Stelzenhaus in Leipzig Stelzenhaus in Leipzig: Kreativ auf Top-Niveau

Es geht also in den Leipziger Stadtteil Plagwitz, gleich am Karl-Heine-Kanal liegt das Stelzenhaus, ein ehemaliger Industriebau, mit dessen Errichtung Ende der 20er Jahre begonnen wurde: Wo einst ein Wellblechwalzwerk samt Verzinkerei ansässig war, begrüßt uns nun die freundliche Dame vom Service. Was für eine Kulisse für ein Abendessen: Der Raum wirkt mit modern-puristischem Charme, im Interieur dominiert eine Kombination aus hell getünchtem Beton und edel gemaserten Holzmöbeln. Hier ein schicker Weinschrank, dort die raumhohen Fenster. Und mittendrin ein prächtiges Aquarium. So haben wir zwar nicht die Stelzen vor Augen, auf denen das Haus tatsächlich steht, aber trotzdem einen guten Ausblick.
Zumal uns die Kellnerin an einen Tisch direkt an den Fenstern gebracht hat. Schade ist nur, dass diese offensichtlich schon einige Zeit nicht mehr geputzt wurden. Dem Flair kann man sich trotzdem nicht entziehen. Gerade schippert ein Boot unten auf dem Kanal vorbei. Dem Wasser könnte man auf der unteren Terrasse des Restaurants noch näher sein, die - wie auch jene im oberen Stock - 50 Plätze bereithält. Wir genießen an jenem schon etwas kühleren Abend jedoch lieber drinnen das Ambiente.
Nicht das Alltägliche
Und das, worum es hier am Ende eigentlich geht: das Essen. Der hübsche Gruß aus der Küche ist vielversprechend. Zum kleinen Lachstörtchen werden Rote-Bete-Quark und ein Schälchen Pastinakensuppe gereicht. Köstlich! Der Restaurantführer Gault & Millau bewertet das Leipziger Stelzenhaus aktuell mit 13 Punkten. Das Fazit der Gourmets: „Sehr gute Küche, die mehr als das Alltägliche bietet.“ Das lässt sich nach dem schmackhaften Auftakt nur bestätigen.
Bevor wir allerdings in den Genuss der Vorspeise kommen, dauert es gut eine dreiviertel Stunde. Der empfohlene - und für sehr empfehlenswert befundene - Aperitivo Rosato mit Ananassaft, Ginger Ale und Gurke (4,90 Euro) ist längst ausgetrunken, auch der französische Rote von der ausgesuchten Weinkarte geht langsam zur Neige. Doch, und das war zu ahnen: Das Warten lohnt sich. Der „Eintopf von Hummer mit Englisch-Sellerie, Physalis und Zitronenmelisse“ (12,90 Euro) ist mit seiner fruchtigen Komponente besonders.
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Überraschen kann auch die „Suppe von gebackenen Kartoffelschalen mit pochiertem Forellen-Wan Tan und Kaviar“ (8,70 Euro): Natürlich findet man keine Kartoffelschalen darin, aus diesen wird allerdings die Essenz gekocht, wie Stelzenhaus-Mitinhaber und -Küchenchef Uwe Wolf später erklärt. Mit dem Ergebnis, dass die klare Suppe mit einem sehr intensiven, köstlichen Aroma besticht. Absolut harmonisch sind dazu die Fisch-Komponenten. Und der nächste Gang lässt dieses Mal überhaupt nicht lange auf sich warten.
Allerdings haben wir das, was nun auf dem Tisch steht, gar nicht bestellt: „Ein Zwischengang für Sie“, kommentiert die Kellnerin. Tamarindensorbet mit einer Scheibe von der Entenbrust. Gewissermaßen ein zweiter Gruß aus der Küche, wohl wegen der längeren Wartezeit bei den Vorspeisen. Das ist ja nett!
