Tierzucht im Saalekreis Tierzucht - Lammfleisch aus Sachsen-Anhalt steht hoch im Kurs
Salzatal - Pünktlich, pünktlich auf die Minute. Der Lamm-Aufkäufer kommt. Ein großer Lkw rollt auf den Hof. Dirk Papendieck sieht es mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Zum einen kann der Schäfermeister aus Salzatal im Saalekreis zufrieden sein: Sein Stall ist voll gesunder Tiere, was will man mehr.
Zum anderen gibt der 46-Jährige nun den Ertrag monatelanger Arbeit aus der Hand. Und dann, so sagt er im Scherz, müsse man auch noch aufpassen. Sonst lade der Aufkäufer womöglich gleich sämtliche Jungtiere ein. Was zur Folge hätte: Der Züchter ginge zu Ostern selbst leer aus, fände am Festtag kein zartes Fleisch aus eigener Zucht auf seinem Teller. Dabei sei österlicher Lammbraten eine Tradition aus Großvater Gerhards Zeiten, gleichfalls ein Schäfer. Aber Papendieck bleibt standhaft bei seinem Entschluss: „Ein Lamm bleibt hier.“
Pro Saison werden in Sachsen-Anhalt zwischen etwa 35.000 und 40.000 Lämmer verkauft. Laut Landesschafzuchtverband erwirtschaften die knapp 180 zumeist kleinen Zuchtbetriebe damit mindestens ein Drittel ihrer Einnahmen. Ansonsten gilt auch für Papendiecks Landstrich zwischen Halle und Eisleben: Geschäft ist Geschäft.
Nachfrage ist gestiegen
Und die Nachfrage ist gerade sehr, sehr groß. Lammfleisch aus Sachsen-Anhalt steht rund um die Feiertage bundesweit hoch im Kurs. Vor allem Hessen, Baden-Württemberger und auch Berliner wissen die feine Qualität der kleinen Höfe zu schätzen - und zahlen dafür sogar gerne etwas mehr. In ostdeutschen Landen hingegen, so die Erfahrung der Händler, greifen Kunden oft immer noch nach dem billigsten Angebot.
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Häufig sei das Importware - Australier und Neuseeländer mit riesigen Herden sorgen für harte Konkurrenz. Ihr Marktanteil bei Lammfleisch soll mittlerweile etwa 50 Prozent erreichen. Der einzige Ausweg, den Papendieck nach 31 Berufsjahren sieht, ist alles andere als neu: „Klasse statt Masse.“
Den Takt gibt dabei immer die Natur selbst vor. Der Bestand der Brehnau Schäferei KG, in diesem Jahr hervorgegangen aus einem großen Landwirtschaftsbetrieb, zählt 550 Mutterschafe.
Laut Papendieck gerade genug, um wirtschaftlich überleben zu können. „Aber es sind mehr als genug, um selbst immer auf Trab zu bleiben.“
Aufzucht verlangt viel Zuwendung
Jetzt liegen hinter Papendieck und seinem Mitarbeiter Paul Hedel etliche Wochen mit besonders harter Arbeit. Der Grund: Die meisten Lämmer kommen zwischen November und Ostern zur Welt. Ihre Aufzucht gilt als nicht ganz einfach, verlangt viel Zuwendung. „Es sollte fast immer jemand im Stall sein.“ Bei der Geburt bringt ein Lamm nur vier bis sechs Kilo auf die Waage.
„Die Lämmer müssen anfangs regelmäßig getränkt werden.“ Dabei dürften die Portionen aber nicht zu groß ausfallen. Zwei Wochen später würde der tierische Nachwuchs zwar schon im Stall hin und her rennen und Sprünge üben. Aber erst nach drei Monaten könnte man Milchrationen ganz verzichten. Stattdessen müsse sich der Schäfer dann um frisches Gras und auch um etwas Getreide kümmern.
Schlachtreif. So heißt es nach 120 Tagen. Verluste auf dem Weg dorthin kann sich kein Schäfer im Lande leisten. „Unsere Existenz hängt wesentlich vom Verkauf der Jungtiere ab“, so Papendieck. Seine Hoffnung: In diesem Jahr könnten es insgesamt 650 Lämmer werden.
