Trinkwasser Trinkwasser: Uran im Glas
Halle (Saale)/MZ. - Gerhard Ernst dauert das alles viel zu lange. "Seit vier Jahren wollen wir nachgewiesen bekommen, dass keine gesundheitlichen Gefahren bestehen", sagt der Sprecher der "Bürgeraktion gegen uranbelastetes Trinkwasser" in Sangerhausen. Die vom Trinkwasserzweckverband Südharz vorgelegten Daten reichen ihm nicht aus, die ergriffenen Maßnahmen kommen ihm zu spät und zu zögerlich. Dabei geht es um Grenzwerte und die Frage, wie gefährlich das Schwermetall Uran im Trinkwasser wirklich ist.
Seit Ende vorigen Jahres ist Deutschland europaweit Vorreiter: Es gilt ein Grenzwert für Uran in Trinkwasser - zehn Mikrogramm pro Liter. Liegt der Wert höher, müssen die betroffenen Trinkwasserlieferanten reagieren. Für Säuglinge unter einem Jahr muss unbelastetes Wasser zur Verfügung gestellt werden. Zugleich werden Übergangsfristen - teilweise bis 2015 - eingeräumt, bis zu deren Ende kein belastetes Wasser mehr durch die Leitungen fließen darf.
Gerhard Ernst spricht von Gift und verweist auf die toxische Wirkung von Uran. Es kann zu Nierenschäden führen, insbesondere bei Kleinkindern und gesundheitlich geschwächten Menschen.
Der Umweltgeologe Broder J. Merkel, Professor an der TU Bergakademie Freiberg (Sachsen), spricht gar von einer "sehr hohen" Giftigkeit. "Bei längerem Konsum von Wasser mit erhöhtem Urangehalt wächst die Wahrscheinlichkeit, an Nierenkrebs zu erkranken", sagt er. Er vergleicht Uran mit Quecksilber und Arsen - und hält den Grenzwert von zehn Mikrogramm für zu hoch. Er müsse schrittweise sinken, fordert der Wissenschaftler. Er stößt damit ins gleiche Horn wie die Verbraucherschutz-Organisation Foodwatch. Die setzt sich für einen Grenzwert von zwei Mikrogramm Uran pro Liter ein. Der gilt bereits für Mineralwasser mit der Kennzeichnung "geeignet für die Zubereitung von Säuglingsnahrung".
Eine Forderung, die indes beim Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau auf Kritik stößt. Dort wird auf einschlägige Studien verwiesen und betont: "Trinkwasser, in dem alle Grenzwerte der Trinkwasserverordnung eingehalten sind, eignet sich auch immer zur Zubereitung von Säuglingsnahrung." Warnmeldungen wie die von Foodwatch "basieren auf einer Überschätzung des Risikos", heißt es weiter. Eine Aussage, die auch die hallesche Umwelt-Toxikologin Heidi Foth unterstützt. Der festgelegte Grenzwert für Uran "gründet sich auf dem Erfahrungsschatz der Wissenschaft" und reiche aus, sagt die Professorin der Uni Halle.
Von erhöhten Uranwerten betroffen sind im Süden Sachsen-Anhalts zunächst Gebiete im Bereich Allstedt, Emseloh und Winkel im Kreis Mansfeld-Südharz, in Possenhain, Bucha, Löbitz und Crauschwitz im Burgenlandkreis sowie Mücheln, Oechlitz, Krumpa und Teile von Stöbnitz im Saalekreis. Dort wurden bis zu 22 Mikrogramm Uran pro Liter Trinkwasser ermittelt.
Landesweit laufen derzeit Untersuchungen, umfassende Ergebnisse sollen im November vorliegen, sagt Holger Paech, Sprecher des Magdeburger Gesundheitsministeriums. Er erwartet, dass im Zuge der Tests weitere Überschreitungen der Uran-Grenzwerte im Trinkwasser festgestellt werden.
Nach einer MZ-Umfrage bei den zuständigen Behörden im Süden des Landes gibt es unterdessen einen weiteren Fall: Ein Brunnen des Wasserwerkes Mark Zwuschen im Raum Jessen (Kreis Wittenberg) wurde stillgelegt, nachdem dort überhöhte Uranwerte verzeichnet wurden. Im Bereich Weißenfels sind bei zwei Quellen in Leißling und bei Tagewerben leicht erhöhte Werte von vier und gut sieben Mikrogramm pro Liter gemessen worden. In der Region fließt sonst vor allem sogenanntes Fernwasser aus der Rappbodetalsperre im Harz sowie aus der Elbaue bei Torgau (Sachsen). Dessen Wert für Uran liegt deutlich unter einem Mikrogramm, teilweise unterhalb der Nachweisgrenze.
Unterschiedlich sind die Reaktionen. Im Burgenlandkreis sind inzwischen die ersten uranbelasteten Brunnen stillgelegt. Durch neue Leitungen fließt Wasser aus anderen Quellen. In den übrigen Orten soll die Versorgung bis zum Jahresende umgestellt werden.
In Mücheln sorgte das Bekanntwerden der Schwermetallbelastung im Frühjahr für Debatten. Eltern von Kleinkindern seien "sehr aufgebracht" gewesen, berichtet Bürgermeister Andreas Marggraf (parteilos). Dabei betont er, dass ja nicht das Wasser schlechter geworden sei, sondern es hätten sich allein die gesetzlichen Vorgaben verändert. Er trinke auch weiter das Wasser aus der Leitung, koche damit Kaffee und Tee. Für die Ernährung seines sechs Monate alten Sohnes allerdings werde nur Mineralwasser verwendet. Die Kosten dafür könnte Marggraf sich vom Wasserversorger ersetzen lassen, "aber darauf verzichte ich".
In Mücheln wird nun intensiv nach Lösungen gesucht, drei Jahre Zeit lässt die Übergangsfrist. Möglich wäre es, das Wasser zu filtern und so das Uran herauszuholen. Eine Technik, die im Bereich Sangerhausen seit 2009 eingesetzt wird. Der Trinkwasser-Verband Südharz war damit bundesweit Vorreiter, berichtet Heike Müller, stellvertretende Geschäftsführerin. Schon zuvor hatte ihr Verband sich an einem Pilotprojekt beteiligt und nach Uran im eigenen Trinkwasser gesucht - und war auf die erhöhten Werte aufmerksam geworden.
Und der Verband habe klar gesagt, so Müller, "auf jeden Fall etwas zu tun", wenn zu hohe Werte nachgewiesen werden. So kam also für Sangerhausen die Filteranlage für 25 000 Euro. Beim Wasserpreis von derzeit 1,77 Euro pro Kubikmeter bedeute das einen Aufschlag von drei bis sechs Cent. Und der Uranwert sinke unter die Nachweisgrenze. Allerdings: Die "Filter sind nur eine Zwischenlösung", sagt Müller. Für Sangerhausen werde ebenso wie für die anderen betroffenen Orte geprüft, wie das belastete Wasser durch Fernwasser zu ersetzen ist.
Bürgerinitiativen-Sprecher Ernst beruhigt das nicht, schließlich sei "mindestens seit 2004 bekannt", dass zu viel Uran im Wasser der Region ist. Nun gebe es nochmal eine Frist bis 2014, "und wir müssen weiter die Uranbrühe trinken".