Kühle Tamarinde als Zwischengang
Die Tamarinde, eine säuerlich schmeckende Zutat, die beispielsweise in der indischen und thailändischen Küche häufig Verwendung findet, macht sich in diesem Sorbet sehr gut - allerdings ist solch ein kühler Zwischengang nach einer warmen Suppe doch ungewöhnlich. Die Ente sorgt für dazu hervorragend passende milde Nuancen.
Was auffällt: Gestelzt geht es in diesem Haus wirklich nur in Sachen Architektur zu. Am Nebentisch hat eine Männerrunde - offenbar bei einer Firmenfeier - ihren Spaß. Die Bedienung ist zuvorkommend, aber nicht überkorrekt. Das alles wirkt wie die lockere Variante eines Edelrestaurants. Und das ist gewollt, wie Uwe Wolf bestätigt: „Wir sind offen für alle Gäste.“
Im Mittelpunkt stehen die Speisen, die sich an der klassischen Küche mit klar saisonalen und regionalen Bezügen orientiere. Neben der Abendkarte, die viermal im Jahr wechselt, gibt es auch eine Bistrokarte, auf der kleinere und einfachere Gerichte zu finden sind.
Zum Hauptgang trauen wir uns nicht so recht an die gebratene Zunge vom Kalb, die samt Kalbsbrust auf Aprikosensalsa mit schwarzem Reis aus dem Piemont angeboten wird. Stattdessen gibt es aus dem mit „Erde“ überschriebenen Teil der Speisekarte das Boeuf Stroganoff „Stelzenhaus“ (27,90 Euro): Das Rinderfilet wird hier auf Püree von gelber Bete angeboten - das ist neu für uns und klingt interessant. Dazu gibt es eine mit Pilzen gefüllte Zwiebel und einen cremigen Essiggurkensalat. Man darf also gespannt sein.
Wohlschmeckender Hauptgang
Schnell ist klar: Die Wahl hat sich gelohnt. Gut, solch ein Gelbe-Bete-Püree ist Geschmackssache, wie sich herausstellt. Die gelbe Variante hat einen ähnlich erdigen Geschmack wie die bekannte rote, aber unterscheidet sich dann doch im Aroma. Stimmig sind die rote Zwiebel mit der Pilzfüllung und die Essiggurken, die in eine leichte Crème gebettet wurden. Der Höhepunkt der Speise ist aber ohne Zweifel das rosa angebratene Filet samt dazugehöriger Sauce. Da könnte es gern noch etwas mehr auf dem hübschen Teller sein.
Auch auf der anderen Seite des Tisches gibt es nichts zu meckern. Wer Lammfleisch mag, wird dieses Gericht mit einer Lammvariation (25,80 Euro) lieben. Besonders beeindruckend: die daraus hergestellten Bratwürste, die mit feiner Chilinote begeistern. Sie werden zusammen mit dem rosa gebratenen Rücken und einer Frikadelle vom Lamm serviert. Während bei letzterer vor allem der Lammgeschmack dominiert, ist das Filet unübertroffen zart und saftig - hervorragend. Dazu munden der Spitzkohl-Wrap mit Haselnüssen und Limonenjoghurt und der feine Bohnensalat.
Als Dessert könnte man aus einer Vielzahl wirklich exquisit klingender Käsesorten wählen. Bei uns soll es aber bitte etwas Süßes sein. Die „Mango-Cannelloni mit Mousse von blonder Schokolade an gebackenem Studentenfutter-Pudding und Aperol-Zitronengras-Sorbet“ (11,90 Euro) enttäuschen denn auch nicht. Das Sorbet ist sehr herb, aber insgesamt ist diese Nachspeise eine gute Kombination. Zumal schon die Präsentation derselben Appetit macht. Noch einen Tick ausgefallener sind die „mit Berberitzen und Pistazien gefüllten Frühlingsrollen zu Dips von Schokolade mit Soja und Erdbeere mit Sweet-Chili“ (12,80 Euro) - was vor allem an den Dips liegt.
Fazit: Das Stelzenhaus ist nicht nur architektonisch eine Besonderheit, sondern gefällt auch mit seiner vorzüglich-kreativen Küche.
