiel aus einem Potsdamer Chemiebetrieb: Dort fror ein Reglerventil ein. Der Produktionsausfall lag bei rund 440.000 DDR-Mark.
Kampf gegen den Winter 1987: „Wir haben die Kohle lose gesprengt“
Die Arbeiter in der ehemaligen Brikettfabrik Knappenrode südöstlich von Hoyerswerda - in der DDR die größte Anlage in der Lausitz - hatten mit festgefrorener Kohle zu kämpfen. Der wenige Brennstoff, der noch aus den Tagebauen ankam, fror in den Waggons fest. „Wir haben die Kohle lose gesprengt“, erinnert sich Fabrikmitarbeiter Frank Arnold. Mit der Kohle wurde dafür gesorgt, dass zumindest wichtige Maschinen nicht einfroren und dadurch beschädigt wurden. Die Produktion allerdings war stillgelegt. In die Braunkohletagebaue waren auch Soldaten der DDR-Volksarmee, Polizisten, Stasi-Mitarbeiter und Studenten abkommandiert. Kohle wurde mit dem Presslufthammer von den Bandanlagen gehackt.
Straßen in der DDR durch Schneeverwehungen unpassierbar
Bei Neuschnee von bis zu 40 Zentimer und Schneeverwehungen waren beispielsweise mehrere Fernstraßen im damaligen DDR-Bezirk Karl-Marx-Stadt unpassierbar. 20 Landstraßen mussten im Bezirk Erfurt gesperrt werden.
15 Zentimeter dickes Eis im Überseehafen
Hafenkapitän Gisbert Ruhnke erinnert sich genau: Das Eis war bis zu 15 Zentimeter dick im Hafenbecken des Überseehafens. „Aber wir haben Schlepper eingesetzt und das Eis gebrochen“, sagt er. Denn die Ostsee war im Gegensatz zu 1978/79 noch frei.
Die vier größten Feinde des Sozialismus
Der Humor blieb trotz Schnee und Kälte nicht auf der Strecke. Ein geflügeltes Wort machte auch in diesen Zeiten die Runde: „Die vier größten Feinde des Sozialismus: Frühling, Sommer, Herbst und Winter“ - also egal wie das Wetter war - ein Schuldiger für die Misere in der sozialistischen Wirtschaft und Landwirtschaft war so immer schnell gefunden. (mz/dpa)