Unikliniken in Sachsen-Anhalt Unikliniken in Sachsen-Anhalt: Halle hat Tradition - Magdeburg eine Lobby

Halle/MZ - Wenn Halle Landeshauptstadt geworden wäre, ja dann... Spätestens seit die jüngsten Sparpläne für das Universitätsklinikum der Saalestadt publik wurden, lebt die Debatte um den Nachteil Halles im Rennen mit der Landeshauptstadt wieder auf. Dass bei der durchaus diskutablen Frage, ob sich das Land zwei Unikliniken in Halle und Magdeburg leisten kann, ausgerechnet Halle jetzt stark in den Fokus geraten ist, stößt nicht nur Ärzten und Beschäftigten in der Uniklinik übel auf.
Vor allem, weil die vergangenen zwei Tage für die Zukunft der Hochschulmedizin an der Saale extrem wichtig waren. Zwei Tage lang war das Klinikum von den Experten des mächtigen Wissenschaftsrats begutachtet worden, ihr Urteil wird maßgeblich sein. Das Selbstbewusstsein der Uniklinik, das aus langer Tradition in der Mediziner-Ausbildung rührt, ist ernsthaft erschüttert worden. Mehr als 500 Jahre Universität, über 300 Jahre davon medizinische Ausbildung - das alles soll nichts gelten, wenn die Landesregierung den Rotstift ansetzt?
„Die Nachricht, dass das Uniklinikum zur Disposition steht, ist extrem schlecht angekommen“, sagt ein hallescher Professor, der bei den Sitzungen mit den Gutachtern dabei war. Auch der Wissenschaftsrat müsse die nun bekanntgewordenen Sparpläne für das Uniklinikum Halle als eine Unverschämtheit empfinden. „Schließlich sollten die Experten die Hochschulen erst begutachten, bevor über Finanzen entschieden wird.“ Allein die Diskussion könne den Standort nachhaltig beschädigen. Zum Beispiel bei der Besetzung wichtiger Posten. Die nun eingetretene Unruhe verschrecke aber gute Leute. Es gebe schon Fälle, wo das eigentlich bessere Jobangebot aus Halle genau deswegen abgelehnt worden sei, weil die Perspektive in Halle zu unsicher erschien. „Allein durch ihr Vorgehen in den letzten Tagen schadet die Landesregierung dem Standort.“
So gerät ein Krankenhaus unter Druck, das eine Tradition wie kein anderes in Sachsen-Anhalt vorzuweisen hat. Im 18. und 19. Jahrhundert galt die Hochschulmedizin in Halle als europaweit herausragend. Dem gegenüber steht ein Universitätsklinikum in Magdeburg, das, je nach Zählung, 19 oder 58 Jahre alt ist. Im September 1954 zogen erstmals Studierende in die neu gegründete Medizinische Akademie in Magdeburg-Sudenburg ein. Im Oktober 1993 wurde dann in der frisch gebackenen Landeshauptstadt durch Zusammenlegung dreier Hochschulen die Otto-von-Guericke-Universität gegründet. Erst seitdem heißt das dortige Hochschulkrankenhaus Universitätsklinikum - so wollte es die Landesregierung um Ministerpräsident Werner Münch (CDU). Doch diese Entscheidung für zwei Uni-Klinik-Standorte wurde schnell wieder in Frage gestellt. „Schon Mitte der 90er Jahre hat man gesagt: Das Land ist klein und zwei Kliniken sind teuer“, erklärt der Hochschulforscher und Altrektor der Universität Halle, Reinhard Kreckel.
Gelöst worden sei das Problem damals vorübergehend mit einer Arbeitsteilung zwischen den Hochschulen - ein Prinzip, das sich in den Sparrunden der vergangenen Jahre fortgesetzt hat. Während Halle beispielsweise den gesamten Bereich Lehrerbildung und Orchideenfächer wie die Musikwissenschaft zugeschlagen bekam, mussten die Ingenieurwissenschaften zugunsten Magdeburgs schließen.
Das Gefühl, gegenüber der Hauptstadt benachteiligt worden zu sein, hält sich in Halle. „Die Mittel in Halle reichen für die Ausbildung. Aber für die Medizin-Forschung haben wir nur minimalen Spielraum“, sagt ein hochrangiger Wissenschaftler aus Halle. „Die Verteilung von Zusatzmitteln für Forschung durch das Land ist in den letzen Jahren aber immer zugunsten von Magdeburg ausgegangen.“
Trotzdem hat man aus dem ersten, verheerenden Bericht des Wissenschaftsrates 2009 gelernt. Damals hatten die Experten Forschung und Lehre in Halle drastisch kritisiert. „Wir haben uns nun auf zwei Schwerpunkte konzentriert: Molekulare Medizin und Krebsforschung sowie Pflegewissenschaften und Epidemiologie.“ Der Lehrbereich sei durch das neue Dorothea-Erxleben-Zentrum in der Magdeburger Straße und eine Lehrplanreform komplett neu aufgestellt worden.
Reinhard Kreckel beschreibt den Halle-Malus in der Landespolitik so: „In kleinen Bundesländern wie in Sachsen-Anhalt werden Entscheidungen von wenigen Leuten getroffen, die sich kennen und oft treffen.“ Die Magdeburger Hochschullobby sei schon aus geografischen Gründen besser aufgestellt. Kreckel sagt, als Unirektor habe er einst im Scherz erwogen, einen ständigen Botschafter der Martin-Luther-Universität in Magdeburg zu installieren - auch mit Blick auf den Klinikstandort.
Die Folgen, sollte Halle der Status als Uniklinik aberkannt werden, wären immens. Nicht nur für die mehr als 4 000 Beschäftigten, deren Arbeitsplätze auch von Millionenzuschüssen abhängig sind, die aber nur eine Uni-Klinik erhält. Für den Hochschulstandort Halle insgesamt wäre der Wegfall der Medizinerausbildung ein schwerer Schlag. Wer als Patient aus dem Landessüden auf hochmoderne Behandlungsmethoden angewiesen ist, wie sie nur Uni-Kliniken bieten können, müsste weit fahren - nach Magdeburg.