Damit die Rechnung aufgeht
Ein Tier - etwa 40 Kilogramm schwer - bringt ihm zwischen 90 und 100 Euro. Wenn diese Rechnung aufgeht, spült das am Ende der Saison immerhin etwa 60.000 Euro in die Kasse.
Der Kilogramm-Preis für Lamm liegt damit mindestens dreimal höher als beim Schweinefleisch. Diesem Vorteil stünden allerdings, schränkt Papendieck ein, erhebliche Kosten gegenüber. Immer mehr schlagen beispielsweise die wachsenden Ausgaben für die seit Jahren ansteigenden Pachten von Weideland zu Buche.
Aus seiner Sicht begrenze dieser Umstand zugleich das ansonsten mögliche Wachstum der Schafzucht. Als Faustformel gelte erfahrungsgemäß: ein Hektar, drei Schafe. Mehr ist nicht drin.
Auch der Mindestlohn, der gegenwärtig bei 8,75 Euro liege, müsse erst einmal erwirtschaftet werden. Als Unternehmensziel, nennt Papendieck, der sein eigener Finanzminister ist, nicht zufällig die berühmte „schwarze Null“.
Etwas Unberechenbares, nämlich das Wetter, spielt allerdings eine wichtige Rolle. Vorerst hält sich der Frühling noch zurück. Ende März zum Beispiel regnet im südlichen Sachsen-Anhalt häufig. „So etwas muss ein Schäfer einkalkulieren.“ Merke: Bei solchem Wetter fressen Schafe nicht allzu gern, so eine alte Hüte-Erfahrung.
Trotzdem, Mantel und Filzhut liegen natürlich schon bereit. Die Weidesaison, die von April bis in den November hinein dauert, kann je nach Wettertrend auch gleich Morgen beginnen. Dann ist der Schäfer mit der Herde und den beiden Hunden Burche und Fee unterwegs - zwischen der Saale bei Wettin und bis fast an den Stadtrand von Halle. Papendieck taucht aber nur dort auf, wo es lange zuvor geschlossene Verträge erlauben und sich die Tiere mit saftigen Grün die Mägen füllen können.
Den Aufenthalt in freier Natur, der auf den ersten Blick romantisch anmutet, kann der Schäfer leicht in Euro und Cent umrechnen. Das Zauberwort, das einen der wichtigsten Fördertöpfe der Branche öffnet, heißt nämlich Landschaftspflege. Damit finanziert das Land den Einsatz von Schafen, um auf ausgewählten Flächen wie Trockenrasen-Gelände, Heidelandschaften und den 4600 Hektar Deich-Gebiet unerwünschte Pflanzen klein zu halten. So bestreiten Sachsen-Anhalts Schäfer unterm Strich bis zu 60 Prozent der Einkommen aus derartigen Dienstleistungen und aus Prämien für das naturnahes Bewirtschaften.
Neuer Trend: Hobby-Schäferei
Hans-Jörg Rösler, Geschäftsführer des Landesschafzuchtverbandes, hält diese Unterstützung auf lange Sicht für eine zwingende Voraussetzung, um Schafzucht überhaupt zu erhalten. Gegenwärtig gibt es ihm zufolge zwischen Arendsee und Zeitz exakt 101.953 Schafe, darunter mehr als 000 Böcke. Das entspricht im Bundesvergleich einem Platz im unteren Mittelfeld. Spitzenreiter ist Bayern mit beinahe 300.000 Tieren.
Hierzulande ist die Schäferei am traditionell stark vertreten im Burgenlandkreis (etwa 14.000 Tiere), in Mansfeld-Südharz (13.000), im Harz-Kreis, rund um Stendal und im Saalekreis (jeweils 10 000). In jüngster Zeit zeichnet sich zudem ein Trend zur Hobby-Schäferei mit ein bis drei Tieren ab. Allerdings handelt es sich laut Rössler um ein anspruchsvolle Freizeitbeschäftigung - an 365 Tagen im Jahr. (mz)
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