Vergütung für Ärzte Vergütung für Ärzte: Medizin zwischen Moral und Mangel

Halle/MZ. - Lange Wartezeiten auf den dringend benötigten Facharzt-Termin, eingeschränkte Praxisöffnungszeiten, gegebenenfalls Beschränkung auf eine Notfallversorgung. Sieht in Sachsen-Anhalt so die Patientenversorgung der Zukunft aus? Nein. Das ist bereits Gegenwart. So musste zum Beispiel der Internist Axel Löwe - er betreibt in Wolfen eine diabetische Schwerpunktpraxis - im abgelaufenen Quartal zeitweilig pausieren. Der Grund: Sein Praxisbudget war ausgeschöpft. Und so wie ihm geht es vielen seiner Facharzt-Kollegen.
Der Hintergrund ist die komplizierte Entlohnung für Ärzte. Sie erhalten für jede Leistung Punkte (siehe auch "Arzt-Honorare"). Diese werden dann mit dem Geld vergütet, das der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zur Verfügung steht. Seit Juli hat die KV Sachsen-Anhalt, so wie es der Gesetzgeber in Zukunft bundesweit fordert, einen festen Punktwert festgelegt und jeder Praxis ein bestimmtes Punktvolumen zugeteilt. Ist diese Budget erschöpft, können keine Leistungen mehr abgerechnet werden.
Was also tun? Burkhard John, KV-Chef, sieht mehrere Möglichkeiten: "Entweder muss der Arzt die Zahl der Patienten, die er pro Quartal behandeln kann, reduzieren, oder aber die Leistungen, die er den Patienten angedeihen lässt." Die Ärzte könnten aber auch das tun, was sie in den letzten sieben Jahren, also seit es Budgets gibt, auch schon getan hätten: umsonst weiterarbeiten. "Seit 1997 haben die Mediziner 20 bis 30Prozent ihrer Leistungen nicht vergütet bekommen", bilanziert John.
Der Internist Löwe hat sich entschieden, Letzteres nicht zu tun. "Die Leidtragenden sind die Patienten", sagt er. "Sie bleiben nun zwangsweise vor der Tür, was moralisch eigentlich nicht vertretbar ist." Und: Alle Kosten laufen weiter. So könnte Löwe noch zwei Schwestern gebrauchen. Unter den gegebenen Umständen muss er sich aber überlegen, ob er den jetzigen Personalbestand halten kann.
Dass die Patientenversorgung leidet, das sieht auch John. "Wir müssen Wege finden, um über Vertretungen und die Sicherstellung einer Notfallbetreuung die Patientenversorgung aufrecht zu erhalten", sagt er. Defizite seien aber nicht ausgeschlossen. Für den KV-Vorsitzenden gibt es aus dem Dilemma nur einen Ausweg: "Es muss mehr Geld in die Kasse kommen." Von einigen Versicherern - darunter die AOK - erhalte Sachsen-Anhalt die niedrigsten Kopfpauschalen. Und das bei einer immer älter und kränker werdenden Bevölkerung. Kurz: Die Kassen müssen mehr Geld zur Verfügung stellen. Die AOK sieht aber keinen Handlungsbedarf. Sprecher Udo Barske nennt den Ruf nach mehr Geld "unglaubwürdigen Lobbyismus". "Die Ärzte, auch die im Osten, gehören zu den Spitzenverdienern", so Barske weiter. Wer da jammere, habe den "Kontakt zur sozialen Wirklichkeit verloren" - zumal in Zeiten, in denen die Versicherten mit neuen Zuzahlungen und Leistungskürzungen zu kämpfen hätten, während die Einkommen der Ärzte weiterhin wüchsen.
Löwe bringt dies auf die Palme. Er verweist darauf, dass die Ärzte im Osten lediglich etwa 80Prozent des Einkommens ihrer West-Kollegen haben - und das bei höherer Patientenzahl. Und auch für John steht fest: "Wenn ich zum Bäcker gehe, zehn Brötchen kaufen will aber nur Geld für acht habe, dann kriege ich nur acht. Und wenn die Krankenkasse nur Geld für acht Patienten gibt, dann können wir nicht zehn behandeln."